Der Klimawandel fordert gemeinsames Engagement

Erderwärmung wurde zu einem der beherrschenden Themen - Nun gilt es, Investmentlösungen für die Finanzierung der Energiewende zu finden

Der Klimawandel fordert gemeinsames Engagement

Der Klimawandel ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein Beleg dafür ist beispielsweise das gute Abschneiden der Grünen bei den letzten Wahlen. Aber auch die anderen Parteien schreiben sich mittlerweile den Umweltschutz auf die Fahnen beziehungsweise in ihre Programme. Vor allem junge Menschen, die noch 40, 50, 60 Jahre oder länger auf diesem Planeten leben wollen, machen sich Sorgen und zeigen immer mehr Interesse an Nachhaltigkeitsthemen. Beispiele dafür sind die Fridays-for-Future-Demonstrationen, die Extinction-Rebellion-Bewegung oder die Shell-Jugendstudie 2019, nach der drei von vier Jugendlichen die Umweltverschmutzung als das Problem Nummer eins benennen.Kein Wunder: Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht extreme Hitze-, Kälte-, Regen- oder Dürrerekorde zu verzeichnen sind. Laut NASA fielen 16 der 17 wärmsten Jahre, die seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts registriert wurden, in den Zeitraum seit dem Jahr 2001. Der Klimawandel ist im Alltag angekommen – nicht nur bei der Generation Greta.Nicht erst seit dem Klimapaket der Bundesregierung zeigt sich, dass immense Anstrengungen notwendig sind, um die Erderwärmung zu begrenzen. Die entsprechenden Investitionen sind ohne die Einbeziehung der Finanzwirtschaft nicht zu stemmen. Die Bereitschaft der Anleger ist vorhanden. Allein in Deutschland ist im vergangenen Jahr laut Forum Nachhaltige Geldanlagen das Volumen von nachhaltigen Fonds und Mandaten um 45 % auf 133,5 Mrd. Euro gestiegen. Einen so großen Zuwachs gab es noch nie. Zudem ist das ein beeindruckendes Beispiel für den Wandel in den Köpfen der Anleger.Welches wirtschaftliche Potenzial im Thema Innovationen zum Klimaschutz steckt, zeigt das Beispiel des amerikanischen Lebensmittelpioniers Beyond Meat. Das Unternehmen hat pflanzliche Hamburger-Patties entwickelt, die primär aus Erbsen bestehen. Zur Herstellung dieser veganen Frikadellen sind dramatisch weniger Land und Wasser notwendig als bei Rindfleisch-Patties. Gleichzeitig wird bei der Produktion nur ein Bruchteil an CO2 ausgestoßen. Beyond Meat kann die Nachfrage kaum befriedigen. In den USA beliefert das Unternehmen Fastfoodketten, und seit Sommer dieses Jahres ist es im deutschen Einzelhandel zu finden. Die enorme Nachfrage auf beiden Seiten des Atlantiks veranlasst Beyond Meat bereits, einen Produktionsstandort in Europa zu suchen.Beyond Meat ist nur eines von zahlreichen Beispielen: Durch Maßnahmen und Technologien gegen den Klimawandel entstehen ganz neue Geschäftsmodelle und damit Anlagechancen. Nach Schätzungen von New Climate Economy sind in den nächsten 15 Jahren global umgerechnet mehr als 80 Bill. Euro an Investitionen nötig, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen und die Energiewende zu finanzieren. Es werden Billionen von Euro für den Ausbau erneuerbarer Energien, intelligenter Netze, grüner Gebäude, nachhaltiger Verkehrslösungen und anderer grüner Sektoren gebraucht.Die Chemiebranche arbeitet beispielsweise daran, Kunststoffe künftig nicht mehr einzuschmelzen, sondern in ihre molekularen Grundbausteine zu zerlegen. Gelingt dies, kann der Recyclingprozess deutlich höherwertige Produkte generieren. Bei diesen neuen Geschäftsmodellen stehen in der Regel Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses und gegen den Klimawandel im Mittelpunkt. Echte InvestmentrisikenBei alledem geht es aber nicht nur darum, dass Investoren und Unternehmen die ethische oder gegebenenfalls gesetzliche Verpflichtung haben, sich am Kampf gegen den Klimawandel zu beteiligen und dabei auch Erträge erwirtschaften können. Nein, der Klimawandel ist auch ein handfestes Investmentrisiko, denn er gefährdet massiv Vermögenswerte und Geschäftsmodelle.Im Wesentlichen lassen sich die verschiedenen Risiken in die folgenden drei Gruppen einteilen: 1. Haftungsrisiken: Opfer von Umweltschäden und des Klimawandels können umweltverschmutzende Unternehmen verklagen. Dadurch sind Reputation und Finanzen gefährdet. Verschiedene Konzerne mussten in den vergangenen Jahren bereits milliardenschwere Strafen und Schadensersatz zahlen. 2. Physische Risiken: Schäden, die Unternehmen oder Gesellschaften durch Fluten, Stürme und andere Umweltschäden entstehen. 