Der brave Banker
Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandWenige Tage nach dem Rücktritt von Unicredit-Chef Federico Ghizzoni herrscht in Mailand Verunsicherung. Die Frage, ob der Nachfolger des 60-jährigen Bankers seine Sache besser machen wird als Ghizzoni, ist in aller Munde. Ghizzoni war vorsichtig, wollte keine allzu großen Risiken eingehen und war davon überzeugt, dass der revidierte, im November präsentierte Geschäftsplan ausreichen werde, um die Kapitaldecke zu festigen. Die für 2018 versprochene harte Kernkapitalquote von 12,75 % war demnach ein realistisches Ziel. Der Markt sah es anders. Die Aktionäre, die den Plan noch im November abgesegnet hatten, und der Verwaltungsrat, der noch im März Ghizzoni “einstimmig volles Vertrauen” ausgesprochen hatte, haben ihre Meinung geändert.Das Fass zum Überlaufen gebracht hat angeblich die von Unicredit im Alleingang angepeilte Garantie für die Kapitalerhöhung der Banca Popolare di Vicenza. Wäre der Bankenrettungsfonds Atlante nicht in letzter Minute eingesprungen, wäre diese riskante Operation die bereits kapitalschwache Unicredit teuer zu stehen gekommen.Ghizzoni, 36 Jahre lang bei Unicredit, hat seine Fähigkeiten bewiesen. Mit seinem Know-how gelang es, die Bank in den zurückliegenden sechs Jahren über Wasser zu halten. Seine Schwäche liegt in der Personalpolitik.Denn der als Chef des Investment Banking eingesetzte Manager Giovanni Papa hat bei der waghalsigen Kapitalerhöhung der Volksbank von Vicenza versagt. Auch der Wechsel im Risikomanagement, dessen langjähriger bewährter Chef Alessandro Decio im Herbst nolens volens zurücktreten musste, oder der Rückzug von Roberto Nicastro, einstiger Generaldirektor, waren für Unicredit eher ein Verlust als Gewinn. Das von Ghizzonis Vorgänger eingeleitete paneuropäische Bankenprojekt ist allerdings auch wegen politischer Schwierigkeiten in Europa ins Stocken gekommen, die nicht im Einflussbereich eines Bankchefs liegen.Ghizzoni, Gentleman durch und durch, hat auch während der schwierigsten Zeit seiner Karriere Haltung bewahrt. Das wird allgemein anerkannt. So wird sich der Fußballfan am Samstag in die Höhle des Löwen begeben und anlässlich des Finales der Fußball-Champions-League in Mailand eine Pressekonferenz geben, die sich zweifellos nicht auf den Fußball beschränken wird.Ghizzoni wird während einer Übergangsperiode bis Ende Juni, wenn der neue CEO ernannt werden soll, weitermachen. Angeblich steht zur Diskussion, dass der Bankchef Nachfolger von Präsident Vita wird, aber in Mailand glaubt niemand so recht an dieses Gerücht. Vielmehr wäre Lucrezia Reichlin, Mitglied im Aufsichtsrat und renommierte Nationalökonomin, als Präsidentin für das Image der Bank ein Gewinn – auch wenn Luca di Montezemolo, Vertreter des größten Unicredit-Aktionärs Aabar, den Präsidentenposten im Visier hat.Vorerst steht die Ernennung des neuen Bankchefs im Mittelpunkt. Von den einst zehn Kandidaten werden inzwischen nur mehr vier Namen genannt: als Erstes Marco Morelli, Vizepräsident von Merrill Lynch Europe, der als einstiger Finanzchef von Monte dei Paschi di Siena und ehemaliger Direktor der Intesa Sanpaolo bestens mit Italiens Kreditwesen vertraut ist. Morelli wird in Mailänder Bankkreisen als “Arbeitstier mit weitreichender Erfahrung” anerkannt.Als möglicher Kandidat wird auch Mediobanca-Chef Alberto Nagel genannt. Zweifellos bringt Nagel die nötigen Fähigkeiten und Erfahrungen mit. Seine Ernennung würde auch den Gerüchten über eine mögliche Fusion von Mediobanca und Unicredit als größtem Aktionär der Investmentbank neue Nahrung geben. Der Mediobanca-Chef wird als gnadenloser Sanierer bezeichnet. Die Gewerkschaften stehen schon Gewehr bei Fuß und drohen mit Protesten, sollte der mit Ghizzoni vereinbarte “softe” Personalabbau geändert werden.Flavio Valerio, Chef der Deutschen Bank Italia, habe sich selbst ins Spiel gebracht, wird in Mailand gemunkelt. Und Sergio Ermotti, einstiger Chef des Investment Banking von Unicredit und derzeit CEO von UBS, hat bereits in einem Interview erklärt, er sei am Chefposten von Unicredit nicht interessiert.