Der Gender Pay Gap beginnt beim Taschengeld
Der Gender Pay Gap beginnt beim Taschengeld
Frauen in Führungspositionen diskutieren über Hürden beim beruflichen Aufstieg in der Finanzbranche
fed Frankfurt
Frauen treffen nach wie vor auf Hindernisse, wenn sie den beruflichen Aufstieg in der Finanzbranche oder in Kanzleien anstreben – auch wenn sich im Bewusstsein in den vergangenen Jahren einiges verändert habe. Darüber waren sich fünf weibliche Führungskräfte einig, die am Montagabend beim Workshop „Women in Law and Finance“ des Forschungsinstituts SAFE, der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt und des Center for Advanced Studies on the Foundations of Law and Finance vor Studentinnen über Wege zur Überwindung dieser Hindernisse diskutiert haben.
In Bewerbungsgesprächen gebe es oft eine unbewusste Voreingenommenheit, berichtete Daniela Favoccia, Partnerin bei der Kanzlei Hengeler Mueller, über ihre Erfahrungen. Dieser „unconscious bias“ sei auf beiden Seiten anzutreffen. So würden sich Bewerberinnen oft schüchtern verhalten.
Zurückhaltung bei Bewerbungen
Es mangele vielen Frauen allem Anschein nach an Zutrauen, ergänzte Chiara Zilioli, General Counsel bei der Europäischen Zentralbank. Ihrer Erfahrung nach würden, wenn eine Stelle ausgeschrieben sei und es zehn Bewerbungskriterien gebe, Männer bereits antreten, wenn sie fünf davon erfüllten, während sich Frauen oftmals erst trauten, wenn sie mindestens neun von zehn Anforderungen entsprechen würden. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass die Zahl der Bewerbungen von Frauen auf Spitzenposten noch immer gering sei.
Hilfreich sei, sich mit anderen Frauen, etwa Anwältinnen und Partnerinnen anderer Kanzleien, in Netzwerken auszutauschen, ergänzte Hengeler-Partnerin Favoccia. Denn wenn man Vertrauen untereinander aufbaue, könne man auf diesen Austausch immer dann zurückgreifen, wenn sich akute Fragen rund um Diversität und Gleichberechtigung ergäben.
Melanie Kehr, Vorständin der KfW-Bankengruppe, unterstrich ihre Überzeugung, dass sich Diversität nicht einfach von selbst in einer Organisation ergebe. Vielmehr liege es in der Verantwortung des Leadership, eine Organisation divers zu gestalten. Im Vorstand der KfW sind Männer und Frauen mittlerweile in gleicher Zahl vertreten, jeweils drei männliche und weibliche Vorstandsmitglieder.
Finanzbranche maskulin dominiert
Dass dies längst nicht überall so ist, deutete Rechtsanwältin Fatima Hussain an. Hussain hat bereits viele berufliche Stationen hinter sich, in großen Kanzleien wie Freshfields oder Clifford über die Autoindustrie (Tesla) bis hin zur Finanzwirtschaft. Dabei sei die Finanzbranche gefühlt stärker maskulin dominiert als die Autoindustrie, scherzt sie. Hussain ermuntert junge Frauen, die in leitenden Positionen in Kanzleien oder Banken tätig seien, die Tatsache, dass sie dort häufig zunächst auf keine andere oder nur wenige andere Frauen treffen, nicht als Hindernis zu sehen, sondern als Anschub. Dass man die Einzige sei, bedeute Sichtbarkeit. Kollegen würden sich schließlich daran erinnern, was man in einer Sitzung sage – das bedeute einen Vorteil.
Ermutigung für junge Frauen
Hussain sieht sich in einer Vorbildrolle, und zwar nicht in dem Sinne, dass sie perfekt sei, sondern dass sie Frauen ermutige, in Kanzleien und Firmen beruflich aufzusteigen. Dass schon früh im Leben Weichen gestellt werden, die später in die Benachteiligung von Frauen beim beruflichen Aufstieg und besonders bei der Vergütung münden, erläuterte Patrizia Laeri, CEO von ElleXX. Sie verwies auf eine Studie, die zeige, dass Eltern in der Schweiz mit der Zahlung von Taschengeld an Mädchen spürbar später starteten als bei Jungen. Der Gender Pay Gap beginne beim Taschengeld, sagte Laeri, und setze sich bis zur Pension fort. Zudem seien Mädchen auch beim Thema Finanzbildung benachteiligt.