SERIE: BANKEN IM DIGITALEN WANDEL (2)

Deutsche Bank packt Digitalisierung an

IT-Architektur steht im Fokus - Abschalten von Altsystemen soll mehr Effizienz bringen - Feuerwerk an digitalen Diensten gezündet

Deutsche Bank packt Digitalisierung an

Bei der Deutschen Bank ist die Digitalisierung von Geschäftsprozessen in vollem Gange. Branchenüblich schreitet das Privatkundengeschäft bei vielen Teilen dieser Entwicklung voran. Und auch wenn es vereinzelt zu Verzögerungen bei der Modernisierung der IT-Landschaft kommt, so hat die Bank doch schon einiges an Effizienzsteigerung erreicht. Die Produktfabrik für das beim Kunden stattfindende Frontend entwickelt derweil laufend neue Apps.bg Frankfurt – Es sind Zeiten des Aufbruchs für die Deutsche Bank. John Cryan hat das Institut als neuer Chef aus seiner Lethargie gerissen und geht strukturelle Probleme nun vehement an. Zwar stehen die Details der Strategie 2020 noch aus, doch einiges ist bereits klar. So werden gruppenweit zusätzlich 1 Mrd. Euro in die Digitalisierung investiert, nachdem zwischen 2012 und 2014 bereits erhebliche Beträge der Modernisierung der IT-Plattform zugutekamen. Ob davon jeder Euro richtig eingesetzt wurde, darf aber hinterfragt werden, nachdem Cryan dem eigenen Haus jüngst eine “antiquierte, fragmentierte IT-Plattform” bescheinigte. Operative Prozesse steuernDenn beim Umbau der IT-Landschaft geht es um grundsätzliche Fragen der Steuerung von operativen Prozessen, um eine Bank fit zu machen für den digitalen Wandel. Nur wenn im Backend alle Daten digital bereitliegen, können diese über Schnittstellen mit dem Frontend verbunden werden. Und wer wie die Deutsche Bank mit Private and Business Clients (PBC) im Massengeschäft tätig ist und mit der Automatisierung von Abläufen eine Standardisierung der im Hintergrund laufenden Bankprozesse betreibt, muss auf Kundenseite gleichzeitig eine Individualisierung im Frontend bewerkstelligen.Die Deutsche Bank will mit dem zunächst als Projekt gestarteten Plan “Next” für die vollumfängliche Digitalisierung eine Produkt- und Prozessplattform schaffen, mit deren Hilfe Effizienzhebel über Automation und Digitalisierung noch stärker genutzt werden können – ohne dabei zusätzliche Komplexität aufzubauen. Dazu gehört auch die Abschaffung von Silos, um die in der Digitalisierung von Geschäftsprozessen lauernden Effizienzgewinne zu realisieren.Und während sich eine Frontend-App recht fix entwickeln und andocken lässt, scheint die große Herausforderung im Aufrüsten von Backend (Datenhaltung) und Middleware (Applikationsserver für Aufbereitung der Daten) mit den dort anschließenden Prozessen zu liegen – nicht von ungefähr mahnte Cryan an, dass bei der Deutschen Bank manuelle Prozesse eliminiert werden müssen. Die Konkurrenz von der Commerzbank strebt bis 2020 komplett papierlose Prozesse an. Daran wird sich die Deutsche Bank in ihrer Umsetzung der digitalen Strategie messen lassen müssen. Hohe InvestitionenIm Privatkundengeschäft hat die Deutsche Bank bislang zusätzliche 200 Mill. Euro in die digitale Leistungsfähigkeit investiert, weitere rund 400 Mill. Euro sollen bis 2020 zusammenkommen. Aufgebaut wird ein volldigitalisierter Omnikanalvertrieb mit rund 500 Beratungszentren für die deutschlandweit mehr als 8 Millionen Privat- und Firmenkunden – von den noch 740 Filialen (siehe Grafik) sollen bekanntlich rund 200 geschlossen werden. Ob die in weiteren fünf europäischen Ländern bestehende Präsenz von PBC mit rund 5 Millionen Kunden aufrechterhalten wird, dahinter muss ein Fragezeichen gesetzt werden. Cryan hatte dazu recht leidenschaftlos angemerkt, die