Deutschlands Retail-Markt schrumpft wieder

Zeb: Erträge brechen bundesweit prozentual zweistellig ein - Lichtblick Vorsorgegeschäft

Deutschlands Retail-Markt schrumpft wieder

Bernd Neubacher, FrankfurtDeutschlands Banken sehen sich mit einem erneut rückläufigen Markt im Massengeschäft konfrontiert. Wie das Beratungshaus Zeb am Donnerstag unter Verweis auf eine Studie berichtet hat, haben die bundesweit zu erzielenden Erträge 2012 nach einer zweijährigen Wachstumsphase ihren Schrumpfungsprozess wieder aufgenommen, und zwar vehement. Um 13 % auf noch 50,6 Mrd. Euro hat sich den Angaben zufolge der Bruttoertrag der Banken und Finanzdienstleister 2012 reduziert. Diese Summe liegt rund 20 % unter dem Niveau des Jahres 2005 (siehe Grafik).Die Ursache der Reduktion liegt zum einen im niedrigen Zinsniveau, das den Zinsüberschuss fallen lässt, zum anderen in der Scheu von Kunden vor Wertpapiertransaktionen, weshalb wiederum das Provisionsgeschäft lahmt. Der Ertragsschwund trifft die Branche zur Unzeit, haben viele Häuser doch im Lichte der Regularien von Basel III das Massengeschäft für sich wiederentdeckt. Das Kalkül: Einlagen verbessern die Position der Institute bei Kalkulation der Liquiditätskennziffern Liquidity Coverage Ratio und Net Stable Funding Ratio. Auch ist das Massengeschäft nicht annähernd mit so viel Eigenkapital zu unterlegen wie etwa Investment Banking. Nun droht alten und neuen Wettbewerbern in einem schrumpfenden Markt ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb. Allein um ihre Marktposition zu verteidigen, müssten Institute noch schneller “im Hamsterrad laufen”, erklärt Zeb-Partner Ulrich Hoyer. Eine Erholung des Marktes für Privatkunden ist nach Einschätzung der Beratungsgesellschaft nicht in Sicht.Was künftige Ergebnisse angeht, wird das Szenario eingetrübt auch dadurch, dass, während die Einnahmen erodieren, umfangreiche Investitionen hohen Sachaufwand nach sich ziehen. Denn in Zukunft wird die Filiale nur einer von vielen Zugängen im Multikanalangebot sein, wie Hoyer meint. Eine Befragung von Führungskräften hat laut Zeb denn auch gezeigt, dass fast 80 % der verantwortlichen Manager in europäischen Banken “eher in Multikanalangebote und Online-Bereiche statt fokussiert in Filialen investieren würden”. Im Online-Geschäft aber fächert sich das Angebot zügig auf, wie Hoyer vorrechnet. Hätten Banken noch vor 20 Jahren nur die drei Zugangswege Filiale, Telefon und Brief gekannt, sei inzwischen auch im Internet zwischen verschiedenen Wegen wie etwa klassischem Online-Banking oder etwa einer Präsenz auf Facebook zu differenzieren.Viele Banken reagieren bereits auf das Szenario des Multikanal-Banking. So hat die Commerzbank eine tiefgehende Restrukturierung ihres Privatkundengeschäfts angekündigt, auch um ihr Online- und Offline-Angebot besser zu verzahnen. Ende Januar hatte Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), auf dem Retail-Bankentag der Börsen-Zeitung die Digitalisierung des Geschäfts der Gruppe angekündigt und dabei vom “größten kulturellen, technologischen und organisatorischen Wandel” in der Geschichte der Sparkassen gesprochen.Einen Lichtblick im wenig erfreulichen Ausblick für Deutschlands Retail-Banken stellt der Bereich des Vorsorge- und Versicherungsgeschäfts dar. Entfielen zum Beispiel 2005 16 % der Produkte im Retail-Geschäft auf Versicherungen, so waren es im vergangenen Jahr 23 %, was Zeb mit einem Vorsorgetrend erklärt. “Allerdings konnten Zuwächse, die in den vergangenen Jahren aufgrund des Vorsorgetrends erreicht wurden, nicht fortgeschrieben werden, und aus Banksicht ist bereits ein kleiner Trend zur Verminderung der Anlagevolumina in Versicherungen zu beobachten”, heißt es.Mit Blick aufs Versicherungsgeschäft, aber auch generell warnt Hoyer davor, angesichts mauer Aussichten den Vertriebsdruck zu erhöhen, um die Einnahmen zu maximieren. Dies würde seiner Meinung nach nur für kurze Zeit funktionieren, bald aber dazu führen, dass eine Bank aus dem Markt katapultiert würde. Vorrang müsse der Bedarf der Kunden haben. Zwar mindere Vertriebsdruck den Vertriebserfolg, räumte er auf Nachfrage ein. Ertragsdellen dürften aber temporär sein. Einzelne regionale Beispiele zeigten sogar, dass nach Verlagerung des Fokus zugunsten der Bedürfnisse des Kunden spürbare Ertragseinbußen vermieden werden könnten.—– Wertberichtigt Seite 8