IM GESPRÄCH: THORSTEN SEEGER, OCTOBER

"Der kleine Mittelstand fällt häufig durchs Raster"

Deutschland-Chef der französischen Kreditplattform bemängelt, dass Fintechs nicht in Coronahilfen der KfW eingebunden sind

"Der kleine Mittelstand fällt häufig durchs Raster"

Von Björn Godenrath, FrankfurtAsterix-Freunde wissen Bescheid: Das vor gut zwei Jahren in “October” umgetaufte französische Fintech war 2014 unter der Marke “Lendix” gegründet worden. Aber diese unbeugsamen Gallier wollen sich nicht in ihrem Dorf verschanzen, sie gründeten ihre Kreditplattform vom Start weg mit paneuropäischen Ambitionen – und sind heute auch ohne Zaubertrank schon in fünf europäischen Kernländern präsent.Ende 2019 wurde in Deutschland gestartet mit dem Fokus auf KMU, die Kredite im Volumen von 30 000 Euro bis 5 Mill. Euro nachfragen. Für den Aufbau des deutschen Geschäfts hatte man den bei Funding Circle ausgeschiedenen Thorsten Seeger angeheuert. Der sieht October anders positioniert als sonstige Alternative Finance Lender, da man stärker erwachsene Unternehmen anspreche. Eine weitere Besonderheit sei, dass Kredite über eine Eltif-Fonds-Konstruktion ausgereicht werden, womit October “keine KWG-Lizenz oder eine deutsche Fronting-Bank benötigt”, so Seeger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Dabei habe der deutsche Markt immer noch eine Kreditlücke, denn im Bereich KMU sei eben nicht jedes Segment overbanked. “Der kleine Mittelstand fällt häufig durchs Raster, da sich für Banken nur größere Tickets lohnen – und KMUs über die Jahre immer zwischen Retail und Corporate Banking hin- und hergeschoben wurden.”Dabei geriet October bei ihrem Deutschland-Start direkt in die Mühlen der Corona-Komplikationen. “2020 war ein schwieriges Jahr, um in einem neuen Land zu starten, denn wir hatten wie alle Fintechs keinen Zugriff auf die KfW-Schnellkredithilfen. Die Monate November und Dezember liefen dann prima, so dass wir das vierte Quartal nach Plan abschließen konnten – und die Pipeline für 2021 sieht positiv aus.” Denn im Gegensatz zum KfW-Kreditausblick stellt Seeger eine erhöhte Nachfrage von KMUs nach Investitionskrediten fest. Außerdem würden jetzt schon Anschlussfinanzierungen von Unternehmen nachgefragt, die von der beschleunigten Digitalisierung profitieren.Reichlich desillusioniert blickt Seeger auf die seit März laufenden Gespräche der deutschen Fintechs mit der KfW über einen Fintech-Sonderfonds, der eine Ausreichung der Schnellkredite über die Digital-Plattformen ermöglichen sollte. Bei der KfW habe man wohl die Notwendigkeit für eine Zusammenarbeit erkannt, aber es bewege sich trotzdem nichts, man halte am starren Prinzip der ausschließlichen Ausreichung über die Hausbank fest. Welches Potenzial für Kredithilfen da verschenkt wird, illustriert Seeger, indem er die Vergleichsrechnung mit Frankreich aufmacht: Während in Deutschland 85 000 Schnellkredite vergeben wurden, waren es in Frankreich 450 000 – aber nur die doppelte Kreditsumme, was zeige, dass in Deutschland die kleinen Ticketgrößen weniger gut adressiert wurden.Da im Rahmen des Open Banking auch weitere Produkte neben dem klassischen Kredit über eine Plattform ausgespielt werden könnten, läge eine solche Erweiterung des Spielfeldes nahe – aber da winkt Seeger ab. Das gehe zwar über Factoring, Corporate Credit Cards, Asset Financing, Mini-Bonds oder Kontokorrentlinien. “Aber wir haben uns entschieden, ein Anbieter zu sein, der mit dem Ratenkredit nur ein Produkt anbietet. Dieser Markt ist allein in Deutschland 100 Mrd. Euro groß, in allen Zielmärkten von October kumuliert mehr als 300 Mrd. Euro.”Seeger ist darüber hinaus optimistisch, dass die Zusammenarbeit mit den Banken besser werden wird, denn zum einen nehme man den Instituten keine Kundenbeziehung weg. Zum anderen könne man den Banken die selbst entwickelte Technologie “October Connect” in acht Modulen als White-Label-Lösung in Lizenz anbieten. Zyklus bald durchlaufenZudem sei man als Kreditplattform nun langsam an dem Punkt angekommen, da Portfolien angesichts der pandemiebedingten Marktstörungen einen kompletten Kreditzyklus durchlaufen haben – das hatten Investoren immer als Qualitätsbeweis von den Kreditplattformen gefordert. “Ich denke, wir sind in sechs bis neun Monaten so weit, dass wir den Beweis liefern, wie gut wir uns geschlagen haben.” Insbesondere für Versicherer sei die über Kreditplattformen zu erzielende Rendite von 3 bis 5 % attraktiv, wenn man bedenke, dass am Bondmarkt kaum noch was zu holen sei. Aber die Kapitalseite – October erhielt im September 250 Mill. Euro von Banken und Versicherern für Ausreichungen – sei nicht das Problem im Plattform-Modell, denn nach wie vor müssten vor allem die Mittelständler davon überzeugt werden, sich über Fintechs zu refinanzieren. Außerdem würden die Banken realisieren, dass sie mit Hilfe von Technologie viel ökonomischer Stückzahlen machen können. Plus: Man könne nun über PSD2-Schnittstellen auch mit Zustimmung des Kunden Kontoauszüge digital auslesen, was Kreditzusagen beschleunigen kann.In der Gesamtbetrachtung sieht es wohl so aus, dass die Kreditplattformen sich im Übergang zur Phase 2.0 befinden. Dabei gehört October zu den wenigen Fintechs, die den paneuropäischen Ansatz verfolgen. Auxmoney und Creditshelf sind reine deutsche Player geblieben, Funding Circle hat sich zum rein britischen Anbieter zurückentwickelt.