Deutschland als Blockchain-Vorreiter
Die erstmalige Emission einer tokenisierten (Namens-)Schuldverschreibung auf der Blockchain dürfte den Technologiestandort Deutschland stärken. Emittenten könnten jetzt Deutschland Ländern wie der Schweiz, Liechtenstein und Gibraltar vorziehen. Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz zeigt sich hingegen beim Nutzen der Blockchain-Technolgie skeptisch.Von Tobias Fischer, FrankfurtRechtsanwalt Eric Romba, der maßgeblich an der Entwicklung einer tokenisierten Schuldverschreibung mitgewirkt hat, sieht Deutschland und Europa an der Spitze der Blockchain-Bewegung – auch des Desinteresses des Silicon Valley wegen. Der in der Berliner Kanzlei Lindenpartners tätige Jurist war an der Erstellung des Wertpapierprospekts für das Security Token Offering (STO) des Darlehensvermittlers Bitbond beteiligt, der ersten überhaupt von der deutschen Finanzaufsicht BaFin genehmigten Begebung tokenisierter Anleihen (vgl. BZ vom 21. Februar). Segen der AufsichtDie Berliner Gesellschaft Bitbond hat damit den aufsichtlichen Segen für die Emission einer tokenisierten (Namens-)Schuldverschreibung erhalten, auf der Blockchain und somit ohne Einschaltung von Banken und Zentralverwahrern. Die Rückzahlung an die Kapitalgeber samt Zinsen erfolgt nach zehn Jahren in einer Kryptowährung. Romba, der voll des Lobes für die BaFin ist, die ergebnisoffen und ohne Denkverbote vorgegangen sei, zeigt sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zuversichtlich, dass es von derlei STO in diesem Jahr in Deutschland noch einige geben wird. Der Präzedenzfall Bitbond wird seines Erachtens den Technologiestandort Deutschland hinsichtlich der Blockchain stärken. Die Berechenbarkeit der deutschen Behörden und die Rechtssicherheit hierzulande führen zu einem Sogeffekt: “Wir nehmen bei unseren Mandanten wahr, dass viele Marktteilnehmer, die bislang in Zug in der Schweiz, in Liechtenstein oder Gibraltar sind, sagen, nach Deutschland gehen zu wollen, weil sie hier eine verlässliche Position vorfinden.”Der ausgetretene Pfad sei mit der BaFin-Entscheidung verlassen worden, konstatiert Romba. “Es ist nun beispielsweise für Investoren viel attraktiver, in Deutschland tätig zu werden, weil die Strahlkraft eine andere ist als in einem anderen europäischen Land.”Dass ein Wertpapierprospekt für ein STO komplett auf deutscher Gesetzgebung basiert und mit dem Stempel der BaFin versehen wird, habe er wie viele andere bis vor kurzem für annähernd unmöglich gehalten, erzählt Stephan Manz, Partner bei der Beratungsgesellschaft Capco. Seines Erachtens ist Europa in Sachen Blockchain führend. Die Tech-Größen im Silicon Valley hätten kein Interesse daran, Geschäftsmodelle transparent zu gestalten und “zu demokratisieren”. Der Blockchain wird genau das gemeinhin zugutegehalten – durch ihre dezentrale Struktur und die Möglichkeit, Transaktionen lückenlos nachzuvollziehen. Darüber hinaus würden anders als in den USA Start-ups nicht gleich von größeren Unternehmen einverleibt, was die Entstehung einer sehr regen Szene begünstigt habe, so in Großbritannien oder der Schweiz.Diese anders gearteten Strukturen seien klar von Vorteil, findet auch Romba: “Man kann beklagen, dass wir in Deutschland keine großen Unicorns haben, man kann aber auch die These aufstellen: Vielleicht ist deshalb die Blockchain-Technologie in Deutschland, in Europa, so weit vorn. Im Silicon Valley gibt es viele Unternehmen, die ein zentrales Geschäftsmodell haben und den Gedanken einer dezentralen Struktur gar nicht so herausragend finden.” Blockchain-Fintechs könnten sich seiner Einschätzung nach ähnlich entwickeln wie Challengerbanken à la N26, Revolut oder Monzo, die zwar nicht die Größe ihrer etablierten, klassischen Wettbewerber erreichten, aber so einiges besser machten. Die Banken müssten sich nun die Frage stellen, ob ihre Geschäftsmodelle so belastbar