SERIE: WER BRAUCHT NOCH BANKER? (TEIL 2)

Der lange Weg zur Automatisierung

Banken liebäugeln mit dem Einsatz von Robotic Software vor allem im Back Office - Targobank nutzt Chatbot im Kundenkontakt

Der lange Weg zur Automatisierung

Banken denken über robotergestützte Prozessautomatisierung nach, Berater versprechen ihnen Einsparungen in immenser Höhe. Doch der Weg zur Automatisierung ist lang.Von Bernd Neubacher, FrankfurtVon den neuen Errungenschaften im Zuge der Digitalisierung elektrisiert kaum eine Technik Banken und Beraterhäuser mehr als die Automatisierung von Prozessen durch Roboter, im Fachjargon Robotic Software oder Robotic Process Automation (RPA). Die Idee: Ein Set kodierter Befehle sagt einem mechanischen Instrument und einem elektronischen System, die einen Roboter bilden, welche Aufgaben sie selbständig zu verrichten haben. Manche Software zielt dabei zudem darauf ab, intelligente Geräte zu entwickeln. Neuerungen im Software-Design und im Feld der künstlichen Intelligenz sollen es ermöglichen, auch komplexe, derzeit von Menschen ausgeführte Vorgänge zunehmend selbständig ablaufen zu lassen.Vor allem der Einsatz von Robotic Software in den Feldern Feedback-Schleifen, Kontrolle, Datenfilterung sowie in der Ortung und dem Teilen von Daten verheißt dabei Potenzial für Kostensenkungen, können Maschinen doch dort, so das Kalkül, am ehesten Aufgaben übernehmen, die bislang Menschen oblagen. Als Einsatzgebiete bieten sich zum Beispiel das aufsichtsrechtliche Meldewesen oder etwa die Prävention von Geldwäsche an. RPA könnte demnach auch die tägliche Erstellung einer Ergebnisrechnung erleichtern, indem eine Roboter-Software selbständig die erforderlichen Daten abfragt, die entsprechenden Excel-Dateien ordnet, konsolidiert und den Zuständigen letztlich per Mail zustellt. Die Werbetrommel erklingtBerater rühren denn auch fleißig die Werbetrommel für die robotergestützte Prozessautomatisierung. Der deutschen Kreditwirtschaft attestieren sie dabei Nachholbedarf im Vergleich zur angelsächsischen Konkurrenz. Deutsche Banken befassten sich derzeit noch mit Machbarkeitsstudien. In den USA und in Großbritannien dagegen machten sich die Institute bereits daran, RPA auf breiter Front zu nutzen, sagte EY-Partner Gunther Tillmann kürzlich der Börsen-Zeitung. Dort hätten die Institute infolge von RPA sogar damit begonnen, in der Vergangenheit aus Kostengründen ausgelagerte Aufgaben wieder in die Heimat zurückzuholen.EY zufolge liegen die deutschen Häuser im transatlantischen Vergleich insgesamt rund zwei Jahre im Hintertreffen. “In den Digitalisierungsstrategien der deutschen Banken vermissen wir derzeit das Thema Robotic Process Automatisation. Das muss Bestandteil jeder Digitalisierungsstrategie sein”, erklärt Tillmann, der zudem mit Blick auf EY ankündigt: “Wir werden RPA auch intern künftig stärker einsetzen.” Wer bietet mehr?Banken versprechen die Berater durch den Einsatz von RPA letztlich Einsparungen von 20 %, falls kognitive Roboter maschinelles Lernen oder statistische Modellierung zur automatischen, kontinuierlichen Optimierung nutzen, Roboter dereinst komplexere Aufgaben übernehmen und auch Entscheidungen treffen sollten. Im Falle einzelner Tätigkeiten wie der Datenerfassung veranschlagt EY die Reduktion der Kosten sogar auf bis zu 70 %. Noch mehr bieten die Berater von Accenture. Sie versprechen eine Kostenreduktion infolge von RPA um bis zu 80 %.”Das erscheint mir weit überzogen”, sagt dazu ein Bankenexperte außerhalb des Beraterkosmos. “Ich könnte Ihnen jetzt nicht zeigen, wo einer nachgerechnet hat und auf 75 % Einsparpotenzial kommt.” Raum für Kostensenkungen gebe es aber zweifelsohne. Der Schlüssel dazu liege aber nicht in allgemeinen Angaben, sondern in der Analyse auf Ebene jedes einzelnen Instituts.In der Tat beginnt Deutschlands Kreditwirtschaft gerade erst auf breiter Front damit, sich mit Fragen rund um RPA zu befassen. Nägel mit Köpfen