Der Sustainable Finance Action Plan der EU
Frederik VoigtZIA AbteilungsleiterInvestitionskapitalDr. Marie-Luise KernZIA Senior ReferentinInvestitionskapitalKlimawandel, Ressourcenknappheit, Flüchtlingsströme und Armutsbekämpfung gehören zu den großen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Mit Blick auf die Bewältigung dieser enormen Herausforderungen rückt ein Begriff immer weiter in den Fokus: Nachhaltigkeit. Dass der Lenkung von Kapitalströmen in Richtung ökologische und soziale Investitionen hierbei eine tragende Rolle zukommt, hat längst auch die Politik erkannt und nachhaltige Finanzierung als eines der Kernthemen auf die Agenda gesetzt. So hat etwa die Bundesregierung im Juni dieses Jahres einen knapp 40 Experten umfassenden Beirat für “Sustainable Finance” ins Leben gerufen. Die Europäische Kommission arbeitet schon länger an dem Thema. Auf Grundlage der Empfehlungen einer 2016 eingesetzten Expertengruppe, der sogenannten High Level Expert Group (HLEG), hat die Kommission im Frühjahr 2018 den EU Sustainable Finance Action Plan veröffentlicht. Der Aktionsplan besteht aus einem Bündel von Regulierungsmaßnahmen, durch die Finanzmarktakteure wie Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungen, Pensionskassen oder Banken in die Pflicht genommen werden. Die Stellschrauben werden dabei an verschiedenen Stellen gesetzt: bei “grünen” Finanzprodukten und ihren Underlying Assets genauso wie in der Anlageberatung oder der Organisationsstruktur einer Kapitalverwaltungsgesellschaft. Darüber hinaus sollen weitreichende Offenlegungs- und Reportingpflichten zu mehr Transparenz führen. Die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen ist komplex und mitunter sehr technisch. Hinzu kommt, dass viele der Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind oder entscheidende Vorhaben im Rahmen von delegierten Rechtsakten noch gänzlich ausstehen. In den Grundzügen lassen sich die wichtigsten Maßnahmen heute aber schon wie folgt skizzieren.1) Taxonomie: Die Einstufung von Aktivitäten und Assets als nachhaltig ist derzeit durch ein hohes Maß an Fragmentierung geprägt. Die Taxonomie verfolgt das ehrgeizige Ziel, dieser Zerfaserung ein Ende zu bereiten. Mit ihr soll ein EU-weites, einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten etabliert werden. Sie soll das Vertrauen bei Investoren stärken und grüne Investitionen damit transparenter und attraktiver machen. Hiermit geht einher, dass viele der weiteren wesentlichen Maßnahmen auf der Taxonomie aufbauen. Sie ist damit als Herzstück des Aktionsplans zu verstehen. Um als nachhaltig im Sinne der Taxonomie klassifiziert zu werden, muss eine wirtschaftliche Tätigkeit wesentlich zu einem der im Rahmenregelwerk, der Taxonomieverordnung festgelegten sechs Umweltziele beitragen und darf sich gleichzeitig nicht nachteilig auf eines der anderen fünf Umweltziele auswirken (“Do no significant harm”). Zudem sind soziale Mindestbedingungen einzuhalten (“Social safeguards”). Anleger sollen hierdurch vor sogenanntem “Greenwashing” geschützt werden. Zu zweien der sechs Umweltziele, nämlich Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, hat die von der EU-Kommission zur Ausarbeitung eingesetzte Technical Expert Group (TEG) nach knapp einjähriger Vorarbeit im Juni 2019 einen finalen Report veröffentlicht. Neben Vorgaben zur Methodik und Nutzung der Taxonomie werden hierin für insgesamt 67 Wirtschaftsaktivitäten quantitative und qualitative Screeningkritierien zur Beurteilung der Nachhaltigkeit aufgestellt. Für den Immobiliensektor, der laut TEG für mehr als 30 % der relevanten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, wurden in diesem Rahmen vier Tätigkeiten samt Screening-Kriterien identifiziert: Neubau, Renovierung von Bestandsimmobilien, individuelle Renovierungsmaßnahmen sowie der Ankauf von Immobilien. Die von der TEG im Rahmen des finalen Reports entwickelten technischen Kriterien sind bisher unverbindlich. Nach einer weiteren Konsultation in der zweiten Jahreshälfte und der anschließenden Finalisierung sollen sie die Grundlage für den Erlass delegierter Rechtsakte durch die Kommission bilden. Nach Beendigung des Mandats der TEG Ende 2019 soll eine sog. Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen die Weiterentwicklung der Taxonomie verantworten. Neben den materiellen Vorgaben der Taxonomie ist derzeit noch unklar, ob diese nur für als nachhaltig angebotene Finanzprodukte gelten soll oder aber für sämtliche Finanzprodukte. Anders als die Kommission will das Parlament eine solche Pflicht auf sonstige Produkte, ausdehnen. Auch über den Grad der Verbindlichkeit der Taxonomie und den Umfang der Offenlegungspflichten wird aktuell noch in Brüssel diskutiert. Unter dem Eindruck der divergierenden Meinungen zwischen Kommission, Parlament und Rat ist mit einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erst im nächsten Jahr zu rechnen.2) Offenlegungspflichten: Flankiert wird die Taxonomie von der Offenlegungsverordnung, die ebenfalls Teil des Gesetzespakets der EU Kommission ist. Anders als bei der Taxonomieverordnung wurde über den Inhalt der Offenlegungsverordnung zwischen Kommission, Rat und Parlament bereits Einigkeit im Trilog erzielt. Finanzmarktteilnehmer werden hiernach künftig verpflichtet, auf ihren Websites und in vorvertraglichen Informationen Angaben zu ihren Strategien in Bezug auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen zu veröffentlichen. Ferner soll über die Vereinbarkeit ihrer Vergütungspolitik mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken informiert werden. Als Nachhaltigkeitsrisiko definiert der EU-Gesetzgeber ein “Ereignis oder eine Bedingung im Bereich Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, dessen beziehungsweise deren Eintreten infolge einer nachteiligen Nachhaltigkeitswirkung erhebliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte”. Es ist zu erwarten, dass diese – äußerst ungriffige – Definition auch Gültigkeit für die künftige Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in den internen Prozessen der AIFM- und OGAW-Manager haben wird (s. u.). Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Bereitstellung nachhaltigkeitsbezogener Informationen über Finanzprodukte. Anzuwenden sind die Regelungen voraussichtlich Anfang 2021. Auch hier stehen noch Konkretisierungen in Gestalt von Level-2-Texten aus.3) Nachhaltigkeit in den Organisationsprozessen von AIFM und OGAW-Managern: Diese Maßnahme trifft Kapitalverwaltungsgesellschaften ganz unmittelbar. So sollen Nachhaltigkeitsrisiken zukünftig in der Aufbau- und Ablauforganisation, im Risikomanagement oder auch in den Due Diligence-Prozessen zur Investmentauswahl berücksichtigt werden. Ferner soll das Personal über ausreichende ESG-Expertise verfügen. Die Anforderungen verfolgen einen sog. “Principles-Based Approach”, der auf Detailregelungen verzichtet und vielmehr nur Grundsätze festlegt. Dieser Ansatz kann nur befürwortet werden, da er Betroffenen Spielräume in der Umsetzung der Pflichten bietet. Die neuen Pflichten für AIFM und OGAW-Manager hat die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA ausgearbeitet. Die ESMA Empfehlungen müssen durch die Kommission noch in Gestalt delegierter Rechtsakte umgesetzt werden. Hiermit ist in der zweiten Jahreshälfte 2020 zu rechnen. 4) Nachhaltigkeit in der Anlageberatung: Im Rahmen des Geeignetheitstests sollen neben der Exploration der finanziellen Ziele und der Risikobereitschaft des Kunden zukünftig explizit auch die Nachhaltigkeitswünsche des Kunden ermittelt werden. Dies sieht ein entsprechender Vorschlag zur Änderung der Delegierten Mifid-Verordnung aus Anfang Januar vor. Damit die Räder ineinandergreifen, soll dieser aber erst dann durch die Kommission angenommen werden können, wenn der Begriff nachhaltige Investitionen in der Offenlegungsverordnung final verabschiedet wurde, also nicht vor Ende 2020 (s. o.). Nachhaltigkeitsfragen sollen ferner auch Bestandteil der durch Mifid II eingeführten Product Governance werden, konkret sollen ESG-Präferenzen in der Zielmarktbestimmung noch mehr Berücksichtigung finden. Eine Anpassung der für die Product Governance maßgeblichen ESMA-Leitlinien steht noch aus.5) EU Ecolabel: Dass im Zuge des Maßnahmenpaketes ein EU-Ecolabel für Finanzprodukte eingeführt werden soll, ist bisher wenigen bekannt. Als Verbraucher kennt man das Ecolabel bspw. für Textil- oder Reinigungsprodukte. Der dortige Zertifizierungsansatz soll nun auf solche Finanzprodukte übertragen werden, die als verpackte Kapitalanlagen- und Versicherungsprodukte unter die PRIIPs-Regulierung fallen. Damit wären auch Immobilien-AIF erfasst, die an Privatkunden vertrieben werden. Nach den bisherigen Ausarbeitungen des zuständigen Joint Research Centre der EU Kommission (JCR) sollen im Rahmen eines “Pass or fail”-Systems lediglich etwa 10 bis 20 % der verfügbaren Produkte für das Ecolabel qualifizieren. Maßgeblich soll sein, ob und inwiefern die Underlying Assets mit den Vorgaben der Taxonomie im Einklang stehen. Im Einzelnen ist noch vieles unklar, die Arbeiten stehen noch relativ weit am Anfang. Für die Anbieter und Verwalter von Immobilienfonds ist Regulierung kein Novum. Ob durch die Einführung des KAGB oder über die detailreichen Vorgaben des Mifid II-Kostenreportings: Kapitalverwaltungsgesellschaften mussten in den letzten Jahren immer wieder regulierungsbedingte Transformationsprozesse durchschreiten. Der Sustainable Finance Action Plan droht hier ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die Betroffenen sollten die anstehenden Maßnahmen jedoch nicht allein als lästige Pflicht verstehen, sondern vielmehr auch als Chance. Denn die Nachfrage nach grünen Investments ist sowohl bei institutionellen als auch bei Privatanlegern enorm. Wer sich frühzeitig wappnet und etwa taxonomiekonforme Immobilienfonds anbietet, der dürfte gut aufgestellt sein.