BÜCHER

Der holprige Weg der Commerzbank

Hundertfünfzig Jahre Commerzbank 1870 bis 2020. Stephan Paul, Friederike Sattler, Dieter Ziegler. Siedler Verlag, München 2020, ISBN 978-3-8275-0134-9, 604 Seiten plus Anhang, 32,00 Euro. Börsen-Zeitung, 8.9.2020 Gerade im Jubiläumsjahr von...

Der holprige Weg der Commerzbank

Hundertfünfzig Jahre Commerzbank 1870 bis 2020. Stephan Paul, Friederike Sattler, Dieter Ziegler. Siedler Verlag, München 2020, ISBN 978-3-8275-0134-9, 604 Seiten plus Anhang, 32,00 Euro. Gerade im Jubiläumsjahr von Deutscher Bank und Commerzbank drängt sich die Frage auf, warum es ausgerechnet diese beiden Universalbanken geschafft haben, 150 Jahre zu überstehen. Immerhin gingen zwischen 1848 und 1871 jede Menge privater Kreditinstitute an den Start, deren Namen jedoch heute allenfalls noch Historikern ein Begriff sind.Die von der Eugen-Gutmann-Gesellschaft herausgegebene Gesamtdarstellung bemüht sich – mit Blick auf die Commerzbank – um Antworten auf diese Frage. Und das gelingt den Autoren, um es vorwegzunehmen, sehr gut: Ihre Darstellung ist nicht nur faktenreich und mit einem Auge für wichtige Details, sondern auch einfach erzählt und ausgezeichnet sortiert – kurzum gut lesbar. Bereits im Vorwort machen die Verfasser – Professoren und Lehrbeauftragte der Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften aus Bochum und Frankfurt – klar: “Ihre lange Lebensdauer verdankt die Commerzbank nicht nur dem Engagement ihrer Beschäftigten und dem Geschick ihrer jeweiligen Unternehmensführungen.” Vielmehr haben dazu günstige Gelegenheiten beigetragen – und auch Glück. Und nicht zuletzt der Steuerzahler, wurde die Bank ja zweimal durch Staatshilfe vor der Pleite gerettet.Als roter Faden dient den Wirtschaftshistorikern die Konzentration auf das sich ständig wandelnde Geschäftsmodell. Zudem haben die Verfasser ein besonderes Augenmerk auf die Corporate Governance – wer (und mit welchem Führungsstil) hat von wo aus die Bank maßgeblich gesteuert. Wobei die Antworten auf die beiden Fragen, wie könnte es anders sein, eng an den jeweiligen Rahmenbedingungen gespiegelt werden. Das gilt im Besonderen für die Zeit zwischen 1931 und 1945, nachdem die Bankenkrise staatliche Stützungsaktionen nötig gemacht hatten. Die einhergehende “Teilverstaatlichung der Großbanken war für die Nationalsozialisten ein Geschenk des Himmels”, heißt es mit Blick auf den damit verbundenen Druck, sich den politischen Verhältnissen der Nazi-Diktatur anzupassen – wobei betont wird, dass es falsch wäre, diese Anpassung nur als verordneten Prozess zu interpretieren. Denn “auch in der Commerzbank gab es Überzeugungstäter (. . .), vor allem aber gab es Opportunisten”.Jenseits der fachkundigen Präsentation der Geschichte der Bank ist die 150-Jahre-Schau auch für alle lehrreich, die überhaupt kein Interesse am Rückblick haben, sondern heutige Herausforderungen diskutieren wollen. Denn das Buch hilft bei der Einordnung aktueller Probleme, indem es zeigt, wie holprig der Weg der Commerzbank immer schon gewesen ist – und wie oft sich die Bank am Abgrund oder zumindest in schwierigem Fahrwasser bewegt hat, etwa im Jahr 2002, als sich die BaFin vor die Commerzbank stellen musste, um Gerüchte über Liquiditätsprobleme zurückzuweisen.Vor dem Hintergrund, dass die Bank oft genug um ihre Eigenständigkeit und ihren erfolgreichen Fortbestand bangen musste, klingen die letzten Zeilen des Buchs plausibel: Niemand sollte sich darauf verlassen, dass allein die lange Tradition des Hauses einen Übernahmeschutz bietet. Daher müsse die Commerzbank “sehr bald” den Nachweis führen, nachhaltig zukunftsfähig zu sein. fed