Jochen Schenk und Pamela Hoerr

„Der Boom wird sich so nicht fortsetzen“

Real I.S. agiert vorsichtig im Jahr 2022. Die Immobilienmärkte werden nach Meinung der BayernLB-Tochter mit Zeitverzögerung auf die Eintrübung der Konjunktur reagieren.

„Der Boom wird sich so nicht fortsetzen“

mic München

Börsen-Zeitung,

„Der Boom der letzten zehn Jahre wird sich so nicht fortsetzen“, sagte Real-I.S.-Vorstandsvorsitzender Jochen Schenk im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Man werde sich in toto eine Zeit lang auf eine Seitwärtsbewegung einstellen müssen, beispielsweise bezüglich der Erträge und Preise im Immobilienmarkt. Real I.S. sei mit Assets under Management von 12,5 Mrd. Euro in sehr solider Verfassung und erziele entsprechende Gebühren aus diesem Bestand. Die BayernLB-Tochter möchte den Gewinn vor Steuern im laufenden Jahr von knapp 27 Mill. Euro auf 31 Mill. Euro steigern.

Fahren auf Sicht

Für Schenk ist die Sondersituation im Finanzmarkt auch infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine offensichtlich. Man erlebe jeden Tag eine Nachricht, bei der man feststelle, dass man dies auch noch nicht gehabt habe, sagte er. Seine Schlussfolgerung: „Das kann aus meiner Sicht nur bedeuten: hohe Vorsicht.“ Beispielsweise gehe Real I.S. mit ihren unverändert rund 200 Mitarbeitern nur reduzierte Risiken bei den Transaktionen und in der Produktentwicklung ein. Die Leitlinie für den Real-I.S.-Chef ist also: „Wir müssen sehr auf Sicht fahren.“

Dies schlägt auch auf die Real-I.S.-Transaktionsstrategie für das laufende Jahr durch. Zwar möchte die Gesellschaft das Volumen von 1,7 Mrd. Euro auf 2 Mrd. Euro erhöhen. Doch geht das Plus ausschließlich auf das Konto der geplanten Verkäufe, die von 473 Mill. Euro auf 1 Mrd. Euro zulegen sollen. Dieser Anstieg sei auch davon getrieben, dass geschlossene Fonds mit höheren Volumina aufgelöst würden, die zum Anfang des Jahrhunderts aufgelegt worden seien, sagte Schenk.

Für neue Investitionen dagegen ist die Leitlinie: „Wir nehmen den Ankauf bewusst nach unten.“ Bei einem weiter gestiegenen Preisniveau mache Real I.S. nicht alle Dinge mit. Das Volumen wird der Planung zufolge von 1,2 Mrd. Euro im vergangenen Jahr – es landete damit unter der ursprünglichen Planung von 1,5 Mrd. Euro – auf rund 1 Mrd. Euro sinken.

Wertsteigerung setzt sich fort

Vorstandsmitglied Pamela Hoerr begründete den zurückhaltenden Ansatz auch mit der Konjunktur, die in eine Seitwärtsbewegung wechsle. Die Immobilienpreise folgten diesem Trend eher nachlaufend. Andererseits sei allerdings unverändert viel Kapital im Markt. Auf die Frage, wie sich die Preise entwickeln würden, erklärte Schenk dementsprechend: „Wir haben hier kein eindeutiges Bild.“ Damit sei aber auch unklar, ob man am Markt jene Investments finden könne, die man aus Performance-Gründen suche. Ein flexibles Vorgehen sei erforderlich.

Real I.S wird dennoch wachsen. Die Assets under Management sollten im Jahr 2022 auf 13,2 Mrd. Euro gesteigert werden, sagte Schenk. Im vergangenen Jahr hatten sie um 13% auf 12,5 Mrd. Euro zugelegt und landeten damit auf einem Niveau, das über der internen Langfristplanung lag. Von der Gesamtsumme waren 11,6 (i.V. 10,3) Mrd. Euro in Immobilien investiert, es sind drei Mill. Quadratmeter Fläche im Management. Der Großteil liegt unverändert in Büros, allerdings sank der Anteil von 63% des verwalteten Immobilienvermögens auf 54%. Dafür gewannen fast alle weiteren Kategorien: Geschäftshäuser landeten bei 11 (9)%, Logistik bei 10 (7)%, Wohnen bei 7 (5)% und Hotel bei 4 (3)%. Handel ging leicht von 13% auf 12% zurück.

Der Immobilienmarkt hat aus Sicht von Schenk den Corona-Schock überwunden. Real I.S. habe während der Pandemie im Durchschnitt des gesamten Portfolios eine Wertstei­gerung von 5% pro Jahr erlebt, erklärte er. Hoerr verwies auf den hohen Vermietungsstand, der sogar leicht gestiegen sei von 96,3 auf 96,7%: „Das ist ein bemerkenswertes Er­gebnis.“

Vertrieb über Sparkassen

Im Bürosektor hätten viele Bestandsmieter ihre Mietverträge verlängert, die Lage sei sehr robust. Im Sektor Wohnen sei Real I.S. auch mit den Erträgen sehr zufrieden. Zeichen der Entspannung sieht die Vorständin bei Hotel-Investments. Zwar seien 5-Sterne- oder Messehotels stark getroffen, aber Budget-Hotels – der Schwerpunkt von Real I.S. – oder Ferienhotels seien gut durch die Pandemie gekommen. In Wien und Stuttgart habe man im Jahr 2021 in neue Hotels investiert.

Besonders erfreut zeigte sich Schenk über die Entwicklung des offenen Fonds Realinvest Europa, der sich an Privatkunden richtet. Das Volumen habe von 398 Mill. Euro Ende 2020 auf 686 Mill. Euro im Februar 2022 gesteigert werden können. Es seien nun 70 Sparkassen in den Vertrieb eingebunden, ihre Zahl soll auf mehr als 100 Institute Ende des Jahres steigen. Der Fonds unterwirft sich einem ESG-Check. Das Unternehmen Real I.S. strebt die Klimaneutralität für das gesamte Portfolio im Jahr 2050 an.

Auch wirtschaftlich ist die BayernLB-Tochter Real I.S. weiterhin auf Erfolgskurs. Die Eigenkapitalplatzierung schnellt um 54% auf 1,0 Mrd. Euro hoch, davon 83% von institutionellen Anlegern. Dabei steuern private Anleger, die Real I.S. verstärkt adressiert, 179 Mill. Euro nach 48 Mill. Euro im Vorjahr bei. Der Gewinn vor Steuern, der um 38% auf 26,6 Mill. Euro stieg und damit den Planwert von 21 Mill. Euro deutlich übertraf, übersetzt sich in eine Eigenkapitalrendite nach Steuern von 58,6%. Ein Jahr zuvor hatte sie 42,3% betragen. Die Cost-Income-Ratio sank von 72,6 auf 67,6%. Im laufenden Jahr visiert das Management 66,4% an.

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