Der NPL-Sekundärmarkt erhält Standards

Verein erarbeitet Vorgaben für Plattformen - EU-Behörde EBA kooperiert mit privatem Sektor - Fintech Debitos hofft auf Mehrgeschäft

Der NPL-Sekundärmarkt erhält Standards

In die Bemühungen zum Abbau fauler Kredite (NPL) in Bilanzen europäischer Banken kommt Schwung: Nach zwei runden Tischen mit der EU-Kommission, der EU-Bankenbehörde EBA und der EZB erarbeitet nun eine Initiative unter Beteiligung diverser Großbanken Standards für Plattformen zum NPL-Handel.Von Bernd Neubacher, FrankfurtIn die Bemühungen um einen Abbau notleidender Kredite (Non-Performing Loans/NPL) in den Bilanzen der europäischen Banken kommt Bewegung: Mit dem Plazet der European Banking Authority (EBA) soll die Frankfurter Vereinigung Deutsche Kreditmarkt-Standards (DKS) einheitliche Vorgaben für NPL-Transaktions-Plattformen erarbeiten, wie die Börsen-Zeitung erfahren hat. Dazu hat der gemeinnützige Verein bereits eine Umfrage unter relevanten Marktakteuren gestartet, um zu ermitteln, welche Vorgaben auf die breiteste Akzeptanz stießen. Die Erhebung läuft bis Mitte November. Die private Initiative, für die DKS als Dachverband fungiert, wird von diversen europäischen Großbanken, Investoren, Kreditdienstleistern, Beratern und Plattformbetreibern wie dem Frankfurter Fintech Debitos unterstützt, wie es im Markt heißt. 562 Mrd. Euro faule KrediteAuf europäischer Ebene bemühen sich die einschlägigen Instanzen seit Jahren um einen Abbau der Bestände an faulen Krediten. Zwar lag ihr Anteil an den Aktiva der Großbanken vor Jahren schon deutlich höher – im zweiten Quartal ist er binnen Jahresfrist von 4,40 % auf 3,56 % gesunken. Auch damit aber belasten noch immer 562 Mrd. Euro die Bilanzen der großen Banken im Euroraum.Im Sande verlaufen war 2017 ein Vorstoß des damaligen EBA-Chefs Andrea Enria, heute oberster Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB), für Europas Problemkredite eine paneuropäische Bad Bank einzurichten. Der Berg an faulen Darlehen gilt neben einem insolvenzrechtlichen Flickenteppich als eines der größten Hindernisse bei der Sanierung der Bankbilanzen.Nun will man dem Sekundärmarkt durch Standardisierung Leben einhauchen. Vorausgegangen sind dieser Initiative ein Aktionsplan des EU-Rats, der die EU-Kommission, die EZB und die EBA auffordert hatte, den Aufbau von NPL-Transaktionsplattformen zu erwägen, sowie zwei runde Tische dieser drei Instanzen mit Vertretern der Branche – zu denen die britische Loan Market Association (LMA) in Erwartung des Brexit erst gar nicht eingeladen wurde, wie es heißt. Die EU-Kommission teilt auf Anfrage mit, sie begrüße jeglichen Beitrag privater Stakeholder, die zusammen an Branchenstandards für Plattformen arbeiteten, um die Sekundärmärkte für faule Kredite zu verbessern. Solche Plattformen könnten beim Problemkreditabbau sehr nützlich sein. Eine EBA-Sprecherin erklärt: “Die EBA arbeitet weiterhin mit der Kommission in dieser Initiative und kooperiert mit dem privaten Sektor in der Entwicklung von Branchenstandards.”Um den Handel mit Problemkrediten zu erleichtern, hat die EBA schon vor Jahren einheitliche Datenblätter entwickelt. Diese aber enthielten weit mehr Datenfelder, als Verkäufer ausfüllen konnten oder wollten. Im September hat die EBA ihre Templates überarbeitet. Sie sind gleichwohl nicht Teil des dem Vernehmen nach mit der EU-Kommission abgestimmten Fragebogens, den die DKS dem Markt nun vorlegt.Die DKS, die eigenen Angaben nach in einer Telefonkonferenz Anfang September als Brancheninstitution ernannt wurde, um Details des geplanten Standards zu entwickeln, hat diverse Fragen an den Markt. Unter anderem sollen die Befragten angeben, was sie bisher daran gehindert hat, Problemkredit-Plattformen zu nutzen, ob ein Zugang zu Marktdaten sie auf eine Plattform locken könnte oder ob andere Anreize wirken könnten, sich dort zu engagieren, was eine Plattform ihrer Meinung nach leisten soll und welchen