SERIE: NACHHALTIGKEIT IM FINANZSEKTOR (TEIL 21) - DER FINANZSEKTOR WIRD GRÜNER

Der globale Mikrofinanzsektor hat Zukunft

Börsen-Zeitung, 14.2.2018 Wenn wir über Mikrofinanzen reden, dann verstehen wir darunter die Bereitstellung von Bankdienstleistungen für Privatpersonen, Haushalte und kleine Unternehmen am unteren Ende der Welteinkommenspyramide. Damit stehen...

Der globale Mikrofinanzsektor hat Zukunft

Wenn wir über Mikrofinanzen reden, dann verstehen wir darunter die Bereitstellung von Bankdienstleistungen für Privatpersonen, Haushalte und kleine Unternehmen am unteren Ende der Welteinkommenspyramide. Damit stehen Mikrofinanz-Dienstleistungen in einem größeren globalen Zusammenhang, denn sie tragen zu den weltweiten Bemühungen bei, über die Teilhabe an Finanzdienstleistungen wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen und damit letztlich die Einkommensungleichheit zu mindern. Der Zugang zu Finanzdienstleistungen könnte ein enormes wirtschaftliches Potenzial erschließen. Derzeit verfügen nach Berechnungen der Weltbank etwa zwei Milliarden Menschen im erwerbsfähigen Alter über keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. Damit sind knapp die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung von Finanzdienstleistungen ausgeschlossen. Demgegenüber könnte ein breiterer Zugang zu Finanzdienstleistungen, insbesondere durch digitale Technologien, nach Schätzungen des McKinsey Global Institute von 2016 das BIP aller Schwellenländer bis 2025 um 6 % erhöhen und in einigen Ländern möglicherweise darüber hinaus steigern. Dies würde ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 3,7 Bill. Dollar bedeuten, was in etwa der Wirtschaftsleistung Deutschlands entspricht. Schon jetzt hat die Mikrofinanzindustrie nach Daten der Konsultativgruppe zur Unterstützung der Ärmsten (CGAP) von 2015 eine Größe von rund 70 Mrd. Dollar und mehr als 200 Millionen Kreditnehmern.Die Bedeutung von Mikrokrediten wird in den nächsten Jahren voraussichtlich weiter zunehmen. Institutionelle Investoren erwarten nach Zahlen des Global Impact Investing Network (GIIN) und anderer Branchenumfragen, dass 5 % ihres Gesamtportfolios in den nächsten 10 Jahren aus nachhaltigen bzw. Impact-Investments bestehen werden. Einen wichtigen Teil davon dürften Mikrofinanzierungen ausmachen. Allerdings ist anzunehmen, dass Investoren genau auf die Makro- und Währungsrisiken im Zusammenhang mit ihren Mikrofinanzinvestments achten, die üblicherweise in Schwellen- oder Grenzmärkten (frontier markets) angesiedelt sind. Risiko-Rendite-ProfilZur Bewertung des Risiko-Rendite-Profils des Mikrofinanzsektors verwenden wir den 2003 eingeführten Symbiotics Microfinance Index (SMX). Unseren Analysen zufolge hat der SMX stabile Renditen mit niedriger Volatilität erzielt. Die Renditeentwicklung während der globalen Finanzkrise zeigt, dass der Mikrofinanzsektor vom Wirtschaftsabschwung und den Schwankungen der globalen Finanzmärkte weniger stark betroffen war als die traditionellen Märkte für Anleihen und Aktien. Darüber hinaus wies der SMX im Zeitraum von 2007 bis 2017 vernachlässigbare oder negative Korrelationen zu Benchmark-Renten-, Aktien- und Rohstoffindizes auf (siehe Tabelle). Deutlich professionalisiertIn den vergangenen Jahren hat sich die Mikrofinanzindustrie erheblich weiterentwickelt und diversifiziert. Beim klassischen Mikrokredit handelt es sich um unbesicherte Kredite, die typischerweise an Frauen in ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern vergeben wurden, um Armut zu verringern. Mittlerweile hat sich der Markt deutlich professionalisiert und unterliegt auch einer umfangreichen Regulierung und Kontrolle. Heute besteht die Struktur des Mikrofinanzmarkts vornehmlich aus Mikrofinanz-Anlageinstrumenten (MIV), die in Mikrofinanzinstitute (MFIs) als Intermediäre investieren, die typischerweise die Form einer Geschäftsbank, einer Nichtbank, einer Nichtregierungsorganisation (NGO) oder einer Genossenschaft haben. Mehr als zwei Drittel der Entwicklungs- und Schwellenländer verfügen über Mikrofinanzaufsichtsbehörden, zusätzlich gibt es einige speziell auf MFIs ausgerichtete Kreditauskünfte. Im Zuge der sogenannten Smart Campaign wurden darüber hinaus Vereinbarungen zum Kundenschutz getroffen. Die von steigender Effizienz und Transparenz geprägten verbesserten regulatorischen Rahmenbedingungen könnten auch die Zunahme der institutionellen Investoren erklären, die die Mehrheit der MIV-Investoren stellen und auch das am schnellsten wachsende Segment unter den verschiedenen Investmentgruppen bilden. Trotzdem ist die relativ geringe Größe des Mikrofinanzsektors noch ein Hindernis für eine breitere Portfolioallokation. Wir erwarten aber, dass diese Beschränkungen im Zuge einer größeren Marktreife des Mikrofinanzsektors nachlassen werden. Entwicklungsziele fördernWir gehen davon aus, dass der Mikrofinanzsektor in den nächsten Jahren mehr Aufmerksamkeit von globalen Investoren auf sich ziehen wird. Der Sektor hat nicht nur seine starken Diversifizierungseigenschaften im Vergleich zu traditionellen Anlageklassen unter Beweis gestellt, sondern die Anlageklasse fördert auch zahlreiche der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen, insbesondere die Bekämpfung von Armut und Hunger, gute Gesundheit und Wohlbefinden, hochwertige Bildung und Gleichberechtigung der Geschlechter. Da wir beobachten, dass mehr und mehr Investoren ihre Anlageaktivitäten im Zusammenhang mit den SDGs zusammenlegen, sehen wir den Mikrofinanzsektor als natürlichen Nutznießer dieser Entwicklung.—-Michael Lewis, Head of ESG Thematic Research, Deutsche Asset Management—-Zuletzt erschienen:- China mausert sich zum grünen Riesen (13. Februar)