Deutsches M&A-Geschäft bricht ein
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Im Geschäft mit Übernahmen und Fusionen (Mergers & Acquisitions/M&A) hat sich in Deutschland in den ersten drei Monaten vergleichsweise wenig getan. Wie aus den vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal hervorgeht, die der Dateninformationsdienst Refinitiv (mit Stichtag 18. März) veröffentlicht hat, brach der Wert der angekündigten Transaktionen mit deutscher Beteiligung im Vergleich zum Vorjahr um 65 % auf 19,2 Mrd. Dollar ein, den niedrigesten Wert seit 2016.
Damit hat sich der deutsche Markt vom globalen Trend abgekoppelt, wie Tibor Kossa, Co-Leiter M&A-Geschäft der Investmentbank Goldman Sachs in Deutschland und Österreich, unterstreicht. Weltweit hätten die Volumina um mehr als die Hälfte über dem 5-Jahres-Durchschnitt gelegen und auch in Europa hat das Geschäft nach seiner Schätzung um 25 bis 30% zugelegt. „Deutschland fällt aus diesem Muster heraus, aber das liegt vor allem am Basiseffekt, da in den Vergleichszeitraum des Vorjahres gleich mehrere sehr große Transaktionen fielen“, sagt Kossa der Börsen-Zeitung im Gespräch und erinnert an die Milliardendeals Thyssenkrupp Elevators, Bombardier Transportation und AMS, die sich im von der Coronapandemie geprägten Quartal vor einem Jahr zum Teil zur Zitterpartie entwickelten (BZ vom 20.3.20).
Ungenutzte Ausstiegsklauseln
Die damals von manchen Marktteilnehmern gehegte Befürchtung, dass bereits unterzeichnete Transaktionen nicht vollzogen würden, weil eine der Parteien angesichts der massiven Marktverwerfungen auf vertraglich vereinbarte oder auch gesetzliche Ausstiegsklauseln pocht, bewahrheitete sich nicht. „Aus dem deutschen Markt ist uns kein Fall bekannt, in dem ein Käufer sich auf einen ‚Material Adverse Change‘ im Zusammenhang mit der Pandemie berufen hätte“, sagt Tobias Larisch, Partner der Kanzlei Latham & Watkins, der Börsen-Zeitung.
Die beiden M&A-Experten gehen nicht davon aus, dass es sich bei der relativen Marktschwäche hierzulande um ein dauerhaftes Phänomen handelt, im Gegenteil. „Auch in Deutschland ist die Pipeline sehr gut gefüllt, was sich spätestens im zweiten Halbjahr auch in Zahl und Volumina der Transaktionen niederschlagen wird“, unterstreicht Kossa. Im Gesamtjahr, so der Investmentbanker, werde Deutschland mindestens an das sehr starke M&A-Jahr 2020 anknüpfen. Bei Latham & Watkins rechnet man sogar mit einem deutlichen Anstieg der Transaktionsaktivität, insbesondere im Technologie- und Healthcare-Segment, aber auch in den Bereichen Energie und Infrastruktur. Der inzwischen auch nach Europa übergreifende Trend zu Spac-Transaktionen, also der Emission leerer Übernahmevehikel, die mit dem Versprechen verknüpft sind, im Anschluss an den Börsengang Zukäufe in bestimmten Segmenten zu tätigen, könne diesen Trend noch beschleunigen, sagt Larisch.
In den ersten drei Monaten sorgten die fehlenden Megadeals für eine Überraschung an der Spitze der deutschen M&A-Rennliste, die von der SEB angeführt wurde. Das Institut hatte mit dem 6,6 Mrd. Dollar schweren Zalando-Verkauf das größte Beratungsmandat der Saison an Land gezogen. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen laut Refinitiv J.P. Morgan Chase und Goldman Sachs.
ECM-Geschäft boomt
Das Geschäft mit Aktienemissionen (Equity Capital Markets/ECM) legte um sage und schreibe 136 % auf 11 Mrd. Dollar zu, was gut zur Hälfte dem im Vorjahr völlig brachliegenden Geschäft mit Börsengängen (Initial Public Offerings/IPO) geschuldet war. 41% der Erlöse des IPO-Geschäfts entfielen auf Vantage Towers. Das Geschäft mit Folgeplatzierungen verzeichnete ein Plus von 117% auf 5,3 Mrd. Dollar.
Mit Erlösen von 1,2 Mrd. Dollar führte Goldman Sachs das Ranking in diesem Segment an, gefolgt von HSBC und BNP Paribas. Auch das Geschäft mit Fremdkapitalemissionen (Debt Capital Markets/DCM) florierte mit einem Plus von 35% auf 130 Mrd. Dollar, von denen mehr als die Hälfte auf die Emission von Staatsanleihen entfiel. Angeführt wird die DCM-Rennliste von der Deutschen Bank, gefolgt von J.P. Morgan Chase und Commerzbank.
Fusionsberatung mit deutscher Beteiligung | |||
Januar bis 18. März 2021 | |||
Rang | Bank | Vol. * | Zahl |
1 (–) | SEB | 6 640,8 | 1 |
2 (1) | J.P. Morgan Chase | 2 475,0 | 5 |
3 (3) | Goldman Sachs | 1 955,6 | 6 |
4 (9) | Citigroup | 1 779,1 | 7 |
5 (15) | Morgan Stanley | 1 438,1 | 2 |
6 (–) | Luma Partners | 1 168,9 | 1 |
7 (2) | Rothschild & Co. | 992,3 | 8 |
8 (–) | Berenberg | 885,8 | 1 |
8 (25) | PwC | 885,8 | 7 |
8 (8) | Bank of America | 885,8 | 1 |
*) in Mrd. DollarQuelle: RefinitivBörsen-Zeitung |