Deutsche Börse greift bei 360 T und Stoxx zu
Zwei Übernahmen stemmt die Deutsche Börse. Für 725 Mill. Euro übernimmt sie die Frankfurter Devisenhandelsplattform 360 T. Zudem kauft sie für umgerechnet 615 Mill. Euro den Anteil der Schweizer Finanzplatzholding Six Group am Indexanbieter Stoxx.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtGleich zwei Übernahmen hat die Deutsche Börse bekannt gegeben. Zum einen kauft sie die Devisenhandelsplattform 360 T für 725 Mill. Euro. Zum anderen ist sie sich jetzt mit der eidgenössischen Finanzplatzholding Six Group über die Übernahme des Schweizer Anteils am Indexanbieter Stoxx einig geworden.Für die restlichen 49,9 % an Stoxx sowie die 50,1 % an dem kleineren Indexberechner Indexium zahlt die Deutsche Börse 650 Mill. sfr bzw. umgerechnet 615 Mill. Euro an die Six Group. Die Transaktion erfolgt zum 31. Juli, teilte die Six mit. Das globale Indexgeschäft gehöre nicht zum Kernauftrag der Six Group, die sich im Besitz aller schweizerischen Banken befindet. Die Rechte an den Schweizer Aktienindizes wie dem SMI blieben bei Six Group. Blick aufs RatingZu 360 T heißt es in einer Pressemitteilung der Deutschen Börse, eine entsprechende Übereinkunft sei von dem Frankfurter Marktbetreiber und den Aktionären von 360 T, darunter der Private-Equity-Firma Summit Partners, unterzeichnet worden. Es handelt sich um den größten Zukauf der Deutschen Börse seit 2007. Damals hatte sie 2,8 Mrd. Dollar für die amerikanische Optionsbörse International Securities Exchange (ISE) ausgegeben. Seither hatten die Deutschen aber große Beträge auf die ISE abschreiben müssen.Die 360 T-Übernahme soll durch “eine Kombination von Fremd- und Eigenkapital” finanziert werden, wobei die Börse dabei erklärtermaßen Wert darauf legt, ihre Credit Ratings so wenig zu beeinträchtigen wie möglich. Dies ist mit Blick den konzerneigenen Wertpapierverwahrer Clearstream von großer Bedeutung. Die Stoxx-Transaktion soll durch vorhandene Barmittel und über kurzfristige Commercial Papers zwischenfinanziert werden. Zur langfristigen Finanzierung plane die Börse die Begebung einer Hybridanleihe. Erhebliche SynergienDie Transaktion, die noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Aufsichtsbehörden steht, soll sofort nach Vollzug zum operativen Cashflow beitragen, und zwar bereits ohne die Einrechnung von Synergien. Bei Realisierung des Synergiepotenzials würden mittelfristig marktgängige Zielwerte bei der Rendite auf die Investition erreicht, heißt es in der Pressemitteilung. Es ließen sich mittelfristig Erlössynergien in “erheblichem” zweistelligem Millionenbetrag realisieren.Die Börse hat sich damit gegen den amerikanischen Wettbewerber CME Group durchgesetzt, der 360 T ebenfalls schlucken wollte, um so eine Europaexpansion zu beschleunigen. Die Deutsche Börse hat tief in die Tasche greifen müssen, um die CME auszustechen. Denn ursprünglich war über einen Kaufpreis zwischen 650 und 700 Mill. Euro spekuliert worden. Für die Deutsche Börse stellt der Erwerb eine weitere Diversifizierung ihrer Aktivitäten dar. Der Deutschen Börse könnte in die Hände spielen, dass Regierungen und Regulatoren daran interessiert sind, auch den Devisenhandel weltweit auf etablierte Plattformen zu heben, was ihre Kontrollmöglichkeiten verbessert. Nummer 3 im