Die Abwicklung steigt auf in die Wolken
Von Silke Stoltenberg, Frankfurt
Für den größten Anleiheinvestor der Welt, Pimco, steht dieses Jahr besonders die Digitalisierung der Abwicklungsprozesse sowie der fortschreitende Ausbau des Engagements bei Emittenten in puncto Nachhaltigkeit im Vordergrund. Dies berichtet Frank Witt, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Pimco Europe, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Nachdem wir uns zunächst auf die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung im Portfoliomanagement konzentriert haben, richtet sich nun der Blick verstärkt ins Middle und Back Office und dabei in Richtung Cloud-Lösungen“, so Witt, der das Geschäft der Allianz-Tochter in Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Niederlande, Luxemburg und Skandinavien von München aus verantwortet.
Mit diesem Ziel hatte die US-Fondsgesellschaft im Januar zusammen mit dem Technologiekonzern Microsoft, der Beratungsgesellschaft McKinsey, dem Hedgefondsriesen Man Group, dem Datenanbieter IHS Markit sowie dem Verwahrer State Street gemeinsam die neue Gesellschaft Hub mit Sitz in London gegründet, die Middle- und Back-Office-Dienstleistungen als Cloud-Lösung für Pimco und Man Group sowie perspektivisch für weitere Assetmanager anbieten soll. Ziel ist es, eine cloudbasierte Betriebsplattform aufzubauen. „Bei dieser Kooperation geht es um die Abwicklung des Fondsgeschäfts wie etwa Settlement und Collateral Management“, berichtet der 52-Jährige, der seit 2002 für Pimco arbeitet. Auf diese Weise sollen veraltete Systeme ersetzt werden, zumal der gesamte Prozess aktuell von vielen Schnittstellen geprägt ist. Es geht also perspektivisch darum, nicht nur Kosten zu sparen, sondern durch das Reduzieren der Schnittstellen auch Fehler zu verhindern.
Im vergangenen Jahr hatte die Digitalisierung der Kundenkommunikation im Vordergrund gestanden, da die Pandemie dies notwendig gemacht hatte. Der Zugriff auf die Internetseite, Videogespräche zwischen Portfoliomanagern und Kunden sowie virtuelle Kundenveranstaltungen standen dabei im Zentrum. „In den kommenden Monaten stehen weitere Verbesserungen der Website-Funktionen für die Kunden bevor“, sagt Witt.
Datentools unterstützen
Als allerersten Schritt der Digitalisierung hatte Pimco viele Datentools für das Portfoliomanagement eingeführt, damit die enormen Datenmengen etwa im US-Häusermarkt oder bei dänischen Pfandbriefen besser bewältigt werden können. Die künstliche Intelligenz könne zudem große Mengen an Texte wie Unternehmensberichte oder Reden von Notenbankern nach bestimmten Schlagwörtern durchsuchen, zählt Witt beispielhaft auf. „Bei der Digitalisierung investieren wir aber nicht nur in Technologien, sondern auch in neues Personal. Allein an unserem vor drei Jahren mit Schwerpunkt auf Technologie gegründeten Standort in Texas haben wir inzwischen 200 neue Leute eingestellt“, führt Witt aus, der vor Pimco im Investment Banking bei Goldman Sachs und als Risikomanager für die Deutsche Bank gearbeitet hat.
Das zweite Schwerpunktthema neben der Digitalisierung ist in diesem Jahr bei Pimco die Nachhaltigkeit – wie es angesichts der zunehmenden Regulierung, des politischen Drucks und des steigenden Investoreninteresses überall in der Finanzbranche der Fall ist. Pimco hat die Analyse nach ESG-Faktoren (Environment, Social, Governance) zum Standard im Investmentprozess erhoben. Nahezu alle 2800 Unternehmens-Emittenten, in die man investiert ist, werden nach diesen Anlagekriterien untersucht und bekommen ein pimcoeigenes ESG-Rating. Pimco arbeitet mit rund zehn externen Datenanbietern für ESG-Aspekte zusammen und hat selbst sieben eigene Systeme.