Preismechanismus sie bevorzugen. Ein natürlicher KandidatDie DKS sei ein natürlicher Kandidat für die Funktion als Dachverband, kümmere sie sich doch schon bundesweit um Prozess- und Vertragsstandards im Kreditmarkt. Gegründet wurde die Organisation 2011 von Kreditinstituten wie Corealcredit, Commerzbank und Deutsche Pfandbriefbank. Auch zählen etwa die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) zu den Gründern, die US-amerikanische NPL-Plattform DebtX, die Kanzlei Mayer Brown und der Frankfurt School Verlag.Etwaige politische Vorbehalte gegen ein Konstrukt, in dem ein deutscher Verein helfen soll, das Kreditproblem europäischer Banken zu lösen, werden in der Branche relativiert mit dem Verweis, dass die DKS zwar bundesweit tätig, ihre Mitgliedschaft aber durchaus international sei – der durch Mitgliedsbeiträge finanzierte Verein hat neben deutschen Adressen auch die Niederlassungen von Unicredit und Santander in seinen Reihen.Zudem sei europaweit schlicht keine andere Instanz in der Lage, sich zum Standardsetzer aufzuschwingen, wird weiter argumentiert. Bei der EU-Kommission heißt es unterdessen, es sei wichtig, dass jegliche Arbeiten an Branchenstandards eine europäische Perspektive einnehmen und “einen Fokus auf einen oder wenige Mitgliedstaaten vermeiden”. Ein Schritt nach dem anderenDer DKS bietet sich nun damit die Chance, die eigene Internationalisierung gleichsam mit dem Plazet europäischer Instanzen anzugehen. Jörg Keibel, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende, tritt gleichwohl erst einmal auf die Bremse. Sein Motto: einen Schritt nach dem anderen machen. Zunächst einmal gelte es, den Bedarf des Marktes und unter anderem die Frage zu klären, warum Banken nicht schon jetzt mehr Problemkredite über Plattformen veräußerten, sagt er der Börsen-Zeitung. Erst wenn die Anforderungen des Marktes feststünden, ließen sich Standards entwickeln. Wie dies nachher mit Blick auf die Organisation oder auf Budgets umgesetzt werde, sei der übernächste Schritt. Von europäischer Seite gebe es dabei keine festen Fristen.Neben der DKS und dem US-Plattformbetreiber DebtX rückt mit dem Vorstoß zugleich das Frankfurter Fintech Debitos in den Fokus – denn weitere Plattformen, die künftige DKS-Standards erfüllen könnten, sind europaweit schon deshalb nicht in Sicht, weil nur über DebtX und Debitos nennenswerte Volumina laufen, wie es im Markt heißt. “Wir sind als Plattformbetreiber natürlich daran interessiert, dass es mit dem Aufbau eines Sekundärmarktes für NPL vorangeht”, erklärt Timur Peters, Gründer und Geschäftsführer von Debitos, der Börsen-Zeitung: “Klar, das würde unser Geschäft beflügeln. Deswegen unterstützen wir das Vorhaben.” Peter Riedel, Head of Illiquid Products im Unternehmen, fügt hinzu: “Der Weg zu transparenten Transaktionen wird immer stärker beschritten.”Das Kalkül: Sollte die EZB von einer Bank in Zukunft den Abbau notleidender Kredite fordern, dürfte das Institut diese Forderungen am ehesten über einen standardisierten NPL-Sekundärmarkt veräußern, schon um damit gegenüber Aufsehern und Aktionären darlegen zu können, sich um den bestmöglichen Preis bemüht zu haben.Debitos berechnet je nach Volumen und Handelsklasse bei Abschluss eines Verkaufs 0,5 bis 5 % des Preises. Vor Monaten wurden für unbesicherte Kredite 5 bis 15 % des Nominalwerts bezahlt. Im vergangenen Jahr dürfte das Unternehmen mit einem Umsatz von knapp 2 Mill. Euro abgeschlossen haben, knapp das Dreifache des Vorjahres, wie es im Januar hieß. Der Vorsteuergewinn wurde da auf 0,2 bis 0,4 Mill. Euro beziffert.2019 stiegen die Zahl der Transaktionen, das Nominalvolumen sowie die Umsätze deutlich an, heißt es auf Anfrage. Neben Märkten wie Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien spielten Länder aus Osteuropa eine immer größere Rolle. Bevor Debitos konkrete Zahlen nenne, wolle die Gesellschaft indes zunächst das Schlussquartal abwarten, erfahrungsgemäß das stärkste im Jahr.