„Der Bankensektor hat Kapital, Liquidität und Rentabilität verbessert“
Im Interview: Angel Monzon
„Der Bankensektor hat Kapital, Liquidität und Rentabilität verbessert“
Chef der Risikoanalyse-Abteilung des EU-Bankenregulierers EBA bescheinigt Instituten Widerstandsfähigkeit – Anzeichen für schlechtere Assetqualität
fir Frankfurt
Herr Monzon, was sind die bemerkenswertesten Ergebnisse der EBA-Transparenzprüfung?
Wir veröffentlichen mehr als 10.000 Datenpunkte pro Bank, das sind über 1,2 Millionen Datenpunkte für 123 EU-/EWR-Banken. Keine andere Einrichtung bietet ein solches Maß an Transparenz und Detailgenauigkeit. Zusammen mit der Transparenzstudie veröffentlichen wir den Risikobewertungsbericht, der Risiken und Schwachstellen des Sektors aufzeigt. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass der Bankensektor mit hohen Kapital- und Liquiditätsquoten und einem guten Rentabilitätsniveau widerstandsfähig ist.
Welche Lehren haben Sie aus dem Bericht gezogen?
Wir haben viele Lehren gezogen. Der Bankensektor hat Kapital, Liquidität und Rentabilität im Laufe der Zeit verbessert, sodass er für die Zukunft gerüstet ist. Dies ist angesichts des unsicheren makroökonomischen Umfelds und der gestiegenen geopolitischen Risiken umso wichtiger. Obwohl die NPL-Quoten derzeit niedrig sind, weist der Bericht auf einige Indikatoren hin, die eine – wenn auch geringe – Verschlechterung der Qualität der Vermögenswerte anzeigen.
Zu welchen Erkenntnissen sind Sie darüber hinaus gekommen?
Eine weitere Erkenntnis ist die Widerstandsfähigkeit des EU-/EWR-Bankensektors nach den Bankenturbulenzen im März. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die nicht realisierten Verluste aus den Anleihebeständen der Banken im Durchschnitt in Grenzen halten, auch wenn beispielsweise kleinere Banken tendenziell stärker betroffen sind als ihre größeren Pendants. Auch nach den Turbulenzen im März haben wir keine großen Abflüsse von Einlagen erlebt, was ebenfalls ein gutes Zeichen ist.
Angel Monzon, EBABislang ist es den Banken gelungen, die Auswirkungen des Zinsrisikos in Grenzen zu halten.
Wo werden Sie als Bankenregulierungsbehörde jetzt genauer hinschauen und – wenn nötig – Vorschriften verschärfen?
Nach den Ereignissen im März stehen sicherlich Liquidität und Zinsänderungsrisiko im Mittelpunkt. Dies sind Themen, die innerhalb der EBA, aber auch in Basel weiter diskutiert werden. Bislang ist es den Banken gelungen, die Auswirkungen des Zinsrisikos in Grenzen zu halten. ESG-bezogene Risiken sind etwas, mit dem sich Banken befassen, und ein Bereich, in dem die Regulierung ebenfalls dazu beitragen wird, Risiken angemessen zu berücksichtigen. Was wir aus den Ereignissen im März gelernt haben, ist auch, dass die Abwicklungsfähigkeit von Instituten künftig Priorität haben sollte.
Können Sie das spezifizieren?
Wir müssen sicherstellen, dass der optimale Abwicklungsplan einer Bank in der Praxis funktionieren kann. Was die aufsichtsrechtlichen Themen und hier die Einlagen anbelangt, so ist eine genaue Beobachtung der Einlagenströme und ihrer Zusammensetzung gerechtfertigt. Es ist wichtig, dass Banken und Aufsichtsbehörden ihre Methoden zur Liquiditätsüberwachung mit einer vorausschauenderen Sichtweise weiter erforschen, z.B. durch die Überwachung von Interaktionen in den Sozialen Medien.
Die Rentabilität der europäischen Banken ist gestiegen. Dies ist vor allem auf das deutliche Wachstum der Zinserträge nach der Zinswende, aber auch auf die weiterhin überschaubare Risikovorsorge zurückzuführen. Wie wird sich die Rentabilität entwickeln?
