Cum-Ex

„Der blanke Griff in die Steuerkasse“

Der BGH hat mit seinem Urteil vom Mittwoch klargestellt: Bei Cum-ex-Transaktionen handelt es sich um strafbare Steuerhinterziehung.

„Der blanke Griff in die Steuerkasse“

spe Stuttgart

Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht in den sogenannten Cum-ex-Aktiengeschäften nichts anderes als einen Umsatzsteuerbetrug und daher eine strafbare Steuerhinterziehung. „Es ging um den blanken Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler einzahlen“, sagte der Vorsitzende Richter des 1. Strafsenats des BGH, Rolf Raum, gestern bei der Urteilsverkündung. Der BGH machte dabei deutlich, dass es sich bei den praktizierten Geschäften weder um legale Gestaltungsmodelle noch um das bloße Ausnutzen einer Gesetzeslücke gehandelt habe, weil die gesetzliche Regelung eindeutig gewesen sei.

Mit seinem ersten Urteil im Cum-ex-Skandal, in dem noch weitere Fälle mit milliardenschweren Volumina anstehen, hat der BGH nun größere Klarheit geschaffen. Stets ging es in den bewusst undurchsichtig gehaltenen Geschäften zwischen Aktienhändlern, Investoren und Banken darum, sich Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, die nie bezahlt worden war. Die Gewinne wurden untereinander aufgeteilt.

In dem vorliegenden Fall, den Richter Raum beispielhaft wie folgt beschrieb, verabredeten der Angeklagte S. und Verantwortliche des Bankhauses Warburg in den Jahren 2007 bis 2011, durch wahrheitswidrige Erklärungen deutsche Finanzbehörden dazu zu veranlassen, angeblich gezahlte Kapitalertragsteuer zu erstatten, die tatsächlich aber nie entrichtet worden war. Hierfür organisierte der Angeklagte S. eine Vielzahl vom Bankhaus Warburg durchgeführte Cum-ex-Leerverkäufe. Dabei kaufte Warburg von Leerverkäufern jeweils kurz vor der Hauptversammlung Aktien mit Dividendenanspruch (Cum-Aktien). Die Leerverkäufer lieferten, wie geplant, Aktien ohne Dividendenanspruch (Ex-Aktien) und leisteten zur Kompensation an das Hamburger Bankhaus eine Ausgleichszahlung, für die ab 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten war. Allen Beteiligten war klar, dass diese Steuer auf keiner Seite einbehalten worden war, so der Richter. Gleichwohl stellte Warburg sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt aus. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen erreichten insbesondere Verantwortliche bei Warburg, die gesondert verfolgt werden, dass zu Unrecht mehr als 166 Mill. Euro ausbezahlt wurden. In den Jahren 2009 bis 2011war der Angeklagte S. nach Darstellung von Richter Raum noch an weiteren Fällen maßgeblich beteiligt. Dabei übernahmen eigens für diesen Zweck gegründete Fonds die Rolle des Leerverkäufers.

Bisher hatte Warburg immer argumentiert, die Angeklagten hätten auf eigene Rechnung agiert. Darüber hinaus seien die Ansprüche aus einem Teil der Geschäfte von 2007 bis 2009 steuerrechtlich verjährt. Dieser Sicht widersprach der BGH.

In einer persönlichen Erklärung reagierten die Warburg-Hauptgesellschafter Christian Olearius und Max Warburg enttäuscht auf das Urteil. Sie bekräftigten ihr Verständnis, dass Beschäftigte der Bank durch „Großdrahtzieher planmäßig irregeführt“ worden seien. Olearius und Warburg wollen prüfen, „ob wir unser Recht nunmehr auf der verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Ebene zu suchen haben.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.