Deutschland lockt die Investmentbanken
Sechs Megadeals im Wert von 5 Mrd. Dollar oder mehr – so viel hat der deutsche Markt für Übernahmen und Fusionen seit der Finanzkrise nicht mehr gesehen. Die anfängliche Zurückhaltung, Deals per Telefon oder Videoschalte zu verhandeln, schwindet offenbar bei vielen Marktteilnehmern. lee Frankfurt – Der Coronaschock hat das deutsche Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) nur temporär gebremst. Wie die Übernahmeofferte für den Metro-Konzern oder der anstehende Verkauf verschiedener Lufthansa-Töchter zeigt, bietet der hiesige M&A-Markt auch weiterhin lukrative Chancen für die Investmentbanken.”Seit Juli ist eine deutlich erhöhte Aktivität im Markt spürbar”, sagt Burc Hesse, M&A-Spezialist der internationalen Kanzlei Latham & Watkins, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Da sich einerseits die Mobilität wieder erhöht und sich andererseits die vor allem in Europa verbreitete Zurückhaltung, Deals ausschließlich per Telefon oder Zoom zu verhandeln, verringert habe, rechnet er damit, dass das Geschäft im weiteren Jahresverlauf deutlich anzieht. In den ersten neun Monaten stieg der Wert der angekündigten M&A-Deals mit deutscher Beteiligung nach vorläufigen Zahlen des Informationsdienstleisters Refinitiv im Vergleich zum Vorjahr um 15 % auf 121,2 Mrd. Dollar (gut 102 Mrd. Euro). Die die Anzahl der Transaktionen sank dagegen um gut ein Fünftel.Insbesondere die deutschen Unternehmen ließen in der Summe bei Zukäufen im Ausland mehr Vorsicht walten als noch binnen Jahresfrist. Insgesamt summierten sich die deutschen M&A-Aktivitäten im Ausland auf 44,2 Mrd. Euro, was einem Rückgang von 1 % gegenüber dem Vorjahreswert entspricht. Verzerrtes BildBei den Transaktionen mit deutschen Zielunternehmen verzerren die Megadeals Thyssenkrupp, Bombardier Transportations und Metro das Bild. Die Summe der angekündigten, laufenden oder abgeschlossenen Transaktionen stieg in den ersten neun Monaten um 36 % auf 68,6 Mrd. Dollar, wovon fast die Hälfte jedoch auf die drei genannten Megadeals entfällt.Nimmt man die Transaktionen mit deutschen Konzernen auf der Käuferseite hinzu, summiert sich die Zahl der Transaktionen mit einem Volumen von 5 Mrd. Euro und mehr auf sechs – so viele Megadeals mit deutscher Beteiligung wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Neben der Varian-Übernahme der Siemens-Tochter Healthineers trug dazu freilich auch der geplante Einstieg des Rettungsfonds bei der Lufthansa bei.Als Berater der einen oder anderen Seite fast überall mit dabei sind neben Goldman Sachs auch Rothschild & Co., UBS und J.P. Morgan, die entsprechend auch die ersten vier Plätze der von Refinitiv erstellten League Tables belegen.Um fünf Plätze nach vorne geschoben hat sich das M&A-Team der Deutschen Bank, die bei Thyssenkrupp dabei war und die Lufthansa beim Einstieg des Stabilisierungsfonds des Bundes berät. Auch Macquarie konnte dank Thyssenkrupp einen kräftigen Sprung von Rang 18 auf Rang 7 machen, gefolgt von der Bank of America.Birger Berendes, Head of M&A für Deutschland, Österreich und Schweiz bei der Bank of America, erwartet im Herbst den Beginn einer weltweiten Welle an M&A-Transaktionen, für die neben der hohen Liquidität durch die Notenbanken auch attraktive Bewertungen und eine relativ niedrige Volatilität ausschlaggebend seien. “Zusammengenommen mit den niedrige Zinsen und mehr als 2 Bill. Dollar investierbarem Kapital bei Finanzinvestoren sind das ideale Voraussetzungen für eine starke M&A-Aktivität”, ergänzt er. Zudem prüften viele Vorstände derzeit intensiv Transaktionen, um sich für die Zeit nach der Pandemie optimal aufzustellen.Unterdessen boomt das Geschäft mit Aktienemissionen, mit einem Volumen von 24,5 Mrd. Dollar übertraf das ECM-Geschäft den Rekordwert des Vorjahres um 147 %. Allein im dritten Quartal nahmen hiesige Unternehmen demnach mit 13 Mrd. Dollar mehr frisches Kapital auf als in den neun Monaten des Vorjahres. Dieser Trend wird sich nach Ansicht von Thorsten Pauli, Head of ECM für Deutschland, Österreich und Schweiz bei der Bank of America, in den nächsten Wochen ebenfalls noch verstärken: “Gerade auch Technologiewerte werden mittel- bis langfristig weiter stark bei Investoren nachgefragt sein.”