Das ist die Frage, die sich jeder stellt. Wir haben beobachtet, dass sich die Ausweitung der Nettozinsmargen – der wichtigsten Triebkraft für das Nettozinsergebnis und die Rentabilität – in den letzten Quartalen verlangsamt hat. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Ein Grund dafür ist, dass die Banken verstärkt auf Marktfinanzierungen zurückgreifen, die teurer sind als Einlagen. Darüber hinaus ist der Anstieg der Einlagenkosten bisher gedämpft worden, aber es ist fraglich, ob die Banken in der Lage sein werden, die Einlagenkosten niedrig zu halten. Parallel zu den unsicheren Aussichten für die Gewinnspannen bestehen auch Unsicherheiten hinsichtlich des Kreditwachstums, da es ziemlich wahrscheinlich ist, dass es den Nettozinsertrag in Zukunft nicht stützen wird.
Sie sprachen notleidende Kredite an. Erwarten Sie einen Anstieg und entsprechende höhere Rückstellungen für Kreditausfälle?
In jüngster Zeit ist die NPL-Quote seit der Einführung der aufsichtsrechtlichen Meldedaten tendenziell gesunken. Dies wurde auch durch die geringe Arbeitslosigkeit trotz einer sich verschlechternden Wirtschaftslage unterstützt. Dieser Trend ist jedoch in den vergangenen Quartalen zum Stillstand gekommen. Es gibt erste Anzeichen für eine Verschlechterung der Qualität von Vermögenswerten, wie z.B. ein Anstieg des NPL-Volumens.
Obwohl dies als kleine Veränderungen betrachtet werden kann, muss man sehen, wie sich die Dinge in Zukunft entwickeln werden und ob wir uns an einem Wendepunkt befinden. Sollte dies der Fall sein, werden die Rückstellungen höchstwahrscheinlich ansteigen. Overlays könnten dazu beitragen, diese Auswirkungen abzufedern – aber sie werden den Anstieg der Rückstellungen für Kreditausfälle nicht verhindern.
Wo liegen die größten Bedrohungen für Banken und die Finanzstabilität?
Wir können drei Hauptrisiken nennen: Eine der größten Bedrohungen – wahrscheinlich für die ganze Welt und die Gesellschaft – sind sicherlich die geopolitischen Risiken. Sie führen zu einer großen Unsicherheit im Hinblick auf die makroökonomischen Rahmenbedingungen. Die globale Präsenz der EU-/EWR-Banken macht sie besonders anfällig. Ein weiteres wichtiges Risiko sind Cybergefahren. Und schließlich ist nach den Ereignissen in den USA im März und der Credit Suisse ein Aspekt sehr wichtig geworden: die Einlagen der Banken und ihre schnelle Bewegung im Technologie-Zeitalter.
Angel Monzon, EBABanken müssen auf potenzielle Schocks vorbereitet sein, auch auf mögliche Auswirkungen größerer Cyberangriffe.
Was muss Ihrer Meinung nach jetzt getan werden?
Banken und Aufsichtsbehörden sollten wachsam und flexibel bleiben, damit sie schnell auf ein sich veränderndes monetäres und wirtschaftliches Umfeld sowie auf geopolitische Entwicklungen reagieren können. Banken müssen auf potenzielle Schocks vorbereitet sein, auch auf mögliche Auswirkungen größerer Cyberangriffe. Angesichts der potenziellen Verschlechterung der Qualität von Vermögenswerten ist es nach wie vor wichtig, dass sie säumige Kreditnehmer und Kredite umgehend identifizieren.
Die potenzielle Verschlechterung der Qualität von Vermögenswerten sollte die Banken jedoch nicht von der Kreditvergabe an die Wirtschaft abhalten: Sie sollten sicherstellen, dass die Wirtschaft auch in solchen Zeiten mit Krediten versorgt wird, und gleichzeitig bei der Bereitstellung neuer Finanzierungen die Risiken angemessen bewerten und bepreisen. Ein gesunder Finanzierungsmix ist für die Banken ebenso wichtig wie ein umsichtiges Management des Zinsänderungsrisikos. Schließlich wird von den Banken erwartet, dass sie ihre Bemühungen fortsetzen, Ansätze für das Management von ESG-Risiken zu entwickeln, um zukunftsorientierte Informationen zu integrieren.
Die Fragen stellte Tobias Fischer.