GASTBEITRAG

Die andere Art der Diversifikation

Börsen-Zeitung, 5.8.2015 Das Kerngeschäft einer Bank sollte vor allem aus der Beschaffung von Geldern und der Vergabe von Krediten bestehen - vielleicht aber weniger darin, ein Portfolio mit Wertpapieren zu verwalten. Die Anforderung der...

Die andere Art der Diversifikation

Das Kerngeschäft einer Bank sollte vor allem aus der Beschaffung von Geldern und der Vergabe von Krediten bestehen – vielleicht aber weniger darin, ein Portfolio mit Wertpapieren zu verwalten. Die Anforderung der Bankenaufsicht, unter dem Regime von Basel III eine beträchtliche Liquidität vorzuhalten, dürfte dieses Geschäft allerdings ins Rampenlicht rücken. Mit der regulatorischen Verpflichtung zum Liquiditätspuffer dürften die Kosten des Bankgeschäfts in Zeiten äußerst niedriger Renditen an den Anleihemärkten erheblich steigen. Einige Banken sind in Anbetracht dessen vielleicht daran interessiert, ihr Portfoliomanagement zu überdenken. Hochliquide WerteWas unter dem Begriff “Liquidität” zu verstehen ist, wird recht gut beschrieben, wie das eben von einer Aufsichtsbehörde zu erwarten ist. Wird die betreffende Bank in der Europäischen Union beaufsichtigt, dann muss es sich um jederzeit in einen bekannten Bargeldbetrag konvertierbare Anlagen handeln, damit diese als erstklassige liquide Vermögenswerte (High Quality Liquid Assets, HQLA) gelten, welche offensichtlich “risikolos” sein müssen. Dabei gelten freilich auch die Emissionen aller EU-Staaten als risikolos. Und leider werfen genau diese risikolosen Vermögenswerte in Zeiten massiver Interventionen durch die Europäische Zentralbank (EZB) sowie niedriger Inflationserwartungen nur mehr klägliche Renditen ab.Banken können einen Teil ihrer HQLA nach wie vor in Vermögenswerten mit erhöhtem Risiko wie Unternehmensanleihen oder gar Aktien halten. Diese Anlagen sind künftig jedoch mit zusätzlichen Kosten verbunden. Denn in ihrem Fall wird der Liquiditätspuffer um einen Bewertungsabschlag gestutzt. Darüber hinaus erfordert Basel III zusätzliche Kapitalanforderungen durch den Mechanismus der risikogewichteten Aktiva (Risk Weighted Asset, RWA). Rendite ist magerRisikogewichtung findet auch innerhalb der Banken statt, weshalb Anleihen verschiedener Staaten auch unterschiedlich bewertet werden können. Einlagen bei der Europäischen Zentralbank selbst “erwirtschaften” derzeit – 20 Basispunkte im Jahr. Die Rendite auf Bundesanleihen sieht auch nicht besser aus. Bis April dieses Jahres waren die Renditen bei Laufzeiten von bis zu sieben Jahren entlang der deutschen Renditekurve negativ. Und auch Anlagen in Bundesanleihen gehen mit einem Verzicht einher.Angesichts solcher Bedingungen ist Diversifikation die wohl beste Lösung für die Banken – aber nicht jede beliebige Art der Diversifikation. Im Gegensatz zu einer “Buy and hold”-Strategie, die auf einer nach Marktkapitalisierung gewichteten Nachbildung eines beliebigen Marktes beruht, wären Banken vor dem geschilderten Hintergrund gut beraten, in Sachen Diversifikation einen anderen Weg einzuschlagen.Eine risikobasierte Diversifikation würde ihnen dabei helfen, ihre vorgegebenen Anlageziele und Anlagebeschränkungen zu erfüllen. Im Grunde genommen geht es darum, die Kosten, die den Banken durch den Renditeverzicht bei ihren Liquiditätspuffern entstehe n, zu reduzieren. Dieser “Cost of Carry” wird im Wortsinne untragbar, wenn nicht Optionen gefunden werden, mit denen sich die risikobereinigten Erträge des “risikofreien” Anlageuniversums verbessern lassen.Infolge des gegenwärtigen niedrigen Niveaus der langfristigen