Depositen-Plattformen sind im Risikomanagement gefordert
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Erste Zahlungen aus der Einlagensicherung des privaten Bankgewerbes an Kunden der Bremer Greensill Bank sind Ende vergangener Woche geflossen, die Entschädigung hat begonnen. Rund 22000 Privatpersonen und Unternehmen wurden dafür angeschrieben. Der Umfang der zu entschädigenden Summe beträgt rund 3 Mrd. Euro, wovon 1 Mrd. auf die gesetzliche Einlagensicherung entfällt, der Rest auf den freiwilligen Depositenschutz. Und mit großer Verwunderung nimmt man zur Kenntnis, dass die Depositen-Plattformen Weltsparen (Raisin) und Zinspilot (Deposit Solutions) so tun, als ob eine aktive Schadensverhinderung nicht in ihren Verantwortungsbereich fallen würde.
Greensill der fünfte Unfall
Dabei stehen die Plattformbetreiber sehr wohl in der Pflicht, für eine Hygiene der vermittelten Angebote zu sorgen. Allein aus Eigeninteresse, denn jeder Unfall belastet die Reputation und damit die Marke – selbst wenn die Einlageninvestoren dabei nicht zu Schaden kommen. Vier solcher Unfälle gab es schon vor Greensill: 2018 wurde einer estnischen Bank die Banklizenz entzogen, für die über Deposit Solutions Gelder vermittelt wurden. Es fand dann eine Rückabwicklung der Einlagen statt, das heißt, die Anleger hatten nur eine Zeit lang keinen Zugriff auf ihre Gelder. Bei Weltsparen gab es mit der bulgarischen Fibank und der portugiesischen Bank Espírito Santo schon zwei Fälle kriselnder Banken, die aber der Staat rettete. Kein Anleger verlor Geld, da Regierungen es vorzogen, Institute zu rekapitalisieren, anstatt sie dem EU-Abwicklungsmechanismus zu übergeben – diese Brandmauer zum Schutz der Anleger (und der Einlagensicherungen) dürfte nicht ewiglich halten. Und als es dann doch mal schiefging und eine über Weltsparen vermittelte österreichische Bank insolvent ging, bekamen alle deutschen Sparer ihre Gelder gemäß der österreichischen Einlagensicherung zurück.
Auch bei Greensill werden die über die Zinsplattformen vermittelten privaten Anleger entschädigt. Von einigen Maklern – jedoch nicht von Weltsparen – wurden zudem Kommunen vermittelt. Bei diesen Kommunen stehen nun knapp 250 Mill. Euro im Feuer, die vor dem Negativzins in (eine trügerische) Sicherheit gebracht werden sollten. Doch einige Anleger waren nicht ganz so blauäugig wie Kämmerer aus gewerbesteueropportunistischen Gemeinden wie Eschborn und holten eine professionelle Zweitmeinung zur Greensill Bank ein: Seit 2019 analysierte zum Beispiel Independent Credit View für Kunden das Bremer Institut und machte auf den Black-Box-Charakter des Geschäftsmodells aufmerksam: So habe es an Anhaltspunkten gemangelt, nach welchen Risiko-Ertrags-Kriterien die Greensill-Gruppe entschied, wann die von einem luxemburgischen Verbriefungsvehikel emittierten Anteilscheine auf das eigene Buch der Bank geschoben wurden, versichert oder an den Kapitalmarkt abgegeben wurden. Das Verdikt: Die Greensill Bank verdiene allein aufgrund mangelnder Transparenz kein Investment-Grade-Rating.
Und was taten und tun die Depositen-Plattformen? Sie machen sich einen schlanken Fuß und verweisen vor allem auf das Emittenten-Rating durch Scope. Nun soll hier nicht die Problematik dieser Ratingstruktur aufgerollt werden, aber eines ist doch sonnenklar: Die Plattformbetreiber müssen im Sinne einer Finanzberatung mehr tun, als öffentliche Ratings einzustellen und bankübliche Dokumente zu Liquidität und Kapitalausstattung auszutauschen. Ein erweiterter Risiko-Check der „Partnerbanken“ durch eine unabhängige Adresse sollte ab sofort zwingend zum Standardrepertoire vor dem Onboarding gehören und auch unterjährig zum Schutz der Anleger stattfinden, damit nicht weiter ein komplettes Risiko-Outsourcing an die Einlagensicherung stattfindet. Diese Form von Moral Hazard verursacht ein Auseinanderklaffen von Risiko und Haftung, wie es nicht bestehen darf.
