Die Börse ist der beste Weg zu mehr Eigenkapital
Eigenkapital macht krisenfest. Das gilt nicht nur für Banken, sondern für alle Unternehmen. Galt der deutsche Mittelstand lange Jahre noch als unterkapitalisiert, hat er seine Eigenkapitalquote von 23,9 % in 2006 auf 27,4 % (2012) steigern können.Gut, aber noch nicht gut genug. Denn meist erfolgte die Stärkung der Eigenkapitalbasis aus einbehaltenen Gewinnen und oft zulasten von Wachstum. Eine dynamische Wachstumsstrategie und Internationalisierung ist mit einbehaltenen Gewinnen nur im Ausnahmefall zu stemmen. Oft genug muss im Mittelstand eine Reorganisation mit Eigenkapital unterlegt werden. Gerade bei Familienunternehmen mit weit verzweigten Familienstämmen ist dies nicht einfach. Für solche mittelständische Unternehmen stellt sich daher die Frage nach Private oder Public Equity. Der Vorteil der Börse, also von Public gegenüber Private Equity, besteht in der Langfristigkeit und in der Skalierbarkeit. Der Nachteil in den höheren Transparenzanforderungen. Zu bedenken aus Sicht des Mittelständlers ist auch, dass Private-Equity-Unternehmen ein gehöriges Wort mitreden wollen. Bringen sie Erfahrungen ein, ist das gut, aber auf jeden Fall bindet es erhebliche Managementzeit und kostet Geld. IPOs sind noch die AusnahmeDer deutsche Mittelstand ist in. Investoren aus aller Welt suchen Unternehmen zum Kauf oder um sich über Anleihen oder Aktien am wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands zu beteiligen. Angesichts der niedrigen Zinsen suchen Investoren nach neuen Renditequellen, der Mittelstand ist wieder einmal neu entdeckt. Solche Phasen sind gut für einen Börsengang. Aber hat auch der Mittelstand die Finanzierungsquelle Börse wieder neu entdeckt? Bisher kaum, denn auch wenn die Zahl der Börsengänge in diesem Jahr wieder gestiegen ist, sind Börsengänge von Mittelständlern wie Braas Monier oder im vergangenen Jahr Bastei Lübbe weiter die Ausnahme.Seit den Turbulenzen am Neuen Markt, die bis 2003 andauerten, und der seit 2008 anhaltenden Finanzkrise meiden viele Unternehmer den Kapitalmarkt. Sie möchten sich nicht den verschärften Transparenzregeln unterwerfen, fürchten zum Spielball zu werden und sorgen sich um die Auswirkungen von Kursturbulenzen auf das Vertrauen in ihr Unternehmen. Doch diese Gefahren lassen sich bei sorgfältiger Planung beherrschen.So sind die Anforderungen vieler Banken bei der Kreditvergabe ebenfalls verschärft worden, seit die Eigenkapitalanforderungen für die Banken selbst bei der Kreditvergabe durch Basel III deutlich gesteigert wurden. Was nun von Banken verlangt wird, geht teilweise sogar über die Transparenzanforderungen des Kapitalmarktes hinaus. Wer aber mit einer guten Eigenkapitaldecke punktet, kann solche Begehrlichkeiten erfolgreich eindämmen. Zudem decken die Transparenzanforderungen der Börse heute viele Informationsanforderungen ab, die Geschäftspartner und Kunden ohnehin erwarten. Und es ist beileibe nicht so, dass der Einblick in die Ergebnisse zu zusätzlichem Preisdruck bei den Verhandlungen mit den Abnehmern führt; die Preise werden heute auf dem Markt und im Wettbewerb gebildet und nicht aufgrund von Ergebniszahlen eines Unternehmens.Eine disziplinierte und geregelte Transparenz ist also nicht schädlich, im Gegenteil, sie ist meines Erachtens sogar hilfreich: Die Auseinandersetzung und Kommunikation mit dem Kapitalmarkt kann für einen Unternehmer fruchtbar und hilfreich sein, weil er jede Entscheidung noch einmal aus dem Blickwinkel der Investoren sehen muss. Dadurch muss er sehr genau überlegen, wie er etwa eine Investition kommunizieren kann und ob sie wirklich in die Strategie passt, die er seinen Anlegern beim Gang an die Börse erläutert hat.Das heißt nun noch lange nicht, dass ein Unternehmer nach dem Gang an die Börse nicht mehr Herr im eigenen Haus ist. Niemand ist