„Der Aufsichtsansatz war nicht geeignet“
sp/dpa-afx Berlin
Die Arbeitsweise der Finanzaufsicht BaFin war nach Ansicht ihres obersten Bankenaufsehers Raimund Röseler nicht dafür geschaffen, den Wirecard-Betrug zu erkennen. „Der Aufsichtsansatz war nicht geeignet, um den Risiken zu entsprechen“, sagte Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht bei der BaFin, laut der Nachrichtenagentur dpa-afx am Freitag im Rahmen der Zeugenvernehmung vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum milliardenschweren Bilanzbetrug bei dem Zahlungsdienstleister.
Man habe die konzerneigene Wirecard Bank wie andere nicht systemrelevante Kreditinstitute behandelt und dabei nicht gesehen, dass die Bank Teil eines „gigantischen Betrugskonstrukts“ gewesen sei, räumte Röseler ein. Es sei daher unumgänglich, „dass wir unseren Aufsichtsansatz neu gestalten“. Bereits am Donnerstag hatte Rainer Wexeler, ein langjähriges Vorstandsmitglied der Wirecard Bank, vor dem Ausschuss ausgesagt und die Einschätzung zurückgewiesen, die Bank sei am Bilanzbetrug bei der Konzernmutter beteiligt gewesen.
Die BaFin war für die Aufsicht über die Wirecard Bank zuständig, hatte sich für die Überwachung des Gesamtkonzerns aber nicht verantwortlich gesehen. Dies war zwischen verschiedenen Behörden umstritten. Für die Überwachung solcher komplexen Unternehmen strebt Finanzminister Olaf Scholz (SPD) deshalb eine Reform an. Die BaFin soll künftig explizit für komplexe Firmenkonstrukte zuständig sein. Außerdem soll die Aufsichtsstruktur der Behörde effizienter werden.
Röseler betonte, dass es nach Einschätzung der BaFin trotz negativer Presseberichte über die Wirecard AG keinen Anlass für eine stärkere Überwachung der Wirecard Bank gegeben habe. Den Artikeln habe eine erfolgreiche Bank mit einem „beachtlichen Kundenkreis“ gegenübergestanden. Außerdem seien die Berichte der Wirtschaftsprüfer EY „einwandfrei“ gewesen. „Wir wissen bis heute nach wie vor nicht, was genau wirklich passiert ist“, sagte Röseler.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete am Freitag unter Berufung auf Unterlagen des Untersuchungsausschusses und einen Prüfbericht der Handelsüberwachungsstelle (HÜSt) der Deutschen Börse, dass die BaFin 2019 wegen einer vermeintlichen Koalition aus Journalisten und Shortsellern gegen die Wirecard AG gegen Leerverkäufer vorging, obwohl die Handelsüberwachung keine Belege für Insiderhandel oder Marktmanipulation gefunden hatte.
Die Überwachungsstelle hätte nach kritischen Berichten über Wirecard in der „Financial Times“ im Februar 2019 eine Untersuchung einschlägiger Transaktionen auf den Plattformen Xetra Classic, Xetra Frankfurt und Eurex eingeleitet. Dabei nahmen die Marktwächter laut Bloomberg auch den Handel mit Optionsscheinen und Derivaten unter die Lupe, die besonders anfällig für Insiderhandel sind. In allen Bereichen kam die HÜSt zu dem Ergebnis, dass keine Transaktionen erkennbar waren, die vom üblichen Handel abwichen, heiß es weiter.
Mehr Daten als die HÜSt
Den Bericht habe die HÜSt der BaFin zur Verfügung gestellt, schreibt Bloomberg. Dennoch erstattete die Behörde zwei Monate später Strafanzeige wegen Marktmanipulation gegen unbekannte Leerverkäufer und Journalisten. Eine BaFin-Sprecherin erklärte laut Bloomberg auf Anfrage, dass die Aufsichtsbehörde auch auf andere Informationen zugreifen kann als die HÜSt. Die Sprecherin verwies demnach auf Daten zu Nettoleerverkaufspositionen sowie auf Verdachtsmeldungen ausländischer Handelsplätze.