Bank werde prüfen, wie gut sich die Länderaktivitäten selbst tragen können.Was die Deutsche Bank bislang schuldig geblieben ist, sind Aussagen zur künftigen Kostenersparnis im Konzern, die sich mit Digitalisierung und Prozessoptimierung entlang der Wertschöpfungskette ergeben sollen. Klar ist, dass ein signifikanter Teil der Einsparungen aus einer effizienteren IT gewonnen werden soll, wobei neben dem Abschalten von Altsystemen auch personelle Kapazitäten aus der manuellen Betreuung der alten IT wegfallen werden. Von einer schlankeren und schnelleren Prozessabwicklung verspricht sich die Deutsche Bank eine Verbesserung des Leistungsangebots. Alle Investitionen, sei es für Controlling, Marketing oder Qualifizierung, sollen auf das Wachstums- und Differenzierungsthema Digitalisierung hin ausgerichtet werden und dem Kunden zugutekommen, so das konzernweite Motto.Mit Blick auf bereits realisierte Einsparungen ist zudem bekannt, dass die gemeinsame Service-Einheit für die blaue Filialbank und die bald scheidende Postbank bereits nicht näher zugeordnete Synergien von rund 200 Mill. Euro gebracht hat. Wobei das Zielbild im Privatkundengeschäft mit dem beratungsorientierten Omnikanalvertrieb schon recht klar ist – im Massengeschäft drängen alle klassischen Retailinstitute in diese Richtung, ohne sich dabei aber komplett vom Filialkonzept zu lösen.Christian Sewing hat als neuer Privatkundenchef der Deutschen Bank die Richtung vorgeben: Um die Kosteneffizienz zu verbessern, solle “Kostenoptimierung über Flächenoptimierung” betrieben werden. “In den urbanen Regionen werden wir sicher eine Verdichtung sehen”, präzisierte Sewing. Denn bei der Cost-Income-Ratio (Ziel: 65 %) sei man “noch nicht dort, wo wir sein wollen”. Für das erste Halbjahr weist die PBC-Sparte noch eine Cost-Income-Ratio von 74 % aus. Sewing zufolge soll für eine Verbesserung dieser wichtigen Kennziffer keinesfalls nur an der Kostenschraube gedreht werden. Der Fokus soll auch verstärkt auf die Einnahmenseite liegen – ein Blick auf die positive Entwicklung im Filialgeschäft der Commerzbank sollte auch der Deutschen Bank Hoffnung machen.Dass da was geht, hat der Konzern in den vergangenen drei Jahren gezeigt. Im Beratungsgeschäft baute die Bank die Erträge aus Investmentprodukten um 23 % aus. Die Einbußen im Einlagengeschäft von 14 % glich sie auf diese Weise aus. Dabei sei die Bank in den vergangenen zwölf Monaten mit ihren Maßnahmen beim Umbruch im Massengeschäft schon weit gekommen und gut gerüstet für den weiteren Wandel, sagte Sewing und bescheinigte damit Fortschritte bei der Implementierung digitaler Fähigkeiten.Eine Grundlage für diese Implementierung ist der Umzug auf die neue IT-Plattform Magellan. Ursprünglich als gemeinsame Plattform für Deutsche Bank und Postbank geplant, kommt es nun wegen der geplanten Abspaltung der Tochter zu einer Verzögerung. Das System muss nun in ein anderes Umfeld passen. Einzelne Elemente müssen dazu neu programmiert werden.Eigentlich sollten alle erforderlichen Daten noch in diesem Jahr komplett übertragen werden, doch das dürfte nun erst 2016 gelingen. Das ist kein Beinbruch, hat Magellan doch bislang alle Ziele erreicht. Im Frühjahr wurde auf einem Bankenkongress unter anderem noch von der Migration aller Sparkonten, der Einführung einer multikanalfähigen Frontend-Technologie sowie der Abschaltung von Altsystemen berichtet – ausstehend waren noch die Migration von Zahlungsverkehr und Kontokorrent sowie die Vollendung der Kernbankenplattform als Grundlage für alles, was “Next” verkörpert.Dabei ist Magellan als IT- und Service-Plattform zentraler