GASTBEITRAG

Den Kampf um Innovationen haben die deutschen Banken schon verloren

Börsen-Zeitung, 7.12.2018 Beim Blick auf die Bankenlandschaft für Privatkunden drängt sich der alte Spruch auf: Wer ein totes Pferd reitet, sollte zügig absteigen. Übersetzt auf die deutschen Banken heißt das: Im Kampf um Produktinnovationen für...

Den Kampf um Innovationen haben die deutschen Banken schon verloren

Beim Blick auf die Bankenlandschaft für Privatkunden drängt sich der alte Spruch auf: Wer ein totes Pferd reitet, sollte zügig absteigen. Übersetzt auf die deutschen Banken heißt das: Im Kampf um Produktinnovationen für ihre Kunden sollten sie sich besser heute als morgen geschlagen geben. Denn sie haben, man muss es so deutlich sagen, schon verloren. Längst widmen sich die großen und kleinen Sieger – Marktgiganten wie Google, Apple, Facebook und Amazon sowie die zahlreichen jungen Fintechs – mit ihren Apps und innovativen Zahlungsverkehr-Produkten einem neuen Milliardengeschäft, während die Verlierer trotzig weiterboxen. Zwar nehmen die Kreditinstitute ihre digitale Konkurrenz inzwischen ernst, klein beigeben wollen sie aber nicht. Anderen Aufgaben zuwendenDie gute Nachricht ist: Die deutschen Banken haben jede Menge Chancen, ihre Zukunft erfolgreich zu gestalten. Sie müssen sie nur nutzen, doch das ist bisher nicht der Fall. Ein erster Schritt wäre es, ihr Unterliegen auf dem Feld der Innovationen einzusehen, und sich dann den Kämpfen zuzuwenden, bei denen es für sie noch etwas zu gewinnen gibt. Welche das sind, dazu gleich. Vorerst ein Wort zum Status quo der deutschen Kundenbanken.In der Gegenwart kostet es die Traditionshäuser viel Kraft, ihr Geschäft überhaupt aufrechtzuerhalten. Es fehlt am Geld und am Personal. Am Geld, weil schätzungsweise bis zu 80 % des Investmentbudgets in die Erhaltung der IT-Systeme und in regulatorische Anforderungen fließen. Währenddessen stecken die brandneuen Konkurrenten ihre Milliarden vollständig in Forschung und Entwicklung. Man nehme nur Google und Apple, deren Services das Potenzial haben, den Markt für mobiles Bezahlen buchstäblich mit einem Wisch abzuräumen. Bereits gescheitert ist dagegen der Online-Bezahldienst, der im Zusammenschluss mehrerer deutscher Banken entstanden ist.Am Personal mangelt es den Instituten, weil junge Querdenker sich von ihnen nicht angezogen fühlen: Die Branche, die einen globalen Finanzkollaps ausgelöst hat und ohnehin von einem Rechtsbruch in den nächsten schlittert, ist für den technologisch brillanten, kreativen Nachwuchs unattraktiv. Auch als Kunden sind die Generationen Y und Z vom vergangenheitstreuen Angebot ihrer Hausbanken nicht gerade überwältigt. Man muss kein Digital Native sein, um zu ahnen, dass ein 25-Jähriger, der am Geldautomaten von Werbebannern über Anlageoptionen informiert wird, sich nicht an richtiger Stelle abgeholt fühlt. Kein Wunder, dass der Trend zur digitalen Zweitbank geht, die zeitgemäße Kundenwünsche erfüllt. Ungenutzter DatenschatzAm erstaunlichsten an der gegenwärtigen Situation ist, dass sämtliche Retailbanken auf einer Goldmine sitzen, ohne sie zu nutzen. Gemeint ist das enorme Wissen, das Institute über ihre Kunden besitzen: Ein Kontoinhaber reist jedes Jahr im Mai nach Mallorca, ist gerade umgezogen, speist gern beim Griechen und kauft dreimal pro Woche im selben Supermarkt ein – die Banken wissen das, und sie wissen noch viel mehr, doch sie machen nichts daraus. Es ist unnötig zu erwähnen, dass Daten zur wichtigsten Währung im internationalen Wettbewerb geworden sind. Für die Banken sind Daten nichts weniger als das Rüstzeug schlechthin für die Zukunft, doch darüber sehen sie mit Seelenruhe hinweg. Um den Schatz zu heben, müssten sie ihr Angebot völlig neu ausrichten.Wie könnte diese Neuerung nun aussehen? Statt ihre Ressourcen für einen verlorenen Kampf zu verschwenden, täten Banken gut daran, sie in zukunftsweisende, datenbasierte Modelle zu investieren. Sie müssten sich zu einer Art digitalem Marktplatz entwickeln, auf dem sie das Wissen über ihre Kunden innovativen Anbietern zur Verfügung stellen. Nutzer dürften dann aus einer Fülle smarter Produkte wählen, passend zu ihrem Lebensstil. Die dafür notwendige Kooperation mit Drittanbietern wäre dank der Zahlungsdienste-Richtlinie PSD 2 ein Leichtes. Denn die neue Datenschnittstelle, die Banken erstmals die Weitergabe ihrer Kundendaten ermöglicht, hat fest verriegelte Türen geöffnet. Jetzt geht es darum, das dahinterliegende Neuland auch zu betreten.Richtig ist, dass deutsche Kunden der Verwendung ihrer Daten allgemein noch skeptisch gegenüberstehen. Es ist nun die Aufgabe der Banken, ihre Kunden davon zu überzeugen, dass Datenschutz und zeitgemäßes Banking vereinbar sind. Wenn es Banken gelänge, sich zu modernen “Daten-Banken” zu entwickeln, profitierten alle davon: Hat ein Kunde zum Beispiel kürzlich ein Haus gekauft, ist er mit hoher Wahrscheinlichkeit an Produkten interessiert, die sein Eigentum absichern, um nur eine Möglichkeit zu nennen. Banken genießen das Vertrauen ihrer Kunden in hohen Datenschutz, dort sollten sie ansetzen. Und: Sie sollten beginnen, ihre starke Konkurrenz als potenzielle Partner zu betrachten. Nicht ausgedientDass der Zahlungsverkehrsmarkt gerade von mächtigen neuen Playern bedroht wird, heißt nicht, dass die etablierten Bankhäuser ausgedient haben. Das Gegenteil ist der Fall. Vielmehr erfüllen die klassischen Kreditinstitute als Rückgrat der Finanzwirtschaft eine Rolle, die keiner der digitalen Konkurrenten je übernehmen wollte. Kunden vertrauen ihren Banken, sie erwarten aber auch Innovation und Anpassungsfähigkeit. Umso wichtiger ist es, dass die Banken dort angreifen, wo sie gebraucht werden.—-Bodo Schaefer, Managing Director Deutschland, Österreich und Polen des auf Finanzinstitute spezialisierten Beraters Capco