3. Transitionsrisiken: Diese drohen, wenn heute noch als wertvoll geltende Rohstoffe wie etwa Öl oder Kohle durch technologische oder regulatorische Änderungen stark an Wert verlieren. Auch notwendige Investitionskosten, etwa für die Sanierung von Gebäuden und Anlagen oder für die Umstellung auf neue Technologien fallen in diese Kategorie.Die Investoren haben somit ein ureigenes Interesse, solche Risiken möglichst zu vermeiden. Die Aufgabe von Assetmanagern ist es nun, passende Investmentprodukte und Lösungen zu entwickeln. Hierfür müssen sie zunächst die Risiken angemessen erfassen, wofür sie geeignete Modelle und zuverlässige Daten brauchen. Bislang mangelt es mitunter noch an der CO2-Transparenz von Unternehmen und an Standards zur Risikomessung und -bewertung. Neue Lösungen erforderlichBis vor kurzem waren die Möglichkeiten, in Maßnahmen gegen den Klimawandel beziehungsweise in die Dekarbonisierung zu investieren, vergleichsweise limitiert. Doch mittlerweile gibt es auf der Aktienseite verschiedene Themenfonds, die sich mit dem Klimawandel oder anderen Umweltthemen befassen. Manche Fonds investieren in Unternehmen, die definierte Standards für den Klimaschutz einhalten, Maßnahmen zum Management von Klimaschutzrisiken ergreifen oder sogar Umweltstandards setzen. Andere wiederum setzen auf Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit mit dem Klimaschutz ausschließlich oder zu einem hohen Anteil mit Klima- und Umweltschutz zu tun hat.Außerdem gibt es auf der Aktienseite verschiedene Low-Carbon-Aktien-Indizes und entsprechende passive Anlagestrategien. So besteht beispielsweise der MSCI Global Low Carbon Leaders Index aus Unternehmen, deren CO2-Exposure deutlich unter dem breiten Marktdurchschnitt liegt. Mit Investitionen, die auf dem internationalen Aktienindex basieren, können Anleger den Kohlenstoff-Fußabdruck des Portfolios somit gegenüber dem Basisindex MSCI deutlich reduzieren. Megathema Green BondsViele aktienbasierte Investmentstrategien versuchen also, CO2-Risiken in erster Linie zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, indem sie Branchen und Unternehmen meiden, die große Mengen von Treibhausgasen ausstoßen, und verstärkt in Unternehmen investieren, die ein günstiges CO2-Profil haben. Bei grünen Anleihen sieht das anders aus. Ähnlich wie Aktienthemenfonds vermeiden sie nicht bestimmte Bran-chen oder Unternehmen, sondern investieren gezielt in Firmen, die durch technologische Innovationen große Mengen CO2 einsparen. Grüne Bonds finanzieren aber auch einzelne Projekte – zum Beispiel umweltschonende Infrastrukturmaßnahmen wie Wind- oder Solarparks.Als die ersten grünen Anleihen auf den Markt kamen, stellte sich die Frage, wie Anleger sicher sein konnten, dass sie mit ihren Investments tatsächlich Projekte zur CO2-Einsparung finanzierten. Da sich seitdem die Transparenz stark erhöht hat, gilt dieses Problem als weniger gravierend. Heute diskutieren die Anleger vielmehr, was tatsächlich unter einem grünen Projekt zu verstehen ist und was nicht. Bislang mangelt es noch an einer allgemein anerkannten Definition. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass schon bald etwas mehr Klarheit herrscht. Die Europäische Union (EU) ist kurz davor, ihren Aktionsplan für nachhaltige Finanzen zu veröffentlichen, der eine Nachhaltigkeitstaxonomie beinhaltet.Neben einer anerkannten Definition von Nachhaltigkeit bedarf es außerdem mehr Vielfalt bei den Emissionen. Bislang besteht der Markt für grüne Anleihen vor allem aus Bonds von multilateralen Entwicklungsbanken. Diese bieten den Anlegern zwar ein hohes Maß an Sicherheit, aber niedrige Renditen. Viele Investoren suchen jedoch nach höheren Erträgen. Das können viele grüne Bonds bislang nicht bieten. Um mehr private Investitionen für Projekte der Energiewende und der CO2-Reduktion zu initiieren, sind mehr Unternehmen mit High-Yield-Emissionen nötig. Denn vor allem sie können in der Phase von Niedrig- und Negativ-Zinsen noch attraktive Erträge in Aussicht stellen.Neben Anleihen mit höheren Renditen wäre außerdem eine größere Vielfalt bei den Emissionen wünschenswert. Der grüne Anleihemarkt könnte beispielsweise auch Asset Backed Securities und Collateralized Loan Obligations umfassen. So könnten die unterschiedlichen Finanzierungsbedürfnisse der Unternehmen und die verschiedenen Anforderungen der Investoren nach Risiko und Ertrag erfüllt werden.Der Markt für grüne Bonds ist noch vergleichsweise übersichtlich. Das Interesse der Investoren ist allerdings beachtlich und wächst. Große Assetmanager, Banken wie auch internationale Organisationen arbeiten zurzeit gemeinsam daran, den Markt für Green Bonds zu entwickeln – durch Steigerung des Emissionsvolumens, die Schaffung geeigneter Investmentvehikel und die Entwicklung von Marktstandards.Wenn mehr Produkte verfügbar sind, die den Anforderungen eines breiten Spektrums von Anlegern entsprechen, wird die nachhaltige Finanzierung immer stärker werden und dem Übergang zu einem kohlenstoffarmen System neue Impulse ver-leihen. Der Markt ist in Bewegung, steht aber immer noch eher am Anfang als am Ende seiner Entwicklung. Tobias Löschmann, Head of Institutional Sales bei Amundi Deutschland