seien, dass sie die nächsten Jahre überdauern. “Wer bekommt Geld und von wem? Diese Frage wird neu zu stellen sein. Die Gatekeeping-Funktion, die Banken bisher innehaben, wird sicherlich in Frage gestellt werden.” Erträge bedroht Manz erwartet durch die Blockchain-Technologie Druck auf gleich mehrere große Ertragspools in den Banken: das Handels-, Wertpapieremissions- sowie Handelsabwicklungsgeschäft, die Unternehmensfinanzierung, das Privatkundengeschäft sowie das Private Banking. “Ob jemand Kryptowährungen, Immobilien oder einen Teil an einem Kunstwerk von Gerhard Richter erwerben möchte – all diese Vermögenswerte sind über kurz oder lang als Token verfügbar”, erwartet Manz. Dass Banken sich diesbezüglich an die Spitze der Bewegung setzen, bezweifelt er. Deshalb dürften den Finanzinstituten größere Provisionsanteile flötengehen.Er kritisiert, dass viele Finanzmarktakteure die Möglichkeiten der Blockchain auf die Prozessoptimierung verkürzten: “Es geht natürlich um den Austausch von Vermögenswerten, aber die Banken schielen schon in erster Linie auf Prozessoptimierung. Selbstverständlich hat weder eine Commerzbank als Emissionsbank noch eine Deutsche Börse als Börsenplatz im Sinn, sich überflüssig zu machen”, so Manz.Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, zufolge hängt der Nutzen der Blockchain-Technologie vom Einzelfall ab. Im innereuropäischen Zahlungsverkehr sei beispielsweise nur ein geringer Mehrwert auszumachen, da er bereits ohne Blockchain sicher und effizient ablaufe, machte er jüngst in einer Veranstaltung am Center for Financial Studies (CFS) in Frankfurt deutlich. Deutlicher noch könne sich der Nutzen der Blockchain aber im Zahlungsverkehr über Währungsräume hinweg auswirken, wo bislang vor allem Korrespondenzbanken ins Spiel kommen. Größere Einsparmöglichkeiten seien zudem zu erwarten, wenn die Abwicklung von Wertpapieren oder die Bereitstellung von Sicherheiten betroffen ist, so Balz.Gleichwohl stellt er selbst solche Einspareffekte im großen Stil durch Prozessoptimierung in Frage. “Seltener als angenommen stellen sich die erhofften Kosteneinsparpotenziale gegenüber klassischen IT-Architekturen ein”, sagte er. Darüber hinaus seien für die Umstellung auf die neue Technologie zunächst einmal hohe Investitionen vonnöten, der Nutzen oft jedoch unsicher. Auch seien bei bestimmten Anwendungen noch regulatorische Fragen zu beantworten.”Viele Unternehmen in der Finanzindustrie haben Blockchain-basierte Prototypen untersucht, aber nur wenige haben bis jetzt den operativen Einsatz in der Praxis bekannt gegeben”, gab Balz zu bedenken. Auch die Bundesbank hat gemeinsam mit der Deutschen Börse einen eigenen Blockchain-Prototyp entworfen und getestet und dabei zwiespältige Erfahrungen gemacht. Einerseits habe der Einsatz der Blockchain-Technologie die Widerstandsfähigkeit des Systems steigern und Abstimmungskosten vermindern können, andererseits sei das mit längeren Abwicklungszeiten sowie verhältnismäßig hohen Rechenkosten bei der Implementierung einhergegangen. “Das zeigt, dass die Technologie zwar Potenzial hat, es aber noch grundlegender Weiterentwicklung bedarf, um einen nachhaltigen Mehrwert zu generieren”, resümierte Balz. Einen solchen Mehrwert sieht er in der Tokenisierung realer Vermögenswerte. Geld für KundendatenJurist Romba geht davon aus, dass die entstehende Token-Ökonomie nicht nur neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Er fragt sich auch, weshalb Unternehmen jene Informationen, die ihnen Kunden und Nutzer kostenfrei zur Verfügung stellen, allein monetarisieren sollten. “Interessant wäre es doch, das umzukehren.” Genauso gut könnten sie als Eigentümer der Informationen diese über einen Open-Data-Market verkaufen und etwa über ein Token-System vergüten lassen. Das sei zwar nicht in den nächsten zwei, drei Jahren zu bewerkstelligen, aber allemal eine Diskussion wert.