Der Weg in die neue Energiewelt

Wichtiges und lukratives Geschäftsfeld für Banken auf der Suche nach Erfolgen - Gute Finanzierungslösungen gefragt

Der Weg in die neue Energiewelt

In wenigen Jahrzehnten sollen alternative Quellen wie Wind- oder Solarkraft den Energiebedarf fast vollständig decken. Das ist nur zu erreichen mit völlig neuen Techniken: Häuser, Straßen, Fahrradwege oder Elektroautos werden Energie verbrauchen und sie gleichzeitig auch produzieren oder für die spätere Nutzung speichern. Dies ist ein Quantensprung. Um ihn zu verwirklichen, braucht es nicht nur die technische Entwicklung und Unterstützung. Auch die Banken spielen eine wichtige Rolle: Sie müssen optimale Möglichkeiten zur Finanzierung anbieten. Windenergie wächst stetigRund 30 Jahre nach dem Beginn der kommerziellen Nutzung sind regenerative Energien ein fester Bestandteil der Stromversorgung geworden: Seit 1990 hat sich ihr Anteil an der Stromerzeugung in Deutschland verachtfacht, mit mehr als 29 % waren sie 2016 die wichtigste Stromquelle, noch vor Atomkraft, Öl oder Gas. Größten Anteil daran hat die Windkraft, gefolgt von Fotovoltaik und Biomasse. Vor allem die Windenergie wächst unvermindert stark – in anderen europäischen Ländern wie Schweden oder Dänemark, aber ganz besonders auch in China, dessen Städte extrem unter den Folgen der Verbrennung fossiler Rohstoffe leiden.Der Anstieg beim Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Weltweit wird die installierte Leistung bis 2020 voraussichtlich jährlich um 13 % wachsen. Nach den im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Zielen soll der Anteil der alternativen Erzeugung am Strommix in Deutschland bis 2035 auf 55 bis 60 % steigen. Die EU-Kommission geht in ihrer Energy Roadmap sogar davon aus, dass die gesamte Energieversorgung der Gemeinschaft bis 2050 auf erneuerbare Quellen umgestellt werden muss, um den Ausstoß von CO2 fast vollständig zu reduzieren.Den wesentlichen Ausbauschub wird auch künftig die Windenergie mit größeren, effizienteren und kostengünstigeren Anlagen geben, ob an Land oder auf See. Die zentrale Herausforderung liegt aber nicht nur darin, mehr Wind- und Solarstrom zu erzeugen, sondern diesen auch auf vielfältige Weise nutzbar zu machen. Konsumenten von Energie werden künftig zugleich Produzenten sein (“Prosumer”) und alle müssen auf intelligente Weise verbunden werden.Bei öffentlichen und privaten Investitionen wird in Zukunft die Energieerzeugung eine viel größere Rolle als bisher spielen – und dabei sind nicht nur Ingenieure und Techniker gefragt, sondern auch die Banken mit guten Finanzierungslösungen. Häuser, Straßen oder Schwimmbäder werden sich mit integrierten Solar- oder Windanlagen selbst versorgen, überschüssige Energie ins Netz einspeisen oder zusätzlichen Bedarf daraus entnehmen.Die Energiewende entscheidet sich im Heizungskeller, beim privaten und öffentlichen Hausbau oder bei der Planung städtischer Radwege genauso wie beim Bau neuer Stromleitungen, Stromspeicher und Windparks. Schon heute sind viele kleinere Erzeuger ans Netz angeschlossen, beispielsweise Fotovoltaik-Anlagen auf Hausdächern, von denen Strom ins Netz eingespeist wird. Dafür braucht es intelligente Netze, “Smart Grids”, die ein effizientes Zusammenspiel von Erzeugung, Speicherung, Netzmanagement und Verbrauch gewährleisten. Um das sicherzustellen, sind wiederum neue Mess-, Steuer- und Regelungstechniken nötig, gelenkt von modernster Software. Beispiele verdeutlichen esDie notwendigen Technologien werden bereits in Modellversuchen erprobt, sowohl in Deutschland wie auch weltweit. Das Umweltministerium in Berlin fördert seit dem vergangenen Jahr kommunale Projekte beim Einsatz modernster Technik. Einige Beispiele veranschaulichen dies:- In Ostfriesland wollen 30 Partner in einem Konsortium die nordwestdeutsche Provinz mit mehr als 30 000 intelligenten Messsystemen, Speichern und neuen Marktmodellen zu einer Vorzeigeregion entwickeln. Damit soll eine Transparenz im Energiesystem geschaffen werden, die es erlaubt, Ökostrom flexibel zu erzeugen, zu speichern und zu verbrauchen.