Darüber hinaus wird auch das Engagement bei den Emittenten ausgebaut und die ESG-Faktoren dabei in den Mittelpunkt gerückt, auch wenn ein Anleiheinvestor es hier schwerer hat als ein Aktieninvestor, der auf der Hauptversammlung sein Stimmrecht entsprechend einsetzen kann. Doch als weltgrößter Bondinvestor hat Pimco viel Einfluss und kann schlimmstenfalls damit drohen, von dem Emittenten keine Bonds mehr zu kaufen.
Direkte Einflussnahme
Für die direkte Einflussnahme führt Pimco von Jahr zu Jahr mehr direkte Gespräche mit den Unternehmen über das Thema Nachhaltigkeit. Hierbei geht es der Darlegung von Witt zufolge zunächst einmal um grundsätzliche Transparenz und in den Folgejahren um erreichte Fortschritte bei bestimmten Punkten. „Wir benutzen jedes Jahr den gleichen Fragebogen für die Gespräche mit den Unternehmensvorständen, um so Fortschritte dokumentieren zu können“, erläutert Witt. Die Menge an direkten Unternehmensgesprächen nehme von Jahr zu Jahr zu. Waren es 2019 noch mehr als 600 Gespräche, waren es 2020 bereits mehr als 1500 Termine. „Je nach Branche variiert der Schwerpunkt der Unternehmensgespräche: Bei einem Versorger sind es eher die Umweltaspekte, bei einer Bank ist es eher das Governance-Thema“, sagt Witt. Wobei von Seiten der eigenen Kunden spätestens seit dem Pariser Abkommen vor allem der Klimawandel im Vordergrund stehe.
„Das Problem bei den sozialen Themen und Fragen der guten Unternehmensführung ist, dass es wenige quantifizierbare Daten hierzu gibt. Hier überwiegen qualitative Kriterien. Bei den Umweltaspekten dagegen ist die quantitative Messbarkeit und Datenqualität schon recht gut.“ Unter Soziales werden etwa faire Arbeitsbedingungen oder der Ausschluss von Kinderarbeit verstanden.
Mit Blick auf die Investoren konstatiert Witt, dass die Europäer im weltweiten Vergleich die höchsten Erwartungen in puncto Nachhaltigkeit hätten. Die US-Investoren seien zurückhaltender. „Die USA werden unter dem neuen Präsidenten beim Thema Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren sicherlich den Rückstand aufholen.“
Pimco blickt weltweit wie auch hierzulande auf ein Rekordjahr 2020 zurück. Das global gemanagte Vermögen für Dritte (minus die Allianz-Gelder) erreichte 1,3 Bill. Euro. Inklusive der Gelder der Schwester Allianz Global Investors verteilt sich das verwaltete Vermögen zu mehr als der Hälfte auf Amerika und ein Drittel auf Europa auf (siehe Grafik).
Pimco veröffentlicht keine Zahlen zum verwalteten Vermögen in Deutschland oder für andere Länder. In der Branche wird geschätzt, dass das verwaltete Vermögen für deutsche Investoren deutlich über der Marke von 300 Mrd. Euro liegt. Rund 160 Mitarbeiter kümmern sich darum. Das nach nachhaltigen Kriterien gemanagte Vermögen wird weltweit mit 137 Mrd. Euro angegeben. Die Anlagesumme aller ESG-Mandate (inklusive Allianz-Gelder) wird mit 646 Mrd. Dollar ausgewiesen.
Gefragte Investments
Wie Witt zudem ausführt, wächst angesichts der zunehmenden Inflationssorgen seit Ende vergangenen Jahres bei den Investoren wieder das Interesse an inflationsgeschützten Anleihen. „Das Segment war quasi zehn Jahre lang tot, jetzt wird es wieder populär.“ Weiter gefragt blieben Unternehmensanleihen – wobei zuletzt das Interesse an asiatischen Unternehmenspapieren zunahm, die deutlich mehr Ertrag als europäische oder US-Emittenten bieten. Nischenprodukte wie US-Kommunalanleihen seien ebenfalls auf der Kaufliste der Investoren ebenso wie Schwellenländeranleihen. Kurzlaufende Rentenpapiere wiederum seien als Parkmöglichkeiten von Liquidität gefragt, seitdem Negativzinsen für Unternehmenskunden bei den Banken zum Standard würden.