Der Klimawandel ist schon jetzt ein operatives Risiko

Die daraus resultierenden Risiken für Unternehmen sollten grundsätzlich in die Anlageentscheidung einbezogen werden

Der Klimawandel ist schon jetzt ein operatives Risiko

Viele Investoren haben noch nicht erkannt, dass sich der Klimawandel heute schon auf den Geschäftsbetrieb und die Ertragslage vieler Unternehmen auswirkt. Er ist kein unbestimmtes, allgemeines Phänomen, sondern kann sogar ein konkretes operatives Risiko darstellen.Die Auswirkungen des Klimawandels erweisen sich für viele Unternehmen als erhebliches operatives Risiko, das mit fortschreitender globaler Erwärmung weiter zunehmen wird. Selbst wenn die Emission von Kohlendioxid am heutigen Tag weltweit komplett gestoppt würde, müssten wir uns für die kommenden zehn bis 20 Jahre auf häufige und drastische extreme Wetterlagen einstellen. Nach jüngeren Schätzungen könnte eine Erwärmung um 3° C verglichen mit dem 2°-Ziel zusätzliche 5 bis 10 % globales Bruttoinlandsprodukt (BIP) kosten. Jedoch rechnen viele Beobachter nach heutigem Stand sogar mit einem Temperaturanstieg von 4° C oder mehr. Finanzielle FolgenDie finanziellen Folgen extremer Wetterphänomene aufgrund des Klimawandels lassen sich einzelnen Unternehmen recht genau zuordnen. Hier einige Beispiele: 2011 schmälerten Überschwemmungen in Thailand nach extremen Regenfällen signifikant die Gewinne von zwei Konzernen für Unterhaltungselektronik aus Japan und Südkorea. In der Folge stufte die Ratingagentur Moody’s bestimmte Sub-Ratings herab. Im Jahr 2015 erlebte Brasilien die schlimmste Dürre seit 80 Jahren. Die Wasserkosten eines großen US-Automobilherstellers stiegen um 2,1 Mill. Dollar, und die verringerte Verfügbarkeit von Wasserkraft trieb die Stromkosten um 5,9 Mill. Dollar in die Höhe.Im Februar 2017 trieben eine Hitzewelle und eine steigende Nachfrage nach Kühlung in ganz Australien die Preise für Strom in die Höhe. Mehrere Bergbauunternehmen schlossen ihre Anlagen und aushärtende Mineralien verursachten bleibende Schäden in den Schmelzwerken. Ein weiteres führendes Bergbauunternehmen stellte den Betrieb einer wichtigen Mine für zwei Wochen wegen eines Stromausfalls ein. Bewertungen unter DruckSchon diese wenigen Beispiele zeigen: Der Klimawandel hat spürbare Folgen für Unternehmen. Damit wird es unausweichlich, diese Risiken in die Anlageentscheidung einzubeziehen. Eine negative Neubewertung von Vermögenswerten ist bereits dort zu beobachten, wo die Klimaauswirkungen am deutlichsten sind, wie etwa in den Küstengebieten von Miami, wo sich der steigende Meeresspiegel bereits auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar macht. Investoren tun gut daran, zu erkennen, welche Unternehmen am stärksten betroffen sind – und wie diese Unternehmen sich entlang ihrer gesamten Liefer- und Produktionskette auf extreme Wetterereignisse vorbereiten.In Zukunft können wir die Klimarisiken unserer Investmentportfolien besser messen und gegebenenfalls reduzieren. Ein wirksamer Hebel für die Senkung von Klimarisiken besteht darin, die Governance und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen zu stärken, um deren Widerstandsfähigkeit gegen extreme Wetterereignisse zu erhöhen.Die DWS befragt Unternehmen deshalb unter anderem auch bezüglich deren Gefährdung durch physische Klimarisiken in ihrer Geschäftstätigkeit, in ihrer Lieferkette und in ihrem Markt sowie darüber, wie sie ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber solchen Risiken erhöhen. Dies schärft das Bewusstsein in den Unternehmen für die steigenden Risiken des Klimawandels. Zudem ermöglichen es neue Verfahren systematisch wetterbedingte Risikofaktoren zu erkennen, schon bevor diese zu finanziellen Schäden in Unternehmen führen.Die DWS arbeitet hier mit dem US-Analysehaus Four TwentySeven zusammen, einem führenden Anbieter von klimabezogenen