Deutsche Bank und Commerzbank stürzen ins Bodenlose

Kursverfall an der Börse hält unvermindert an - Dies liegt nicht nur am widrigen Marktumfeld - Investoren tappen im Dunkeln

Deutsche Bank und Commerzbank stürzen ins Bodenlose

Von Bernd Neubacher, FrankfurtEnde April war die Erleichterung im Markt mit Händen zu greifen, als Deutsche Bank und Commerzbank nach wochenlangen Gesprächen über eine Fusion ihre Verhandlungen abbliesen. Knapp vier Monate später sieht es fast so aus, als könnten dereinst jene Beobachter recht behalten, die schon damals unkten: In wenigen Jahren dürfte die Erkenntnis gereift sein, dass sich beide Banken mit Beendigung ihrer Gespräche im April 2019 ihrer letzten Chance beraubten, den Branchengiganten aus den USA und China überhaupt je noch einmal Paroli bieten zu können. Dass der Markt das Eingeständnis der Verhandlungspartner, die Risiken eines Zusammengehens nicht schultern zu wollen, honoriert hat, lässt sich jedenfalls nicht gerade behaupten. Die Talfahrt geht weiterSeit Ende der Fusionsgespräche ist der Kurs der Deutschen Bank um nochmals 23 % gefallen, davon 18 Prozentpunkte allein seit Ankündigung des Abbaus von 18 000 Stellen Anfang Juli. Die Titel der Commerzbank sind offenbar infolge weichender Übernahmefantasie gar um rund 40 % abgeschmiert. Die Talfahrt geht weiter. Nach einem Rekordtief zur Wochenmitte schlossen Anteilscheine der Commerzbank am Donnerstag 1,9 % tiefer, Deutsche-Bank-Aktien verloren 2,7 %.Hört man sich in beiden Häusern um, wird die Kurs-Baisse dort ausschließlich mit externen Faktoren erklärt. Sicher: Die sich verfestigende Perspektive einer neuerlichen Lockerung der Geldpolitik hat den Kursen beider Häuser nicht geholfen, die jüngst aufkommenden Rezessionsängste greifen den Notierungen ebenfalls kaum unter die Arme. Nichts anderes gilt auch für den eskalierenden Handelsstreit und die politische Unruhe in Argentinien.Dennoch sind die Ursachen der Misere weniger in Lateinamerika, sondern eher in den Frankfurter Vorstandsetagen beider Häuser zu suchen. Auch die Anleger differenzieren: So hat der Stoxx-Branchenindex der Banken in Euroland, die sich derzeit ebenso in einem widrigen Umfeld bewegen wie die beiden größten deutschen privaten Finanzinstitute, seit Ende der Fusionsgespräche um gerade einmal 13 % nachgegeben. Verunsicherung ist komplettDie Skepsis der Investoren gegenüber Deutscher Bank und Commerzbank kann kaum verwundern. Denn die Unwägbarkeiten im Umfeld beider Häuser machen nur eine Unsicherheit perfekt, die auch mit Blick auf jede der beiden Banken grassiert. So tappen die Anleger zum Beispiel hinsichtlich der Strategie der Häuser weitgehend im Dunkeln. Auch wenn die Deutsche Bank erst im vergangenen Monat eine strategische Neuausrichtung angekündigt hat – Details will sie auf einem Investorentag nachliefern, der bis zum Frühwinter auf sich warten lassen sollte. Die Commerzbank wiederum wird im Herbst eine neue Strategie präsentieren, nachdem vor allem das Zinstief bereits die Ziele ihrer jeweils für 2016 sowie für 2020 ausgerufenen Strategien Makulatur hat werden lassen. Rätseln müssen potenzielle Aktionäre der beiden Großbanken auch in der Frage, wie viel Eigenkapital beide Institute künftig benötigen werden. Zwar erklärte die EU-Bankenbehörde European Banking Authority (EBA) bereits im Juni, dass der Abschluss der Kapitalregeln Basel III die Risikoaktiva von Europas Großbanken um 25 % steigen lassen wird. Deutsche Bank und Commerzbank haben es bislang gleichwohl nicht für nötig befunden, ihren Aktionären auch nur ungefähr mitzuteilen, wie stark die Reform in ihrem Hause ins Kontor schlagen dürfte.Im Falle der Commerzbank steht zudem noch das Ergebnis einer Überprüfung ihrer bankinternen Modelle durch die Europäische Zentralbank (EZB) aus, das die Gesellschaft nochmals rund 20 bis 30 Basispunkte Kapitalquote kosten könnte. In den Sternen steht ferner, wie weit der von der ING wechselnde und im kommenden Januar startende Manager Roland Boekhout die schwächelnde Firmenkundensparte des Hauses nach vorn bringen kann. Da müssen nicht einmal grundsätzliche Zweifel der Investoren am Geschäftsmodell oder an der Fähigkeit des Managements, die Bank ausreichend profitabel zu machen, bestehen, um den Kurs ins scheinbar Bodenlose fallen zu lassen. Groteske RelationenBis auf Weiteres geht es für die Banken mithin nicht darum, sich Gedanken um den Abstand auf die globalen Marktführer hinzugeben, sondern vor allem gilt es, einen Kursverfall zu stoppen, der den Instituten auch auf lange Sicht die Option nimmt, an der Börse nochmals Eigenkapital aufzunehmen.Längst haben sich die Bewertungsrelationen der Institute, die an der Börse jeweils gerade noch 21 % ihres Buchwerts auf die Waage bringen, auf groteske Weise verschoben. So ist die Commerzbank-Aktie nach den jüngsten Kursverlusten der zurückliegenden Wochen selbst angesichts einer für 2019 geplanten Mini-Ausschüttung von nur 20 Cent mit einer Dividendenrendite von gut 4 % fast schon wieder für wertorientierte Anleger eine Überlegung wert.Bei Kursen von unter 5 Euro wie derzeit könnte der Kauf einer Commerzbank-Aktie zudem schon wegen der damit verbundenen Einladung zur Hauptversammlung attraktiv wirken – auf der jüngsten Aktionärsversammlung, die im Mai schwer harmonisch über die Bühne ging, wurde Kartoffelsuppe gereicht, mit und ohne Fleischeinlage. Für die 4,72 Euro, mit denen Commerzbank-Aktien am Donnerstag aus dem Xetra-Handel gingen, bekommen Anleger zum Beispiel im Frankfurter Lokal “Suppengrün” derweil nicht einmal eine kleine Portion “Wurzelgemüsesuppe”. Gigantische VerwässerungAuf lange Sicht wirkt die Kurs-Performance im Fall der gelben Bank ohnehin noch deutlich besser, als sie es ist. Die Verwässerung der Aktionäre seit dem Höhepunkt der Krise ist gigantisch. Wie sich schon länger engagierte Anteilseigner noch sehr gut erinnern werden können, hatte die Bank, um Hilfen des Staates zu tilgen, 2011 zunächst den Nennwert ihrer Aktien von 2,60 Euro aufs regulatorische Minimum von 1 Euro reduziert und zugleich die Zahl ihrer Anteilscheine deutlich erhöht, um ihre Aktien zwei Jahre später im Verhältnis von 10:1 zusammenzulegen. Um den Reverse Split 2013 bereinigt, ergibt sich für die Commerzbank gegenüber 2007 ein Kursverlust von über 98 %. Im Falle der Deutschen Bank sind es rund 94 % – Grund genug, sich jenseits eines widrigen Marktumfelds wie derzeit Gedanken zu machen.