- Eine interessante Kombination von Prosumern und Elektromobilität testet die BTU Cottbus-Senftenberg: Das Projekt nutzt verschiedene Verfahren, um überschüssigen Strom zu speichern, etwa indem er in Wärme, Kälte oder Gas umgewandelt und damit speicherbar wird. Eine Solaranlage produziert Strom, außerdem wurden auf dem Campus Ladestationen für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb geschaffen, die an das Netz angeschlossen sind. Die eingesetzten Kleinwagen sind mit Batterien ausgestattet, die nicht nur Strom aufnehmen, sondern diesen auch an das Netz zurückgeben können. Die Batterien dienen damit als mobile Zwischenspeicher, das System ist auf extreme Durchlässigkeit angelegt und in der Lage, die Stromverteilung aus dem und in das Netz sicher und flexibel zu gewährleisten.- In Krommenie, einer Kleinstadt nördlich von Amsterdam, wurde ein 70 Meter langes Stück eines Radweges mit Solarmodulen aus Silizium ausgelegt. Auf der einen Seite der Fahrbahn befinden sich die Solarzellen unter Schutzglas, auf der anderen Seite werden verschiedene Materialien und Oberflächen als Speicher getestet. Das System arbeitet besser als von den Ingenieuren erwartet, es übertrifft alle Prognosen, obwohl das Experiment im Winter begann. Im ersten halben Jahr wurde so viel Strom produziert, um einen Haushalt mit einer Person ein Jahr zu versorgen.- In Frankreich gibt es sogar eine Straße mit Solarmodulen, die von Autos befahren wird. Die einen Kilometer lange Strecke wurde in dem Dorf Touruvre-au-Perche in der Normandie gebaut und im vergangenen Dezember eingeweiht. Eine zweijährige Testphase soll zeigen, ob die gewonnene Energie reicht, um die Straßenbeleuchtung zu versorgen. Unabhängig davon hat die französische Regierung 2016 beschlossen, in den nächsten fünf Jahren rund 1 000 Kilometer Straßen mit Solarmodulen auszustatten.- Solartechnik wird mittlerweile auch bei kommerziellen Großprojekten eingesetzt. Eines der spektakulärsten ist das Solarhotel Refuge du Gouter in den französischen Alpen. Das auf einer Höhe von mehr als 3 800 Metern gelegene Gebäude ist mit 70 Quadratmetern Solarmodulen und Windkraftanlagen bestückt. Die Wasserspeicher werden mit Schnee gefüllt, den Sonnenenergie schmilzt. Das Hotel, auch architektonisch ein Hingucker, ist eines der hervorragenden Beispiele dafür, dass ein nachhaltiges Solarprojekt überall auf der Welt umgesetzt werden kann.Das Bundesbauministerium hat ein Förderprogramm für Modellhäuser aufgelegt, die deutlich mehr Energie produzieren, als sie benötigen. Die Energie soll insbesondere für die Elektromobilität zur Verfügung stehen. Ein wissenschaftliches Begleitprogramm soll Ergebnisse liefern, um das Energiemanagement von modernen Gebäuden zu verbessern und die notwendigen Komponenten für die Nutzung erneuerbarer Energien zu entwickeln.Fragen der Energieversorgung haben natürlich eine politische Dimension, das gilt ganz besonders für die Entwicklung der erneuerbaren Energien. Ohne staatliche Vorgaben, insbesondere für den Umweltschutz, und öffentliche Förderung ist der bisherige Prozess nicht denkbar. Doch mit zunehmender technischer Entwicklung und Bedeutung im Markt werden sich auch die alternativen Energien von der staatlichen Förderung emanzipieren. Mit der flächendeckenden Umstellung der öffentlichen Förderung hin zu Auktionsverfahren hat Deutschland in diesem Jahr einen wesentlichen Impuls für die marktgerechte Entwicklung gegeben. Und einen ersten Erfolg erzielt. Als die Bundesnetzagentur kurz vor Ostern das Ergebnis der ersten Auktion für den Bau neuer Offshore-Windparks bekannt gab, war das eine große Überraschung: Ein deutscher und ein dänischer Versorger setzten sich mit ihrem Angebot durch, eine Anlage in der Nordsee komplett ohne staatliche Förderung bauen und betreiben zu wollen.Damit wächst natürlich auch die Aufgabe der Banken in diesem Geschäft: Sie müssen wettbewerbsfähige Finanzierungen entwickeln und anbieten, um den Prozess der Modernisierung zu begleiten. Mit der Anpassung der Fördersysteme in der EU bieten sich für Banken neue Ansätze, sowohl bei Projekt- als auch bei Corporate-Finanzierungen. Für die HSH Nordbank zum Beispiel sind erneuerbare Energien bereits seit 30 Jahren ein Kerngeschäftsfeld. Bisher eine ErfolgsstoryAlles in allem lässt sich damit für die Energiewende resümieren: Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland ist bislang eine Erfolgsgeschichte. Damit sie es auch in Zukunft bleibt, kommt es nicht nur darauf an, modernste Technik und Software zu entwickeln, sondern auch die optimale Finanzierung anzubieten. Die Energiewende ist ein wichtiges – und lukratives – Geschäftsfeld auch für Deutschlands Banken auf der Suche nach neuen Erfolgen.—Lars Quandel, Leiter Energie & Infrastruktur der HSH Nordbank