Risikoanalysen, der die ausgefeilten wissenschaftlichen Klimamodelle mit den Daten über Standorte und Lieferketten von Unternehmen kombiniert. Das eröffnet ganz neue Dimensionen der Risikobewertung auf Unternehmensebene. Solche Daten helfen der DWS, mit Unternehmen in den Dialog zu treten, um Kapital und technische Unterstützung einzusetzen, um ihre Betriebsabläufe und Lieferketten zu stabilisieren. Wenn etwa die Kautschuklieferanten eines Reifenproduzenten geografisch auf eine Region konzentriert sind, sollten die Firmen eine belastbare, nachhaltige Beschaffungspolitik verfolgen, die Anpassungsmaßnahmen für Kautschukplantagen und Landwirte unterstützt, um mit Wassermangel oder Überschwemmungen umgehen zu können. Offenlegung ist wichtigDie Bemühungen, die Bewertung und Offenlegung der physischen Klimarisiken und -chancen zu formalisieren und zu standardisieren, stecken noch in den Kinderschuhen. Doch eine verbesserte Offenlegung ist zwingend erforderlich, um Klimarisiken genauer einschätzen zu können. Investoren wie die DWS werden daher verstärkt auf Stimmrechtsvertretung und Engagement zurückgreifen, um die Offenlegung seitens der Unternehmen zu verbessern. Ein weiterer Weg besteht darin, Börsen davon zu überzeugen, dass sie von ihren gelisteten Unternehmen die Offenlegung von Klimarisiken verlangen. Ebenso könnten Rechnungslegungsstandards um diesen Aspekt ergänzt werden.Ein Meilenstein in dieser Richtung war der G20-Gipfel im Sommer 2017, in dessen Rahmen auch die Ergebnisse der “Task Force on Climate-related Financial Disclosures” (TCFD) veröffentlicht wurden. Diese Expertengruppe empfiehlt die Aufnahme von Metriken zu physischen Klimarisiken und -chancen in die Finanzberichterstattung. Weitere Initiativen arbeiten derzeit an einer Konkretisierung dieser Empfehlungen.Bis eine breitere Übereinstimmung und Verfügbarkeit standardisierter Methoden zur Bewertung des Klimarisikos in Investmentportfolien besteht, dürfte es noch eine gewisse Zeit dauern. Doch schon jetzt wollen sich immer mehr individuelle und institutionelle Investoren einerseits vor Klimarisiken schützen und andererseits einen positiven Einfluss ausüben. Sie können sich auf Portfolien konzentrieren, die hoch bewertete Unternehmen in Bezug auf ESG (Environmental, Social, und Corporate Governance) bevorzugen, in denen zudem Unternehmen mit sehr hohen CO2-Emissionen und fossilen Brennstoffen ausgeschlossen sind.Gerade auf fossile Brennstoffe zielende Desinvestitionskampagnen – etwa seitens der großen US-Universitätsstiftungen – haben eine Schlüsselrolle dabei gespielt, den Klimawandel stärker auf die Agenda von Investoren, Regierungen und kohlenstoffintensiven Unternehmen zu setzen. Immer mehr Investoren veräußern einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Investitionen in fossile Brennstoffe, und viele andere sind zunehmend geneigt, Engagement und die Integration von Klima/ESG zu fördern. Übergangspläne entwickelnBei der DWS fasst die “ESG Engine” die Klima- und Nachhaltigkeitsdaten führender Anbieter zusammen, die zur Abschätzung des CO2-Fußabdrucks eines Portfolios herangezogen werden können. Doch die Messung der Kohlenstoffintensität eines Portfolios ist nur ein Ausgangspunkt, der nicht das gesamte Bild erfasst. Verbesserte Offenlegung, robuste Analysen und neue Indizes, die sektorale Unterschiede und alle Klimarisiken berücksichtigen, sind notwendig. Was wir aber wirklich brauchen sind Unternehmen, die Übergangspläne für eine kohlenstoffärmere Wirtschaft und ein extremeres und volatileres Klima entwickeln und umsetzen. Vor diesem Hintergrund sind wir davon überzeugt, dass die proaktive Vorbereitung auf den Klimawandel seitens der Unternehmen für alle Sektoren und Anlageklassen als eine attraktive Investitionsmöglichkeit angesehen werden kann.—-Petra Pflaum, EMEA Co-Head of Equities and CIO for Responsible Investments bei DWS