GASTBEITRAG

Deutsche Großbanken vergeben große ökonomische Chancen der Nachhaltigkeit

Börsen-Zeitung, 19.4.2016 Angesichts des international immer strikteren Rechtsregimes bei Umwelt- und Sozialthemen, vor allem schließlich seit der erfolgreichen COP21-Konferenz in Paris, wird deutlich, dass die Wirtschaftsunternehmen von Politik und...

Deutsche Großbanken vergeben große ökonomische Chancen der Nachhaltigkeit

Angesichts des international immer strikteren Rechtsregimes bei Umwelt- und Sozialthemen, vor allem schließlich seit der erfolgreichen COP21-Konferenz in Paris, wird deutlich, dass die Wirtschaftsunternehmen von Politik und Gesellschaft immer mehr zu einer nachhaltigen Geschäftsausrichtung gedrängt bzw. gezwungen werden; sie sollen dadurch systematischer und intensiver ihren notwendigen Beitrag zum globalen gesamtgesellschaftlichen Prozess der nachhaltigen Entwicklung leisten. Die europäische CSR-Berichtspflicht ab 2017 ist hier nur ein kleines Element dieses immer enger gesponnenen internationalen Regulierungsnetzwerks.In der Tat erweist sich zwischenzeitlich die Übernahme unternehmerischer Verantwortung bei vielen Unternehmen als Ausdruck eines zukunfts- und erfolgsorientierten Managements. Dies wird vermutlich nicht nur an der Befolgung eines gesellschaftlich-moralischen Imperativs liegen, sondern auch an der ökonomischen Vorteilhaftigkeit einer nachhaltigen Unternehmensführung. Sie lässt sich branchenübergreifend an vier Punkten festmachen:1. Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen erzielen höhere Marktbewertungen2. Sie stellen für Investoren ein geringeres Risiko dar, bei einigen gelten sie sogar als grundsätzlich gut geführt3. Nachhaltige Unternehmen verfügen über ein höheres Reputationskapital und sie sind resilienter gegenüber disruptiven Marktveränderungen.4. Sie gelten im Wettbewerb um aktive und neue Mitarbeiter als die attraktiveren Arbeitgeber.Banken sind in doppelter Hinsicht von dieser Einschätzung betroffen, nämlich als Stakeholder-abhängige Institutionen sowie als Kreditgeber und Investoren, die nachhaltige Unternehmen – vorwiegend aus Risikogründen – bei der Finanzierung bevorzugen. Es gibt also sehr gewichtige strategische Gründe, warum Bank-CEOs das Thema Nachhaltigkeit ständig und prominent auf ihrer Agenda haben sollten. Strategische VorteileDoch wie ist es um die Nachhaltigkeitsleistung der Banken in Deutschland angesichts dieser strategischen Gestaltungsvorteile tatsächlich bestellt? Wie berichten sie darüber und wie werden sie von anerkannten Spezialorganisationen öffentlich bewertet? Bei dieser Betrachtung muss zumindest zwischen Großbanken sowie den öffentlich-rechtlichen Sparkassen und den genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken (VR-Banken) differenziert werden.Die deutschen Großbanken (private, öffentlich-rechtliche, DekaBank und Landesbanken, DZ Bank und große VR-Verbundsinstitute etc.) veröffentlichen in aller Regel einen eigenen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht bzw. werden in einem Konzern-Nachhaltigkeitsbericht berücksichtigt. Fast alle Großbanken werden von mindestens zwei Nachhaltigkeits-Ratingagenturen bewertet, zwei Institute (Commerzbank und Deutsche Bank) sogar von sechs bzw. sieben Organisationen.Die Nachhaltigkeitsleistung der Großbanken wird häufig von oekom research eingeschätzt, einer deutschen international operierenden Nachhaltigkeits-Ratingagentur. Dabei erhalten die meisten der bewerteten Banken den begehrten Prime-Status, also die Note C oder besser, die HypoVereinsbank zum Beispiel durchgängig bereits im 14. Jahr. Zum Prime-Status muss man allerdings wissen, dass auf der 12-stufigen Skala von “A+” (excellent) bis “D-” (poor) der Prime-Threshold bei “C” liegt, dies erscheint nicht besonders anspruchsvoll.Die Folgen des Klimawandels werden bereits seit einigen Jahren von den Finanzmärkten zu den größten strategischen Risiken der Unternehmen gezählt. Deshalb lassen über 800 der größten institutionellen Investoren weltweit (verwaltetes Vermögen: 95 000 Mrd. Dollar) die Klimastrategien der großen