GASTBEITRAG

Deutsche Unternehmen brauchen Eigenkapital

Börsen-Zeitung, 7.5.2020 Wie groß die Schäden des Coronavirus und seiner Bekämpfung für die deutsche Wirtschaft am Ende ausfallen werden, lässt sich weiterhin nicht zuverlässig absehen. Schon jetzt hinterlässt die Covid-19-Krise tiefe Spuren bei...

Deutsche Unternehmen brauchen Eigenkapital

Wie groß die Schäden des Coronavirus und seiner Bekämpfung für die deutsche Wirtschaft am Ende ausfallen werden, lässt sich weiterhin nicht zuverlässig absehen. Schon jetzt hinterlässt die Covid-19-Krise tiefe Spuren bei Unternehmen sämtlicher Größenordnungen. Mit Ausnahme ausgewählter Branchen geht in vielen Firmen die Existenzangst um. Insbesondere eine Verlängerung oder eine Wiederaufnahme der derzeitigen Beschränkungen zu einem späteren Zeitpunkt würde für etliche von ihnen das Aus bedeuten. Kurzfristige LinderungBegrüßenswert erscheinen da die großzügigen, schnellen und vielfach unbürokratischen Hilfen des Bundes, die so einmütig und abgestimmt beschlossen wurden wie selten zuvor in Zeiten wirtschaftlicher Krisen. Kurzfristig werden die in ihrer Höhe historisch einmaligen Maßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, des KfW-Hilfsprogramms sowie steuerliche Hilfsmaßnahmen tatsächlich eine Vielzahl von Unternehmen vor der Insolvenz bewahren.Eine langfristige Zukunftssicherung wird die kurzfristige Liquiditätsgewährleistung über KfW-Kreditprogramme und Bürgschaften aber nicht bieten, mögen sie auch noch so gut gemeint sein. Schließlich wird das Gros der Unternehmen nach der Krise eine deutlich höhere Schuldenlast tragen als zuvor. Und mittelfristig gilt es, diese Schulden zurückzuführen.Das allerdings dürfte etlichen Unternehmen schwerfallen, wird doch die Krise aller Wahrscheinlichkeit nach selbst bei einer noch längst nicht ausgemachten, zügigen Rückkehr zur Normalität erhebliche Nachwirkungen entfalten. Offizielle Prognosen gehen davon aus, dass das Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsprodukts nach einem sechsprozentigen Einbruch im laufenden Jahr erst im Jahr 2022 erreicht wird. Entsprechend wird es Jahre dauern, bis sich Profitabilität und Cash-flows der Unternehmen so weit erholen, dass ein spürbarer Abbau der Schulden überhaupt möglich ist.Vorerst werden sich daher viele von ihnen mit einem Verschuldungsgrad konfrontiert sehen, der ihnen bislang als inakzeptabel hoch erschien; und vielfach wird er sich tatsächlich als mittel- bis langfristig nicht tragfähig erweisen. Bilanz muss gestärkt werdenGroßzügige Kreditprogramme des Bundes allein werden also nicht ausreichen, um der Folgen der Covid-19-Krise Herr zu werden. Der Zuschuss von Eigenkapital aus privater Hand aber könnte viele Unternehmen langfristig wieder stabilisieren. Zu erwarten ist mithin, dass eine wachsende Zahl deutscher Unternehmen nach alternativen Wegen suchen wird, um die Bilanzen nachhaltig zu entlasten.Eine derartige Restrukturierung wird in sehr vielen Fällen der Aufnahme zusätzlichen Eigenkapitals bedürfen. Prinzipiell gibt es, in Abhängigkeit von Unternehmensgröße und -struktur, diverse Möglichkeiten, sich frisches Eigenkapital zu beschaffen. So mögen gerade bei familiengeführten mittelständischen Unternehmen die Eignerfamilien geneigt sein, Kapital aus ihren Privatvermögen einzusetzen, um die Firmenbilanz zu entlasten. Damit das aber nicht zu einer unausgewogenen Konzentration der Kapitalanlagen führt, die jedem Diversifikationsgedanken widerspricht, ist indessen ein erhebliches Privatvermögen Voraussetzung. Damit sind dieser Form der Bilanzrestrukturierung enge