Diesen erhöhten Aufwand zum Einlegerschutz dürfen die Plattformbetreiber nicht scheuen – und sie müssen noch mehr leisten, indem sie zusätzliche Abgaben in Form risikoadjustierter Prämien in die Einlagensicherung zahlen, wie jüngst in dieser Zeitung Klaus Fleischer, Prof. (em.) der Hochschule München und Of Counsel Baker Tilly, forderte. Warum sollten Deutsche Bank, Commerzbank sowie die beiden großen Verbünde länger für Nachlässigkeiten bei der Plattform-Hygiene haften? Zudem erscheint, wie ebenfalls von Fleischer angeregt, eine aufsichtliche Deckelung der Einlagenhöhe bei einzelnen Instituten ratsam.
Die Quelle toxischer Papiere
Das gilt vor allem, wenn deutsche Gelder eingesammelt werden, die dann wie bei Greensill ausländische Finanzierungen absichern sollen. Denn auch das durch Open-Banking-Regulierung und EU-Passporting ermöglichte Fintech-Geschäft sollte einer Risikokontrolle durch nationale Aufseher unterzogen werden, die dann auch risikobegrenzende Maßnahmen wie einen Cap auf Einlagen veranlassen können. In Brüssel verfolgt man die Realisierung von Passporting bei Finanzdienstleistungen derart obsessiv, dass der Aspekt der Risikosteuerung in den Hintergrund gerückt ist. Das wurde auch deutlich bei den von Greensill über Supply-Chain-Plattformen wie Taulia verbrieften Forderungen: Über diese gelangten toxische Papiere in den Kreislauf des Kapitalmarktes – und auch wenn auf der Plattform selbst alles sauber läuft, so bleibt doch der Makel, Quelle eines Wertpapier-Kreislaufs zu werden, dem die Luft wegbleibt, sobald mit den Kreditversicherern das erste Glied in der Kette schlappmacht – in diesem Fall aufgrund der offenkundig drohenden Illiquidität des Gupta-Imperiums. Wer schon länger ein Börsen-Zeitungs-Abo hat, der erinnert sich sicher daran, dass die Finanzkrise einen Auslöser darin hatte, dass zuerst Anleiheversicherer die Grätsche machten und damit Subprime-Papiere Löcher in die Bilanzen der Banken rissen. Als mit Tokio Marine pünktlich zum Einschreiten der Aufsicht der erste (von Marsh akquirierte) Greensill-Versicherer seine Weigerung zur Deckung öffentlich machte, unkte ein Marktteilnehmer: Typisches Assekuranz-Verhalten!
Der Markt steckt voller Moral-Hazard-Verstrickungen, deren wirksamste Einhegung zunächst im gegenseitigen Ausleben der Raubtierinstinkte als Checks and Balances zu bestehen scheint – wobei das Equilibrium (nach Gewinnmitnahmen) letztendlich immer über Notenbanken (wie im US-Repo-Markt) oder direkte Staatshilfen (Bankenrettung) hergestellt wird. Diesen auseinanderklaffenden Graben von Risiko und Haftung heben die Notenbanken immer weiter aus – die Open-Banking-Betreiber und ihre vor Negativzinsen fliehenden Kunden sind mit ihrer Einlagensicherungsarbitrage ein Symptom dieser Entwicklung.
Berichtigung: In einer früheren Version dieses Beitrags konnte der Eindruck entstehen, „Weltsparen“ (Raisin) habe Kommunen als Anleger an die Greensill-Bank vermittelt. Das entspricht nicht den Tatsachen. Tatsächlich hat „Weltsparen“ (Raisin) keine Kommunen als Anleger an die Greensill-Bank vermittelt.
Hohe kommunaleGreensill-Schäden | |
Bundesland | betroffene Einlagen (Euro) |
Hessen | 87 000 000 |
Nordrhein-Westfalen | 61 500 000 |
Thüringen | 52500000 |
Baden-Württemberg | 51200000 |
Niedersachsen | 36000000 |
Schleswig-Holstein | 20000000 |
Bayern | 13900000 |
Rheinland-Pfalz | 9750000 |
Sachsen | 7500000 |
Quelle: Tagesgeldvergleich.netBörsen-Zeitung |