Die BaFin fasst den Begriff der Nachhaltigkeit weit

Merkblatt orientiert sich an Zielen der Vereinten Nationen - Konsultation dauert bis 3. November

Die BaFin fasst den Begriff der Nachhaltigkeit weit

bn Frankfurt – Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fasst den Begriff der Nachhaltigkeit in ihren neuesten Empfehlungen an die Kreditwirtschaft weit. Die BaFin nehme die aus dem Klimawandel resultierenden Risiken ernst, heißt es im “Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken”, welches die Aufseher am Dienstag zur Konsultation gestellt haben: “Nachhaltigkeit darf sich aber nicht in Klimafragen erschöpfen.” Auch andere ökologische und soziale Trends könnten gravierende Finanzrisiken für von der BaFin beaufsichtigte Unternehmen darstellen. So könnte der Verlust an Biodiversität ähnlich schwerwiegende finanzielle Auswirkungen haben wie der Klimawandel, heißt es. Das Risiko für die Landwirtschaft durch den Verlust von Bestäubern werde auf bis zu 577 Mrd. Dollar jährlich beziffert. “Aus Sicht der BaFin sind daher alle ESG-Risiken (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zu berücksichtigen”, wird mitgeteilt. Getreu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen zählt die BaFin unter “Soziales” etwa Aspekte wie Steuerehrlichkeit sowie “Inklusive Projekte bzw. Rücksichtnahme auf die Belange von Gemeinden und sozialen Minderheiten” und unter “Governance” ein Nachhaltigkeitsmanagement durch Vorstand und Aufsichtsrat, die Vorstandsvergütung sowie die “Ermöglichung von Whistle Blowing” auf. Nachhaltigkeitsrisiken könnten auch erhebliche Reputationsrisiken bergen: “Die BaFin erwartet, dass die Unternehmen eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Risiken sicherstellen.”Das Risikomanagement steht im Zentrum des Merkblatts, die BaFin thematisiert darin aber auch Fragen zu Stresstests, zu Auslagerungen bzw. Ausgliederungen sowie die Verwendung von Nachhaltigkeitsratings. Besonders betroffen sind von den Empfehlungen im Falle von Versicherern laut KPMG unter anderem das Aktiv-Passiv-Management, das Anlagerisikomanagement, die Risikoübernahme und Rückstellungsbildung, die Rückversicherung sowie das Reputationsrisikomanagement.Mit ihrem 33-seitigen Merkblatt will die BaFin eigenen Angaben zufolge “eine Orientierung” geben. Sie sehe es als “Kompendium von Good Practices, das unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips in den beaufsichtigten Unternehmen Anwendung finden soll”. Banken und Finanzdienstleister können bis 3. November zum Dokument Stellung nehmen.”Viele Häuser nutzen das Herausstellen von Nachhaltigkeit zur gezielten Pflege von Marke und Reputation”, erklärt Thilo Kasprowicz, Partner im Bereich Financial Services von KPMG: “Die Aufseher zwingen sie nun auch, Diskussionen im Rahmen der Geschäfts- und Risikostrategie zu formalisieren und Prozesse der Risikosteuerung von Nachhaltigkeitsrisiken zu verfeinern oder gänzlich neu aufzusetzen.” In der Branche geht die Sorge um, dass sich die Hinweise der BaFin schon bald in handfeste Anforderungen der Aufseher wandeln werden, wie die Deutsche Kreditwirtschaft Ende August in einem Brief an BaFin-Präsident Felix Hufeld deutlich gemacht hatte. Dirk Jäger, Geschäftsführer Bankenaufsicht und Bilanzierung beim Bundesverband deutscher Banken (BdB), zeigt sich derweil optimistisch, dass es der Kreditwirtschaft “auch weiterhin” gelingen werde, Risiken des Klimawandels zu bewerten, veränderte Umweltbedingungen angemessen im Risikomanagement und bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen und die damit verbundene Transformation von Wirtschaftszweigen zu begleiten. Bei aufsichtlichen Vorgaben sollte man sich indes über Grenzen von Modellen und Annahmen bei Stresstests bewusst sein, auch gerade aufgrund langer Betrachtungshorizonte: “Im Vordergrund sollte daher eine qualitative Betrachtung der Risiken stehen.”