Unternehmen regelmäßig analysieren. Die gemeinsame Bewertungsplattform CDP (ehem. Carbon Disclosure Project) veröffentlicht jährliche Climate Change Reports, in denen die Klimastrategien von knapp 2 000 in der Regel börsennotierten Konzernen bewertet und in Rankings gegossen werden. Im regionalen DACH 350 Report werden nur die Deutsche Bank und die Commerzbank in den Climate Disclosure Leadership Index aufgenommen, der die Vollständigkeit und damit Nutzbarkeit der bereitgestellten Klimadaten misst. US-Häuser führendIm eigentlich relevanten Climate Performance Leadership Index (A-List) sind beide Institute allerdings nicht vertreten, da die Qualität der Berichterstattung in Verbindung mit der erbrachten Managementleistung (CO2-Reduzierung) nicht ausreicht. International spielen die Klimastrategien deutscher Banken keine Rolle, hier sind US-amerikanische und andere europäische Institute führend.Die Nachhaltigkeitsleistung der rund 1 500 Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland lässt sich annähernd einheitlich beschreiben: Kaum ein Institut veröffentlicht einen Nachhaltigkeitsbericht oder erhält ein Nachhaltigkeits-Rating. Die Websites aller Sparkassen und VR-Banken dokumentieren die völlige Ignorierung des CSR-Begriffs (oder CSR wird mit Corporate Citizenship verwechselt) und die vollständige Fokussierung auf den Bereich “Engagement”. Dieser besteht hauptsächlich aus der finanziellen Unterstützung von Kultur-, Bildungs-, Integrations- und Sportprojekten. Diese sehr einseitige Außendarstellung mag einer Kommunikationsschwäche der überwiegend kleinen Institute geschuldet sein, letztlich ist aber tatsächlich nicht erkennbar, ob Nachhaltigkeit auch das Kerngeschäft der Sparkassen und VR-Banken erreicht, also zum Beispiel das Kreditgeschäft oder die Anlageberatung. Damit ist eine Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung dieser lokal agierenden Institute nicht möglich. Möglicherweise wird sich dies aber zumindest bei den Sparkassen künftig ändern. 2013 ist nämlich im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Rat für Nachhaltige Entwicklung und dem DSGV eine Berichtssystematik für publizitätswillige Sparkassen entstanden mit 60 Indikatoren, die sich u.a. am Deutschen Nachhaltigkeitskodex orientieren.Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Großbanken in Deutschland berichten ausführlich über ihre Nachhaltigkeitsleistung und darüber, wie sie von den Rating-Organisationen gesehen werden. Bei der Bewertung der Nachhaltigkeitsqualität erreichen sie bei oekom research zwar durchweg den Prime-Status, hier kommen ihnen allerdings der relativ niedrige Prime-Threshold und die Tatsache zugute, dass die grundsätzlich schlecht aufgestellte Bankenbranche aufgrund des verwendeten Best-in-Class-Ansatzes unverhältnismäßig gut abschneidet. Bei der Bewertung ihrer strategisch zunehmend wichtigen Klimastrategien schaffen es die deutschen Großbanken nicht bis in die internationalen CDP-Rankings. Bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist – bis auf wenige Ausnahmen – der strategische Managementansatz einer nachhaltigen Unternehmensführung, also Nachhaltigkeit auch ins Kerngeschäft zu bringen, noch nicht wirklich angekommen. Die extrem starke Fokussierung auf die gesellschaftlichen Aspekte von Nachhaltigkeit ist allerdings durch öffentlichen Auftrag und genossenschaftliche Selbstverpflichtung systemimmanent; in den Ökologiethemen und in der Nachhaltigkeitsintegration ins Kerngeschäft liegen allerdings noch enorme Entwicklungsmöglichkeiten. Potenzial vorhandenNachhaltigkeitsorientierte Geschäftsstrategien bieten grundsätzlich umfangreiche ökonomische Vorzüge, zudem versetzen sie die reputationsgeschädigte Bankenbranche in die Lage, sich die dringend benötigte Licence to Operate zurückzuverdienen. Bank-CEOs sollten sich endlich ernsthaft entschließen, Nachhaltigkeit zu ihrer strategischen Leitidee zu erheben, erhebliches Potenzial zur Optimierung von Wert, Risiko und Reputation ist nachweislich vorhanden.—-Thomas Schulz, Inhaber BNU Beratung für Nachhaltige Unternehmensführung