"Der erste Schritt in Richtung europäischer Zahlungsverkehr"

Die Geschichte von EquensWorldline ist Spiegelbild des Umbruchs der Branche - Synergien und Skaleneffekte zählen

"Der erste Schritt in Richtung europäischer Zahlungsverkehr"

Von Karin Böhmert, FrankfurtEquensWorldline weist eine bewegte Geschichte auf, die Spiegelbild des enormen Umbruchs im Zahlungsverkehr ist. Formal besteht EquensWorldline, die sich als führender Zahlungsdienstleister in Europa bezeichnet, zwar erst seit 1.10.2016.Vorausgegangen sind jedoch zahlreiche Neuausrichtungen des Unternehmens, das auf dem einstigen Zahlungsverkehrsbereich der DZ Bank gründet. Das genossenschaftliche Spitzeninstitut hatte zum 1.9.2003 den Bereich Zahlungssysteme ausgegründet und in die neu gebildete Tochter Transaktionsinstitut für Zahlungsverkehrsdienstleistungen AG (TAI) eingebracht, wie Michael Steinbach, seinerzeit Geschäftsführer des TAI und heutiger CEO von EquensWorldline, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert. Eine ähnliche Strategie verfolgte die DZ Bank mit der Wertpapierabwicklung, die ebenfalls ausgegründet und in die heutige DWP Bank eingebracht wurde, bei der sowohl die DZ Bank als auch die Sparkassenverbände und Landesbanken als Eigner auftreten. Stückkosten sollen sinkenHintergrund beider Ausgründungen ist die Überzeugung, dass die Abwicklung sowohl von Wertpapieren als auch von Zahlungen zum Commodity wird, es also um Skaleneffekte und sinkende Stückkosten geht. Im Jahr 2003 stand schließlich Sepa, der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum, am Horizont, der zu weitreichenden Veränderungen führen sollte. Darauf wollte man sich vorbereiten. Doch das Ziel, außerhalb des genossenschaftlichen Verbundes Volumen im Zahlungsverkehr zu generieren und zu bündeln, um Skaleneffekte zu generieren, erwies sich in Deutschland als schwierig. Das TAI ging daraufhin 2005 eine Kooperation mit dem Zahlungsverkehrs-Serviceprovider Finforce der belgischen KBC Bank ein. Diese übernahm 5 % am TAI, während sich die DZ Bank mit 10 % an Finforce beteiligte. “Das war der erste Schritt in Richtung europäischer Zahlungsverkehr”, betont Steinbach. Sepa rückte immer näher und damit ein neues technisches Format, auf das man sich vorbereiten musste. Deshalb wurde im November 2006 Equens gegründet, und zwar aus dem Merger des TAI mit der holländischen Interpay. “Das war die Geburtsstunde von Equens”, sagt Steinbach. Klares SignalEquens mit Sitz im niederländischen Utrecht wurde im Sommer 2008 in eine SE umgewandelt. Das sorgte für eine steuerliche Vereinfachung, sollte aber vor allem auch ein klares Signal als europäischer Zahlungsdienstleister nach außen geben. Equens ist laut Steinbach der erste und damals einzige paneuropäische Full-Service-Dienstleister für die Abwicklung von Zahlungsverkehr und Kartenzahlungen und brachte es mit der Verarbeitung von jährlich 7 Milliarden Transaktionen sowie 2 Milliarden POS- und Geldautomatenzahlungen in der Eurozone auf einen Marktanteil von mehr als 10 %.Seit dem Merger mit Interpay habe das Geschäftsmodell so gut getragen, wie Steinbach betont, dass weitere Zusammenschlüsse auf europäischer Ebene folgten. Noch im Jahr 2008 erfolgte der Zusammenschluss mit Seceti, einer 100-prozentigen Tochter des italienischen genossenschaftlichen Zahlungsdienstleisters ICBPI, der dafür 20 % an Equens erhielt.Seceti ist spezialisiert auf das Outsourcing von Dienstleistungen für Zahlungssysteme. Dabei fungiert Seceti als Dienstleister für deren Betrieb sowie für die Verarbeitung von Geldautomaten- und Kartenzahlungen. Durch die Fusion mit Seceti baute Equens ihren Marktanteil in Europa auf 12 % aus. Präsenz ausgebaut”Das Jahr 2008 mit der Gründung von Equens und der Fusion mit Seceti hat gezeigt, dass durch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit Synergien zu schaffen sind”, unterstreicht Steinbach. Die Präsenz in anderen europäischen Ländern wie Finnland, Belgien und auch weiter in Italien wurde daraufhin sukzessive ausgebaut, indem Kunden – also Banken oder Händler – ihre Zahlungsabwicklung auf Equens übertragen haben.”2010/2011 ergab sich schließlich die Möglichkeit, einen weißen Fleck von