Deutsche Haushalte sind Niedrigzins-Opfer

CFS-Studie: Über fünf Jahre gehen Anlegern netto 59 Mrd. Euro an Zinserträgen verloren

Deutsche Haushalte sind Niedrigzins-Opfer

bg Frankfurt – Keiner weiß, wie lange das Niedrigzinsumfeld noch anhalten wird. Die Auswirkungen auf die Vermögenssituation der deutschen Sparer lassen sich aber sehr wohl kalkulieren. Dieser Aufgabe hat sich nun das Center for Financial Studies (CFS) im Auftrag von Union Investment angenommen. Das Ergebnis: Der Bruttoeffekt entgangener Zinseinnahmen beträgt unter Annahme eines um 2 % niedrigeren Zinsniveaus (gegenüber dem langfristigen Durchschnitt) in fünf Jahren mehr als 200 Mrd. Euro auf die gesamten Spareinlagen. Pro Haushalt wären das mehr als 5 600 Euro.Da sich für die Vermögenslage aber auch positive Effekte ergeben wie etwa geringere Kreditzinsen bei der Immobilienfinanzierung, haben die Wissenschaftler auch den Nettovermögenseffekt beziffert. Da reduziert sich die Einbuße doch signifikant auf knapp 60 Mrd. Euro – das ist nicht mal ein Drittel der Bruttosumme. Pro Haushalt ergibt sich ein Nettoverlust von 1 586 Euro. Sparer bleiben sturWas diese Zahlen für die private Altersvorsorge bedeuten, liegt auf der Hand. Die nominal und real niedrigere Verzinsung geldnaher Anlagen führt dazu, dass Sparer heutzutage früher und auch mit einem höheren Betrag anfangen müssten zu sparen, um den gewünschten Lebensstandard im Alter zu erreichen. Eine solche Verhaltensänderung sei aber derzeit noch nicht zu beobachten, da die Konsumquote eher steigt, so die Autoren der Studie. Da die reale Verzinsung von Spareinlagen im langfristigen Durchschnitt nur knapp über der Nulllinie liege, sei ein realer Vermögensaufbau (also unter Berücksichtigung der Inflationsrate) mit geldnahen Anlageformen alleine kaum darstellbar, lautet das Fazit.Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, sieht deshalb die Finanzdienstleister gefordert, mit ihren Produkten “Brücken in höher rentierliche Anlagen zu bauen, aus denen der Privatanleger unterstützt durch eine gute Beratung das für ihn Passende wählen kann”. Bei Anlegern müsse ein Umdenken stattfinden, fordert Reinke: “Wenn in einem neuen Umfeld alte Muster nicht mehr greifen, braucht es Veränderungen.”Denn private Haushalte in Deutschland sind beim Vermögensaufbau in doppelter Hinsicht vom Niedrigzins betroffen: direkt über ausbleibende Zinserträge und indirekt über geringere Renditen bei Anlageprodukten etwa für die Altersvorsorge. Uwe Walz, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Goethe-Universität Frankfurt und Leiter der Analyse, erwartet, dass die gegenwärtig niedrigen Zinsen nicht nur ein kurzfristiges, sondern ein potenziell langfristiges Phänomen sein werden. Für die kommenden drei bis fünf Jahre seien niedrige reale Zinsen am kurzen und langen Ende sehr wahrscheinlich. Der Realzins, also der Zins nach Abzug der Inflation, werde sich weiter in einer Spanne von 0 bis 2 % bewegen, was weit unter dem Durchschnitt der Nachkriegszeit liege. Für die Altersvorsorge bedeuten diese Zinseffekte zwingend höhere Sparquoten und ein verändertes Anlageverhalten.Zudem sind Anleger/Investoren auch als Kunden der Lebensversicherer vom Niedrigzins betroffen. So könne doch mit einer Anhebung der Garantieverzinsung selbst bei steigenden Zinsen auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden, ist aufsichtlich eine verbesserte Solvenz der Lebensversicherer doch prioritär.