Der Brexit bringt Reibungsverluste

Auslandsbankenverband: Nicht alles wird zu 100 Prozent funktionieren - Die ESMA sorgt mit Hinweis zum Aktienhandel für Aufregung

Der Brexit bringt Reibungsverluste

Die in Deutschland tätigen Auslandsbanken stellen sich auf Reibungsverluste im Zuge des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union ein. Der hiesige Finanzplatz profitiert jedoch: Die aggregierte Bilanzsumme der Mitgliedsbanken werde sich auf rund 900 Mrd. Euro gut verdoppeln, schätzt der Verband.bn Frankfurt – Die Auslandsbanken in Deutschland bereiten sich auf Reibungsverluste infolge des britischen EU-Austritts vor. “Nicht alles wird zu 100 Prozent funktionieren”, sagte Stefan Winter, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland, am Mittwoch in Frankfurt. Die Institute würden “sicherlich immer wieder” auf auch neue Themen und Fragen stoßen.Derzeit sorgt bei den Instituten ein Hinweis der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA für Aufregung. Demnach werden einige überwiegend auf der Insel umgehende Aktien, ungeachtet eines Dual Listing, im Falle eines harten Brexit in den verbliebenen 27 EU-Staaten zu handeln sein. Dies stelle für die Banken schon technisch “ein großes Problem dar”, führte Winter aus. Die Systeme seien schließlich darauf geeicht, Orders im Sinne der besten Ausführung jeweils dem liquidesten Markt zuzuleiten.Sollte die Vorgabe greifen, müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, dass künftig Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten. Übergangsweise müssten Orders dann wohl per Hand verarbeitet werden. In der Folge könnte institutionellen Kunden je nach Ordergröße nicht mehr der an sich beste Preis geboten werden, da der EU-27-Markt nicht ausreichende Liquidität in diesen Titeln biete. Nicht zuletzt bestehe das Risiko, dass die britische Aufsicht im Gegenzug festlege, dass britische Werte unabhängig von einer doppelten Börsennotiz auf der Insel zu handeln seien. Die Episode verlängert eine ganze Reihe an Detailproblemen im Zuge des Brexit für in Deutschland ansässige Häuser.Im vorvergangenen Jahr hatte bereits die Deutsche Bank Befürchtungen geäußert, sie werde im Wettbewerb mit außereuropäischen Banken vom Derivatemarkt London Clearing House (LCH) abgeschnitten, falls die Europäische Union oder die Europäische Zentralbank (EZB) auf eine Verrechnung von Euro-Derivaten im einheitlichen Währungsraum bestehen sollten. Unabhängig vom Brexit schwelt seit längerem auch ein Streit um die Akzeptanz des jeweiligen Börsenhandels zwischen der EU und der Schweiz. 5 000 Stellen mehrIm Zuge des britischen EU-Austritts werden laut Schätzung des Auslandsbankenverbands in den kommenden 12 bis 18 Monaten bis zu 5 000 Stellen in den Mitgliedsinstituten entstehen. Die aggregierte Bilanzsumme könnte sich in den nächsten Jahren demnach auf rund 900 Mrd. Euro gut verdoppeln. Schon Ende 2017 entfielen nicht weniger als 14 % der aggregierten Bilanzsumme aller hierzulande aktiven Bankengruppen von rund 7,5 Bill. Euro auf Auslandsbanken (siehe Grafik). Alle betroffenen Institute arbeiteten nach wie vor mit Hochdruck daran, die notwendigen Infrastrukturen und Systeme zu installieren, hieß es am Mittwoch.Dass die stärkere Präsenz ausländischer Banken den Wettbewerb im ohnehin hart umkämpften Firmenkundengeschäft verschärfen wird, wie bei Beratern prognostiziert worden ist, erwartet Verbandschef Winter nicht. Die Antwort auf die Frage, wo eine Bank etwa Kreditgeschäft betreibe, sei abhängig von ihrem Risikoappetit und nicht von ihrem Standort. Zudem wollten viele der Institute, die im Zuge des Brexit nach Frankfurt kommen, Kunden im gesamten EU-27-Gebiet bedienen. Große Häuser würden ihre Strategie nicht aufgrund einer stärkeren Präsenz in Deutschland wesentlich verändern. Wie Verbands-Vize Guido Zoeller, Deutschland- sowie Österreich-Chef der Société Générale, ergänzte, ist das Kreditgeschäft mit deutschen Firmenkunden zwar von geringen Risikokosten geprägt, aber auch von niedrigen Margen. Vernichtendes UrteilWas die Finanzrichtlinie Mifid II angeht, fällt das Urteil des Verbands vernichtend aus. Die Einführung sei aufwendig gewesen und habe erhebliche Ressourcen in Anspruch genommen, ohne dass eine Kompensation ersichtlich sei. Selbst im Gespräch mit Kunden, deren Schutz als Zweck über allen Mifid-Regeln schwebe, sei oft Unverständnis zu hören. Die Regulierung von Ex-ante-Kostenausweisen sei als “völlig misslungen” zu bezeichnen. Im Privatkundenbereich sei das Transaktionsvolumen infolge niedrigeren Orderaufkommens um bis zu 30 % gefallen. Dieses Ausmaß habe auch ihn überrascht, sagte Winter. Der Verband betont aber, bei der aktuellen Evaluierung der Richtlinie “keine große Revision” anzustreben, sondern nur punktuelle Korrekturen “an den wichtigsten Stellen”, wie etwa einen Gleichlauf der Kundeninformationen nach den Regelwerken Mifid, Priip sowie OGAW. “1 und 1 nicht immer 2″Mit Blick auf die Strategie des Auslandsbankenverbands machte Winter deutlich, dass sich die Organisation mit ihrer Positionierung als eine Art “Selbsthilfegruppe für die Mitglieder” in praktischen Fragen sehr wohl fühle und übergeordnete Lobby-Arbeit gerne dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) überlasse. Dass die Organisation der privaten Banken, die einen Einlagensicherungsfonds bietet und bereits zahlreiche Auslandsbanken in ihren Reihen hat, sich stärker um diese Institute bemüht, stört Winter nach eigenem Bekunden nicht. Er begrüße es, wenn sich der Bankenverband mehr für die Auslandsbanken engagiere. Sie zahlten ja auch nennenswerte Mitgliedsbeiträge, wie er ausführte.Zum Plan einer Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank wollte sich Winter, Investment-Banking-Chef von UBS Europe, nicht dezidiert äußern. Auf etwaige Abwanderungen von Kunden angesprochen, sagte er jedoch, dass er vor Jahren beim Zusammenschluss des Schweizerischen Bankvereins mit der Schweizerischen Bankgesellschaft zur UBS erlebt habe, “dass 1 und 1 nicht immer 2 ergeben”.—– Personen Seite 16