Grenzen gesetzt.Vor diesem Hintergrund wird es in den meisten Fällen darauf hinauslaufen, dass auf externes Beteiligungskapital zurückgegriffen werden muss. Hier wiederum kommt einerseits eine Börsenplatzierung von Aktien (Public Equity) in Frage oder eine direkte Unternehmensbeteiligung durch Investoren (Private Equity). Hürden für BörsengangEin Börsengang setzt eine Mindest-Unternehmensgröße voraus, die nicht alle Mittelständler vorweisen können. Ein hoher Verschuldungsgrad, den es ja gerade zu verringern gilt, befördert die Erfolgsaussichten eines solchen Initial Public Offering (IPO) ebenfalls nicht. Ohnehin stehen gerade Familienunternehmer Börsengängen regelmäßig skeptisch gegenüber, obwohl die Regulierung in Deutschland durchaus Strukturen vorsieht, die der Eignerfamilie eine weitreichende Kontrolle sichern. Dazu zählt etwa die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Allerdings beurteilen Investoren diese Rechtsform angesichts ihrer geringen Mitbestimmungsrechte vielfach kritisch.Mitbestimmung ist traditionell auch im Private-Equity-Segment ein zentrales Thema. Neben dem klassischen Private-Equity-Modell, das Mehrheitsbeteiligungen anstrebt, um Kontrolle über die jeweiligen Unternehmen zu erlangen, etablieren sich zunehmend aber auch Minderheitsbeteiligungen, die darauf ausgerichtet sind, an erprobten und erfolgreichen Geschäftsmodellen teilzuhaben, ohne das jeweilige Unternehmen umzukrempeln. Angesichts des hervorragenden Rufs, den der deutsche Mittelstand weltweit genießt, steht Deutschland hier bei Investoren häufig ganz oben auf der Agenda.Zu diesen Investoren zählen neben Private-Equity-Häusern in zunehmendem Maß auch Staatsfonds, etwa aus Singapur oder auch aus Norwegen; global agierende Pensionsfonds und große Family Offices sind weitere Investorengruppen, die verstärkt Eigenkapital bereitstellen. Folge des wachsenden Interesses unterschiedlicher Investorengruppen ist ein riesiger Kapitalpool, der für Beteiligungen zur Verfügung steht. Spielraum bleibtDabei ist das Interesse an deutschen Unternehmen so groß, dass diese Art und Umfang einer Beteiligung durch externe Investoren auch maßgeblich mitbestimmen können. Gestaltungsspielräume bestehen – unter Berücksichtigung der erwarteten Eigenkapitalverzinsung – etwa in Bezug auf den Umfang der Mitspracherechte, die Einbindung in ein internationales Netzwerk und die Exit-Modalitäten: Geht es um eine dauerhafte Beteiligung, oder soll ein späterer Rückkauf stattfinden? Auch ein Börsengang in einem günstigeren Kapitalmarktumfeld kann eine Option sein.Die konkrete Ausgestaltung einer Eigenkapitalbeteiligung ist in jedem Fall eine komplexe Angelegenheit, die genauer Abwägung bedarf. Kurzfristig sollten Unternehmen daher andere Wege in den Fokus rücken, um ihre Liquidität sicherzustellen. Dann allerdings gilt es, zügig eine mittel- bis langfristige Zukunftsplanung zu beginnen.Fällt die Entscheidung für eine Einbindung von Kapitalgebern, ist eine sorgfältige und strukturierte Planung das oberste Gebot. Voraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg einer strukturierten Private-Equity-Beteiligung ist, dass sie nicht auf Basis kurzfristiger Nöte oder Engpässe zustande kommt. Denn dann können Kosten und eingegangene Kompromisse schmerzhaft ausfallen.Ist die Eigenkapitalbeteiligung aber sorgfältig geplant und an längerfristigen Perspektiven ausgerichtet, kann sie für viele Unternehmen zum entscheidenden Instrument werden, um die Folgen der Covid-19-Krise erfolgreich zu meistern. Sven Baumann, Head of Investment Banking, Citigroup Global Markets Europe