haben bisher nur einzelne Banken in Eigeninitiative gemacht. So setzen einige Institute vereinzelt automatisierte Prozesse ein, wie der Bundesverband deutscher Banken berichtet. Auch gebe es Ansätze zu Compliance-Prüfungen über automatisierte Prozesse, um regulatorischen Anforderungen nachzukommen.Finanz Informatik (FI), der IT-Dienstleister der Sparkassen, bietet eigenen Angaben zufolge den Instituten bereits “die Möglichkeit an, Service-Prozesse auf Basis des Gesamtbankensystems OSPlus und der dazugehörigen Interaktiven Service Plattform (ISP) zu automatisieren”. Schwerpunkt seien Angebote und Lösungen für die Marktfolge, um massenhaft auftretende Service-Prozesse auch über verschiedene Eingangskanäle hinweg “möglichst hochgradig zu automatisieren”.In Kooperation mit den Servicegesellschaften in der Sparkassen-Finanzgruppe sei zum Beispiel die sogenannte Pfändungsbearbeitung weitgehend automatisiert bzw. industrialisiert worden, “mit massiven Effizienzsteigerungen”, wie es heißt. Es gebe noch weitere Bereiche, in denen Vorgänge für die Sparkassen teil- oder vollautomatisiert werden könnten. Gerade in Kombination mit einer Standardisierung von Vertriebs- und Beratungsprozessen seien “noch erhebliche Potenziale absehbar”.Im Geschäft mit Kunden setzt die Targobank, Tochter der französischen Bankgruppe Crédit Mutuel, derweil bereits den Chatbot “Lena” ein. Wie Ates Demir, Direktor für das Internet- und Mobile Banking der Targobank, im Gespräch mit “Der Bank Blog” erklärt hat, ist dies “ein Chatbot der ersten Generation, das heißt nicht mit künstlicher Intelligenz, sondern mit einer großen Datenbank und entsprechender Logik im Hintergrund ausgestattet”. Lena ermögliche schnelle Online-Auskünfte zu Standardfragen. Um den Service kontinuierlich zu verbessern, würden sämtliche Kundenanfragen anonymisiert in einer “dynamischen Wissensdatenbank” gespeichert.Wie die Targobank auf Anfrage mitteilt, verzeichnete sie allein im vergangenen Jahr über ihren Chatbot rund 120 000 Kundenfragen. “Dass häufig gestellte Fragen beispielsweise rund um den Online-Banking-Login oder Passwortänderungen inzwischen über digitale Services – wie Lena – beantwortet werden, hat auch positive Effekte auf andere Kundenservicekanäle”, heißt es: “Wir verzeichnen ein abnehmendes Call-Volumen bei unserer Internet-Hotline. Den persönlichen Kontakt per Telefon oder Filiale wählen Kunden vor allem bei komplexeren Anlässen.” Nicht nur die Targobank beschäftigt sich mit Chatbots. Für die Genossen etwa ist “eine Integration von Botfunktionen” in ihre VR-Banking-App “ein mögliches Anwendungsszenario”, wie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) auf Anfrage erklärt: “Hier ist die genossenschaftliche Finanzgruppe in der Entwicklungs- und Erprobungsphase.” Im Ausland gang und gäbeIm Ausland ist der Einsatz von Chatbots schon gang und gäbe: In Skandinavien etwa bedienen sich die SEB AG, die norwegische Lebensversicherungs- und Pensionssparte der Nordea sowie die Swedbank jeweils virtueller Kundenbetreuerinnen. Und wie “Der Bank Blog” erhoben hat, arbeiten auch die US-amerikanische Ally Bank, Barclays Africa, DBS in Singapur sowie die Royal Bank of Scotland mit Chatbots, und Capital One wiederum hat einen virtuellen Assistenten eingeführt, der Kunden die Nutzung des Amazon-Services Alexa für Bankgeschäfte ermöglicht.Detaillierte Informationen über den Anteil an Tätigkeiten, welche Banken branchenweit bereits mit Hilfe von RPA erledigen, liegen zwar nicht vor. Es mehren sich aber die Anzeichen, dass auch die deutschen Banken ihre entsprechenden Anstrengungen forcieren: Zumindest in einzelnen Bereichen ihres Geschäfts planen die Institute einen Einsatz von RPA, wie vor wenigen Wochen publizierte Umfragen der Unternehmensberatungen Horváth & Partners sowie Sopra Steria Consulting unter 58 bzw. 120 Gesellschaften im deutschsprachigen Finanzsektor ergeben haben. Der Erhebung von Horváth & Partners zufolge planen über 70 % der Befragten entsprechende Machbarkeitsstudien oder haben diese bereits ausgeführt, und gut 60 % planen einen umfassenden Einsatz von RPA in speziellen Bereichen oder haben “den Einsatz von Softwarerobotern zur Nachahmung menschlicher Mitarbeiter in repetitiven und strukturierten Prozessschritten” bereits ins Werk gesetzt.Zugleich haben vier Fünftel der Befragten nicht vor, RPA flächendeckend zu nutzen (siehe Grafik). Laut der von Sopra Steria Consulting unternommenen Umfrage wollen sogar neun von zehn Instituten in Deutschland bis 2019 “so viele Abläufe wie möglich standardisieren, dass sie im Idealfall von Algorithmen übernommen werden können”.Als ein Treiber könnte sich dabei indirekt ausgerechnet die vielfach veraltete IT der Institute entpuppen. “Die klassische Bankarchitektur ist ja nicht mehr so modern”, umschreibt dies Dirk Dose, Managing Consultant beim Beratungshaus PPI und dort für Fragen der Prozessoptimierung zuständig, in gemäßigten Worten. Ein IT-Projekt umzusetzen dauere nun einmal seine Zeit, und für viele Automatisierungen rechne sich daher der Aufwand nicht. “Viele Banken machen sich an dieser Stelle nicht mehr die Gedanken, Prozess-optimierungen durch Automatisierung von Medienbrüchen zu realisieren. Mit Robotic Process Automation aber geht das relativ einfach.”Laut der Erhebung von Horváth & Partners geben auf die Frage, für welche Funktionsbereiche sie RPA künftig eine besondere Bedeutung beimäßen, 75 % der Befragten Operations/Back Office an, gefolgt von Marktfolge (42 %), Vertrieb (40 %) sowie Schaden/Leistung im Versicherungsgeschäft (37 %). Was Vertrieb und Back Office angeht, beziffern dabei jeweils 44 % der Befragten das Einsparpotenzial durch den Einsatz von RPA auf 20 bis 30 %. Über 90 % der Umfrageteilnehmer erhoffen sich darüber hinaus weitere Vorteile bei der Beschleunigung von Prozessen sowie einer Verbesserung der Prozessqualität. Geringe StandardisierungFortgeschrittene Einsatzfelder seien Compliance-Abteilungen mit komplexen Zuständigkeiten und das Risikomanagement, wie Sopra Steria ermittelt hat. 87 % der Institute wollen demnach ihre Gesamtbanksteuerung und das Meldewesen an die Bankenaufsicht industrialisieren. Jeder zweite Entscheider sehe zudem Potenzial für eine automatisierte Prüfung von Firmenunterlagen, wenn es um die Bewilligung von Krediten gehe.Bis dahin allerdings dürfte noch ein gutes Stück Weg vor den Banken liegen. Als “Herausforderungen” bei der Nutzung von RPA nennen die Manager Horváth & Partners etwa eine geringe Standardisierung von Prozessen, Widerstände von Mitarbeitern sowie fehlendes Know-how. Hinzu kommt die Pflege von Robotic Software, schließlich müssen Banken Veränderungen in ihren IT-Systemen in den Robotern nachvollziehen, wie PPI-Berater Dose festhält. “Ich glaube nicht, dass Robotics so große Einsparungen ermöglichen, wie Leute dies darstellen”, meint daher Chris Gunning, Vice President of Global Shared Services des IT-Dienstleisters Unisys. Eher führten Robotics zu “einer Steigerung der Fixkosten durch die Betreuung und Wartung der Robot-Infrastruktur”. Grundlegende ZurückhaltungZwischen der Erstellung von Machbarkeitsstudien und der Einführung von Robotic Process Automation steht neben solchen Hindernissen zudem nicht zuletzt eine grundsätzliche Zurückhaltung gegenüber unerprobten Verfahren, die im Bankwesen umso größer ausfällt, je wichtiger die Funktionen sind, in welchen sie eingesetzt werden sollen.So stellt das für Finance Transformation, Shared Services und Outsourcing zuständige Beratergremium des globalen Accountant-Verbands ACCA mit Blick auf das Finanzwesen von Unternehmen fest: “Die Einführung von Robotics im Finanzwesen ist anspruchsvoll. Die für Finanzen Verantwortlichen werden RPA erst dann einsetzen, wenn sie sehen, dass Wettbewerber, denen sie vertrauen, diese Lösungen einführen.”—-Bisher erschienen:- Vom Banker zum Roboter (12. August)