Equens im Kartengeschäft in Deutschland zu erschließen, denn organisches Wachstum war hier schwierig zu realisieren”, so Steinbach. Die damals fusionierenden Institute Commerzbank und Dresdner Bank hatten bereits das Joint Venture Montrada, einen der größten deutschen Acquirer und Netzbetreiber. Doch der Karten-Zahlungsabwickler Montrada stellte für die Commerzbank eher einen Randbereich dar, von dem man sich trennen wollte, der für den Käufer Equens aber einen wichtigen Schritt bei der Ausweitung der Kartenaktivitäten bedeutete. Regulierung verstärkt DruckImmerhin hält Equens zu diesem Zeitpunkt mit Niederlassungen in vier Ländern (den Niederlanden, Deutschland, Italien und Finnland) und einem jährlichen Verarbeitungsvolumen von 9,4 Milliarden Zahlungen sowie 3,4 Milliarden Karten-/ POS- und Geldautomatenzahlungen in Europa einen Marktanteil von 12,5 %. Equens integrierte Montrada in ihre niederländische Tochter Pay-square, die als Acquirer die über Equens laufenden Händlertransaktionen abwickelt. Doch gerade im Zahlungsverkehr verstärkte die zunehmende Regulierung insbesondere durch die europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD (Payments Services Directive), aber auch die Digitalisierung den Druck auf die Marktteilnehmer – also sowohl Banken als auch Zahlungsabwickler – erheblich.Im Oktober 2014 starteten Equens und Worldline deshalb erste Gespräche über einen möglichen (Teil-)Zusammenschluss. Beide Unternehmen hatten schon länger eine enge Beziehung über den belgischen Zahlungsabwickler Banksys, den Worldline 2006 von den belgischen Banken übernommen hatte und damit zum europäischen Marktführer für Zahlungsdienstleistungen in Vorwegnahme von Sepa avancierte. Equens arbeitete zusammen mit Worldline, da die technische Abwicklung von Zahlungen in den Niederlanden und Belgien sehr ähnlich verlief.Worldline selbst ist im Juli 2013 aus der Abspaltung des Zahlungsverkehrs- und Transaktionsgeschäfts der französischen Atos-Gruppe entstanden. Atos, einer der weltweit größten IT-Servicedienstleister mit mehr als 100 000 Mitarbeitern in 8 0 Ländern, hält weiterhin 70 % an Worldline. Die restlichen 30 % sind seit 2014 in Paris an der Euronext börsennotiert. Nötige Masse fehlteWorldline ist fokussiert auf Projektgeschäfte, den Vertrieb von Lizenzen sowie die Entwicklung von Software und Produkten für die Abwicklung von Kartenzahlungen. Dem Bereich Zahlungsverkehrsabwicklung fehlte allerdings die nötige Masse und damit ein potenter Partner, den man schließlich in Equens fand. Equens, unter der niederländischen Aufsicht und der anderer Notenbanken, ist stark vertreten in der Abwicklung des klassischen Zahlungsverkehrs, also von Überweisungen, Lastschriften sowie dem Interbankenzahlungsverkehr durch Verbindungen zu Settlement-Systemen wie Target2 oder EBA Clearing der European Banking Association.Im November 2015 gaben Worldline und Equens eine strategische Transaktion bekannt, die am 30. September 2016 abgeschlossen wurde. Im Zuge dieser Transaktion tauschten beide Unternehmen bestimmte Assets. Equens trennte sich von dem Acquiring-Dienstleister Paysquare, der in den globalen Geschäftsbereich Merchant Services & Terminals von Worldline integriert wurde. Das gesamte Zahlungsverkehrsgeschäft wurde in der neuen Einheit EquensWorldline verschmolzen, in der Equens aufging.An der neuen Einheit hält Worldline einen Anteil von 63,6 %, und die fünf ehemaligen Equens-Anteilseigner verfügen nun zusammen über 36,4 %. Die DZ Bank war davor mit 31,1 % an Equens beteiligt, die niederländischen Banken ING Bank, Rabobank und ABN Amro hielten 49 % an Equens und die italienische ICBPI 20 %. Europäischer MarktführerMit einem jährlichen Processing von 100 Millionen Zahlungskarten, 10 Milliarden Transaktionen sowie 7,5 Milliarden Bankautomaten- und Point-of-Sale-(POS)-Transaktionen positioniert sich EquensWorldline als der führende Dienstleister für Verarbeitung und Clearing von Zahlungen in Europa. In acht europäischen Ländern werden Büros unterhalten. Die heute insgesamt 3 200 Mitarbeiter sind für den Zahlungsverkehr in 20 europäischen Ländern sowie die Kooperation mit der US-Notenbank Fed für Dollar-Zahlungen zuständig.