Markt360 T gilt als eine äußerst erfolgreiche Devisenhandelsplattform. Ihr Anteil am weltweiten Devisenhandel, der auf ein tägliches Volumen von 5 Bill. Dollar kommt, wird auf 15 % geschätzt. Über die Plattform wurden im Jahr 2014 täglich Transaktionen im Volumen von durchschnittlich 90 Mrd. Euro abgewickelt. Damit ist sie weltweit die drittgrößte Devisenplattform – nach Marktführer FX all von Thomson Reuters mit 37 % und FX Connect von State Street mit 16 %. Im vergangenen Jahr wurde 360 T von der Fachpublikation “FX Week” als beste professionelle Plattform für den Devisenhandel ausgezeichnet.360 T wurde im Jahr 2000 von dem ehemaligen Dresdner-Kleinwort-Banker Carlo Kölzer und einigen Freunden gegründet. Der erste Server soll auf einer Bierkiste in einem kleinen Büro oberhalb eines griechischen Restaurants gestanden haben. Zur Jahrtausendwende lief der Devisenhandel meist noch über Telefon, während 360 T damit begann, die Treasury-Abteilungen von großen Unternehmen und die Banken mit einer elektronischen Plattform zu verbinden. Inzwischen sollen 29 von 30 Dax-Unternehmen Devisenhandel über 360 T betreiben, wobei die Deutsche Lufthansa 2002 den Anfang machte. Über 360 T können die Konzerne bei mehreren Banken nach den aktuellen Konditionen für Währungstransaktionen anfragen, was den Treasury-Abteilungen die Tätigkeit deutlich erleichtert. Neben Frankfurt ist 360 T mittlerweile mit eigenen Büros in New York, Singapur, Mumbai und Dubai vertreten. Kooperation seit 2013360 T und die Deutsche Börse arbeiten bereits zusammen. Seit 2013 können Corporate Treasurer besicherte Geldmarkttransaktionen, also Repo-Geschäfte, über 360 T abwickeln. Die Handelsplattform kooperiert dabei mit Clearstream. Die Tochter der Deutschen Börse offeriert seit einigen Jahren sogenannte Triparty-Repo-Geschäfte. Aus den roten Zahlen soll 360 T bereits 2004 herausgekommen sein. 2009 stieg der Frankfurter Mittelstandsinvestor Brockhaus Private Equity mit 24 % der Anteile ein. Seit 2012 gehört 360 T mehrheitlich der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Summit Partners. Damals soll der Kaufpreis bei 200 Mill. Euro gelegen haben. Kölzer, der heute noch als Chief Executive Officer fungiert, hielt bis zum aktuellen Verkauf noch 9 % an der Plattform. Entflechtung vollzogenMit der Komplettübernahme von Stoxx und Indexium ist die Entflechtung der Beziehungen zwischen Deutscher Börse und der Six Group weitgehend abgeschlossen. Stoxx mit Sitz in Zürich wurde im Februar 1998 gegründet. Bis zum Jahr 2009 war mit dem amerikanischen Indexanbieter und Finanzinformationsdienstleister Dow Jones ein weiterer Partner mit im Boot. Die Amerikaner stiegen jedoch 2009 aus. Die ersten beiden Indizes des Gemeinschaftsunternehmens waren der Euro Stoxx 50 als Blue-Chip-Index für die 50 größten börsennotierten Unternehmen der Eurozone und der Stoxx Europe 50 als sein Pendant für die 50 größten Unternehmen Europas. Wegen der Vielzahl an Indexfonds auf den Euro Stoxx 50 hat sich der Index als eine Erfolgsgeschichte erwiesen. Wie andere große Indexvermarkter auch hat Stoxx inzwischen eine fünfstellige Zahl von Indizes im Angebot. Wegen der wachsenden Zahl von Indexfonds und der steigenden Summen, die diese unter Verwaltung haben, gibt es derzeit einen regelrechten Boom im Indexgeschäft.