Zinsen sind die meisten Banken nicht bereit, Zinsänderungsrisiken einzugehen. Ein Asset-Swap in Bezug auf die Anleihen eliminiert dieses Risiko auf effiziente Weise. Die Erträge müssen also andernorts erzielt werden, und zwar insbesondere durch das Eingehen größerer Kreditrisiken. Kenngrößen im BlickVolatilität und Korrelation sind die beiden Faktoren, an denen sich eine solche Diversifikationsstrategie messen lassen muss. Banken könnten dazu neigen, sich in Emissionen aus den europäischen Peripherieländern – zum Beispiel aus Portugal, Irland, Italien, Spanien – zu engagieren, um gegenüber den Kernländern Renditeaufschläge zu erzielen. Allerdings korrelieren diese in der Regel recht stark mit der Marktentwicklung rund um Griechenland. Da sich die Situation in Griechenland in der ersten Jahreshälfte verschlimmert hat, litten Emittenten aus den Peripherieländern unlängst unter einer erhöhten Volatilität und einer Ausweitung der Spreads.Ein risikobasierter strategischer Allokationsansatz ist in einem solchen Szenario besonders effektiv, weil er nach festen Regeln auf eine Veränderung der beiden Parameter reagiert. Sobald spezifische Risiko-budgets feststehen – die sich je nach den Anlagezielen und -beschränkungen eines Anlegers stark unterscheiden können -, kann ein zugrunde liegender Prozess automatisch den spezifischen benötigten Nennwert ermitteln, um das Risikobudget zu jedem Anpassungsdatum zu erreichen. Besser aufgestelltDiesem Ansatz wohnen zwei wesentliche Vorteile inne. Erstens ist eine solche strategische Allokation nicht vom Wohl und Wehe von Emittenten mit hohem Finanzierungsbedarf abhängig – eine passive Strategie, wie es ein nach Marktkapitalisierung (oder Verschuldung) gewichtetes Anlageuniversum ist, hingegen schon. Da einige Emittenten immer mehr Schulden aufnehmen, würde diese Strategie entsprechend nachziehen. Abgesehen von der anfänglichen Festlegung des Risikobudgets ist ein risikobasierter Allokationsansatz vor einer solchen Situation indes gefeit. Hoch verschuldete Emittenten werden von den Anlegern in der Regel als riskanter wahrgenommen und weisen eine höhere Volatilität und stärkere Korrelation untereinander auf. Infolgedessen verringert sich deren Gesamtgewichtung im Portfolio. Und genau darin besteht der zweite Vorteil dieser Strategie. Das Portfolio wird automatisch angepasst, um das anfängliche Risikobudget systematisch einzuhalten. Das Risiko, in einem Emittenten zu stark engagiert zu sein und somit ein Portfolio zu erhalten, das nicht optimal diversifiziert ist, wird deutlich reduziert. Ein ParadebeispielDie erste Jahreshälfte 2015 wartete diesbezüglich mit einem Paradebeispiel auf. Angesichts der erhöhten Korrelation zwischen verschiedenen Emittenten nach der Umsetzung des EZB-Programms zum Kauf von Schuldtiteln der öffentlichen Hand steuerte ein risikobasierter strategischer Allokationsansatz zunehmend auf Anlagen “weicherer” Kernländer und der Peripherie zu. Infolge ihrer höheren Volatilität und ihrer starken Korrelation waren diese Länder in der Vergangenheit untergewichtet. Supranationale und deutsche Emittenten, die zuvor weniger volatil waren und gegenüber dem übrigen Anlageuniversum eine geringere Korrelation aufwiesen, wurden in Anbetracht ihrer nun steigenden Volatilität und stärkeren Korrelation zu den übrigen Emittenten untergewichtet. Diese konsequente Umsetzung eines im Prinzip einfachen Modells ist in der Lage, den “Cost of Carry” für Liqiditätspuffer um 25 bis 50 Basispunkte zu reduzieren.—-Guillaume Lasserre, Head of Absolute Return & Solutions, Lyxor Asset Management