Deutsche Nebenwerte gehören in jedes gemischte Depot
In den letzten Jahren sind Anleger mit Nebenwerten (Small und Mid Caps) gut gefahren. Deutsche Nebenwerte schnitten, die Finanzkrise ausgenommen, seit dem Jahr 2000 in zwölf Jahren sogar besser ab. Dies hat strukturelle Gründe: Die kleinen Unternehmen sind oft inhabergeführt und verfolgen eine langfristige und vor allem nachhaltige Unternehmensstrategie. Außerdem fokussieren sie sich auf eine bestimmte Marktnische und besetzen dort meist marktführende Positionen.In der Summe äußert sich dies in überlegenen Finanzkennzahlen. Small und Mid Caps sind oft weniger verschuldet, profitabler und eigenkapitalstärker. Diese Argumentationskette wird von vielen Anlegern geteilt. Kritiker wenden dagegen immer wieder ein, dass ein Investment in Nebenwerte mit höheren Risiken verbunden sei. Welche könnten hier gemeint sein?Wir unterscheiden zwischen Unternehmensrisiko und finanzmathematischem Risiko in Form der Volatilität. Blicken wir zuerst auf das Unternehmensrisiko. Viele kleine Unternehmen haben wenige Produkte in ihrem Portfolio. Das kann sich immer dann nachteilig auswirken, wenn zum Beispiel ein wichtiger Markttrend verpasst oder ein wichtiges Produkt weniger nachgefragt wird. Ein Investment in ein kleines Unternehmen kann aber genauso eine Chance sein, wenn sich dieses Unternehmen langfristig gut in “seinem” Markt positioniert.Dazu muss die Qualität des Geschäftsmodells ausreichend analysiert werden: Wie einfach ist das Geschäft zu verstehen? Gibt es die Produkte in zehn Jahren noch? Wie hoch ist die Wettbewerbsintensität innerhalb der Branche? Einfache Geschäftsmodelle sind gegenüber komplexen ebenso klar zu bevorzugen wie marktführende Unternehmen in einer speziellen Marktnische. Schließlich zeigt unsere Analyse der Kennzahlen zum deutschen Aktienmarkt, dass die Small und Mid Caps zu den ertrags- und eigenkapitalstärksten Unternehmen gehören. Das unternehmerische Risiko bei kleinen Unternehmen ist somit nicht, wie von Kritikern eingewandt, pauschal höher als bei den großen Standardwerten.Zutreffend ist jedoch, dass Small und Mid Caps gerade in Krisenzeiten stärker schwanken als die Standardwerte. Sobald die Nervosität an den Aktienmärkten steigt, werden diese schneller verkauft, wodurch die in vielen Fällen geringere Liquidität den Kursdruck verstärkt. Oftmals flüchten Anleger dann in “sichere” Anlageklassen.Aber wie sieht es dann mit den finanzmathematischen Risiken aus? Hier müssen Anleger auf das Gesamtrisiko schauen: Es gilt, der Frage nachzugehen, wie sich die Portfolio-Volatilität verändert, wenn Nebenwerte beigemischt werden.Die Linie mit den blauen Punkten beschreibt ein Portfolio aus Dax-Wertpapieren und fünfjährigen Bundesanleihen. Oben rechts angefangen, ist der Anleger zu 100 % am Aktienmarkt engagiert, während er unten links zu 100 % am Rentenmarkt investiert ist. Zwischen den Endpunkten sind je nach Anlegervorstellung unterschiedliche Gewichtungen in Dax- bzw. Renten-Wertpapieren möglich. Daraus resultiert eine Rendite-Risiko-Kombination, die sich, je nach dem “Mischungsverhältnis” der Dax- und Rentenpapiere, aus der wechselseitigen Korrelation und der Volatilität dieser beiden Assetklassen ergibt.Die gleiche Untersuchung kann durchgeführt werden, indem die historische Zeitreihe des Dax durch ein Portfolio ersetzt wird, in dem den Large Caps deutsche Nebenwerte beigemischt werden. In diesem Fall ergibt sich, wie die Linie mit den roten Punkten im Schaubild zeigt, sogar ein attraktiveres Rendite-Risiko-Profil. Der Anleger verbessert nicht nur seine Renditechancen; er reduziert, wie Kritikern entgegengehalten werden kann, auch noch sein Portfoliorisiko. Positiver DiversifikationseffektWoher kommt der positive Diversifikationseffekt? Die großen Dax-Papiere sind oft auf viele unterschiedliche Industrie- und/oder Marktsegmente sowie Produktbereiche innerhalb eines Segments ausgerichtet und deshalb per se diversifiziert. Im Gegensatz dazu haben sich die kleinen Unternehmen häufig auf eine Nische spezialisiert. Je mehr spezialisierte Unternehmen in ein Portfolio aufgenommen werden, desto größer sollte die Diversifizierung sein.Das zeigt sich auch in deutlich komplexeren Simulationsmethoden, in denen wir auf Basis historischer Korrelationen und Volatilitäten sowie realistischer Erwartungen über Bootstrapping-Methoden Tausende möglicher Pfade für die potenzielle Entwicklung von Multi-Asset-Portfolien gerechnet haben. In einem Fall wurde die Quote von 40 % für europäische Aktien komplett über den Euro Stoxx 50 abgedeckt, im anderen Fall über eine Mischung aus MDax und Euro Stoxx 50 mit jeweils 20 %. US-Aktien waren in beiden Fällen mit 10 % über den S & P 500 vertreten, während die Rentenseite in beiden Fällen identisch über globale Staatsanleihen sowie Unternehmensanleihen diversifiziert war. Ergebnis mag erstaunenDas Ergebnis der Simulationen mag erstaunen, denn es zeigt sich, dass mit der Beimischung von deutschen Nebenwerten das Portfoliorisiko bei gleicher Ertragserwartung tatsächlich gesenkt werden kann. Das drückt sich in einer leicht geringeren Volatilität aus, aber vor allem in geringeren Draw-downs, die den maximalen potenziellen Wertverlust beschreiben.Sowohl der Erwartungswert für Draw-downs als auch der höchste mögliche Verlust liegen niedriger, wenn europäischen Large Caps deutsche Nebenwerte beigemischt werden. Selbst die längste schlimmstenfalls zu erwartende Wiederaufholperiode nach einem Draw-down verkürzt sich durch die Beimischung dieser Small und Mid Caps. Die Wahrscheinlichkeit, nach zum Beispiel fünf Jahren eine negative Rendite zu erwirtschaften, wird ebenfalls geringer.Als Fazit halten wir fest: Die Beimischung deutscher Nebenwerte ist sowohl für ein gemischtes Portfolio aus deutschen Aktien und Renten als auch für ein internationales Multi-Asset-Portfolio sinnvoll. Neben einem positiven Performancebeitrag gegenüber den Standardwerten ergeben sich positive Diversifizierungseffekte, die das Portfoliorisiko senken. Deshalb gehören aus unserer Sicht deutsche Nebenwerte in jedes gemischte Depot.—Von Christian Jasperneite, Chief Investment Officer bei M.M. Warburg & CO und und Christoph Gebert Fondsmanager (Small & Mid Caps) bei Warburg Invest