gezwungen, bei einem Börsengang die Mehrheit an seinem Unternehmen abzugeben. Wer aber einen Börsengang nutzt, um sich langfristig orientierte Investoren an Bord zu holen, der gewinnt kluge Ratgeber für den Aufsichtsrat und den Aktionärskreis. Damit dies jedoch der Fall ist, bedarf es schon in der Vorbereitung des Börsengangs einer klaren Strategie, in welche Richtung sich der Börsenkandidat mit den eingenommenen Geldern entwickeln will, und einer realistischen Perspektive, wie sich das Kapital der Investoren angemessen verzinsen kann. Langfristige OrientierungBei dieser Strategie kommt es nicht darauf an, die potenziellen Geldgeber davon zu überzeugen, dass mit ihren Geldern schon in kürzester Zeit fulminante Gewinne erzielt werden können, die dann selbstredend zu einem rasanten Kursanstieg der Aktie führen. Seriöse und langfristig orientierte Investoren werden dann eher misstrauisch. Sie sind vielmehr an Unternehmen interessiert, die einen soliden Werdegang aufweisen, die bewiesen haben, dass sie ihr Metier beherrschen und mit dem eingesammelten Kapital ihr Geschäft solide und nachhaltig nach vorne bringen können. Gerade der M- und SDax haben hier zuletzt einige überzeugende Beispiele geliefert. Und eine Bank, die den Markt kennt, weiß auch, wo langfristig orientierte Investoren zu finden und wie sie für ein Engagement zu gewinnen sind.Wer ein solches Geschäftsmodell vorweisen kann, der muss auch nicht befürchten, dass er sich Investoren an Bord holt, denen es nur um schnelle Gewinne geht und denen das Wohlergehen des Unternehmens wenig am Herzen liegt. An der Börse sind folgerichtig langfristig orientierte und solide Gesellschaften weitaus weniger Kursschwankungen ausgesetzt als Unternehmen, die sich in Trendbereichen wie etwa dem Internet oder der Biotechnologie bewegen. Wer als solider Mittelständler verlässliche Prognosen liefert und seinen Weg unbeirrt geht, überzeugt an den Börsen und sieht in der Regel eine stabile Kursentwicklung und überdurchschnittliche Bewertungen. Mit einer solchen Währung lässt sich dann das Wachstum günstiger finanzieren. Ausgleich der InteressenNicht zu leugnen sind allerdings Tendenzen an den Börsen, die eine Zurückhaltung des deutschen Mittelständlers gegenüber dem Kapitalmarkt durchaus verständlich machen. Zwar zog nach langer Flaute die Zahl der Börsengänge in Deutschland in diesem Jahr wieder an. Doch leider entsprachen manche Emissionen nicht dem Idealbild. Diesem Idealbild zufolge existiert die Börse vor allem dazu, Wirtschaftsunternehmen Eigenkapital für ihre Investitionen und ihr Wachstum zur Verfügung zu stellen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass der Kapitalmarkt auch dafür genutzt wird, eine sogenannte “Exit”-Möglichkeit zu geben, sprich Kasse zu machen. Was an und für sich nichts Verwerfliches ist, erfordert es doch, dass die Unternehmen nachhaltig aufgestellt sind und nicht auf den Punkt des Börsengangs hin optimiert wurden. Niemand lässt gerne bei einem Börsengang Geld liegen, und kein Investor erwartet ein Geschenk, aber der Ausgleich der Interessen zwischen Investoren und Unternehmen ist von größter Bedeutung, will man die Börse zum Instrument der nachhaltigen Unternehmensfinanzierung machen. Diesem Gedanken fühlen wir uns verpflichtet. Auf Nachhaltigkeit besinnenEs sind daher alle Beteiligten und hier insbesondere die begleitenden Emissionsbanken dazu aufgerufen, sich wieder auf die Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells und den großen Nutzen, den die Börse für Unternehmen bringt, zu besinnen. Mit einer Schneller-Euro-Mentalität ist auf Dauer nichts zu gewinnen.Der Börsengang ist und bleibt der Königsweg der Eigenkapitalbeschaffung. Der deutsche Mittelstand sollte die Chancen noch sehr viel häufiger ergreifen.—René Parmantier, Vorsitzender des Vorstands der Close Brothers Seydler Bank