Bestandteil der Digitalisierung in PBC. Die komplette Aufschaltung dieses Systems soll Skalierbarkeit bringen und jene Komplexität beseitigen, die sich über viele verschiedene Systeme aufgebaut hatte – das heterogene IT-Gebilde im Konzern war einer der zentralen Kritikpunkte von Cryan. Wobei die Deutsche Bank ihre IT-Landschaft so aufgestellt hat, dass einzelne Bereiche sich mit IT-Konzernen für die Modernisierung verpartnert haben. So geschehen zuletzt im Groß- und Firmenkundengeschäft, das mit Hewlett-Packard ein milliardenschweres, auf zehn Jahre angelegtes Projekt vereinbarte, das mit neuer Plattform die Grundlage für die nächste Phase der Digitalisierung schaffen solle. IBM sorgt seit Jahren für den Betrieb der Rechenzentren im Privatkundengeschäft, auf der Software-Seite kam SAP zum Zug, während im Transaction Banking Tata Consultancy Services 2010 den Zuschlag erhielt.Aber: Insellösungen taugen möglicherweise nicht für die heute geforderten integrierten Systemlandschaften. Allein die aufsichtsrechtlichen Anforderungen wie jene an das Risikomanagement (MaRisk) bedürfen einer integrierten IT zur Konzernsteuerung, um den Aufsehern Daten in der gewünschten Frequenz und Qualität zu liefern. Es scheint, als wolle Cryan hier grundsätzlich den Hebel bei der IT-Architektur ansetzen. Basis gelegtAllen Unkenrufen zum Trotz kann die Deutsche Bank aber schon einiges auf der Habenseite verbuchen. Vieles spielt sich auf dem Frontend direkt beim Kunden ab, also auf dem Desktop, Tablet, Smartphone oder auch auf der Apple Watch. All das kann die Deutsche Bank nur leisten, weil sie die vergangenen Jahre bereits einige Basisinvestitionen geleistet hat.Dass die Produktfabrik für das Frontend läuft, wird über eine Flut an Meldungen zu Apps dokumentiert – kein Bereich, der nicht eine mobile Anwendung für seine Kunden ins Rennen schicken kann. Allein in diesem Jahr kommen in PBC mehr als 70 neue digitale Services, es gibt jeden Monat einen Roll-out neuer Anwendungen. Zu den bereits bestehenden Angeboten gehört als Neuheit von PBC für kleinere Firmen ein “Finanzplaner-Business”. Mit dem Fingerprint-Login im Mobile Banking war die Bank Ende 2014 ganz vorn dran, die Mobile-Banking-App wurde schon 1,1 Millionen Mal installiert. Zur Einführung der Apple Watch veröffentlichte die Bank eine speziell entwickelte Version der “Meine Bank”-App. Im Zahlungsverkehr von PBC werden jährlich mehr als 100 Mrd. Euro über die Online-Dienste abgewickelt, mehr als 40 % der Zugriffe im Online-Banking erfolgen über mobile Endgeräte – und noch in diesem Jahr soll die Marke von 50 % als Meilenstein erreicht werden, hofft man bei PBC. Big Data sicher gestaltenAußerdem steht noch auf der Agenda, dass der Datenpool in der Bank viel besser genutzt werden könnte. Keine andere deutsche Bank flirtet so aktiv mit dieser Idee rund um die Schlagworte “Big Data”, und “Smart Data” – allerdings bewegt man sich auf vermintem Gelände, wenn penibel regulierte Banken mit internen Daten jonglieren. Mit Einverständnis des Kunden dürften Big-Data-Verfahren für Info-Services aber wohl eingesetzt werden, sofern sichergestellt ist, dass die Daten in der Bank bleiben. Die Institute müssen mit “Big Data” extrem vorsichtig umgehen, dürfen doch keinerlei Kundendaten in fremde Hände gelangen. In Bankenkreisen wird gerne an den Fauxpas der Hamburger Sparkasse (Haspa) erinnert, die vor fünf Jahren mit einem Bußgeld belegt wurde, weil externen Beratern der Zugriff auf Daten von Kunden ohne deren Wissen gewährt wurde. So etwas darf freilich nicht passieren.—-Bisher erschienen:- Einleitung – Im Rhythmus der Revolution gehen