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Die Börsen sollten sich auf ihre alten Stärken zurückbesinnen

Börsen-Zeitung, 15.8.2014 Die Geschichte der Börsen ist auch eine Geschichte von Märkten, Regulierung und Deregulierung sowie vom Weg, einen besseren Marktplatz im Sinne aller Handelnder zu schaffen. Vieles von dem, was im Laufe der Jahrhunderte...

Die Börsen sollten sich auf ihre alten Stärken zurückbesinnen

Die Geschichte der Börsen ist auch eine Geschichte von Märkten, Regulierung und Deregulierung sowie vom Weg, einen besseren Marktplatz im Sinne aller Handelnder zu schaffen. Vieles von dem, was im Laufe der Jahrhunderte auch über technischen Fortschritt erreicht wurde, waren klare Schritte nach vorne. Neuerungen haben zu mehr Effizienz, Transparenz und Wertschöpfung geführt. Doch gab es auch immer wieder Rückschritte. Meist waren exogene Einflussfaktoren die Auslöser für Veränderungen, etwa Kriege und sich ändernde Regierungsformen. Aktuell erscheint es höchste Zeit, dass die Handelnden einige Änderungen herbeiführen, denn der Kapitalmarkt ist seit der Banken- und Finanzkrise in einer Schmuddelecke und erfreut sich vieler Meinungen und noch mehr regulatorischer Fragestellungen. Das eigentliche Geschäft spielt eine sekundäre Rolle.Bevor auf die Einzelheiten eingegangen wird, noch mal der Bogen zurück in die Geschichte dessen, was starke Börsenplätze ausgezeichnet hat. Es lässt sich quer durch die Geschichte von den ersten Börsen in Italien oder im belgischen Brügge ein roter Faden durchziehen, wie eine Börse idealerweise funktioniert: viele Marktteilnehmer, eine transparente Preisbildung, niedrige Abwicklungskosten und eine effiziente Aufsicht. Beim Thema Aufsicht gab und gibt es Missverständnisse. Der Börsianer als solcher ist marktgläubig und somit skeptisch gegenüber dem Staat. Doch wissen gerade auch die liberalsten Börsianer um die Gefahr, welche entsteht, wenn der Staat nur halbherzig reguliert. Auch bei der Frage nach dem richtigen Weg, möglichst viel Nachfrage und Angebot zusammenzuführen, sind mitunter Wege richtig, die abseits dessen liegen, was Marktwirtschaftler raten.Denn es besteht durchaus ein vordergründiger Widerspruch zum marktwirtschaftlichen Ansatz des Wettbewerbs, denn es ist entscheidend, auf welcher Ebene er stattfindet. Ein “Wettbewerb” muss unter möglichst vielen Marktteilnehmern, hier also Investoren, stattfinden. Eben weil Finanzplätze solch eine hohe Anzahl von Teilnehmern zusammenführen, kommen sie dem Ideal eines atomistischen Marktes ja recht nahe. Nur wird dieses Ziel eben konterkariert, wenn der Wettbewerb unter den Plattformen stattfindet, sich der eigentliche Börsenhandel auf viele Plätze zerfasert und somit der eigentlich relevante Effektenmarkt gar nicht mehr so effizient ist.Dieser Trend ist in jüngerer Vergangenheit zu beobachten, und er sollte all denjenigen, denen ein gut funktionierender Finanzplatz am Herzen liegt (Wirtschaft, Kapitalsammelstellen und Finanzintermediäre) durchaus zu denken geben, denn mit dem Siegeszug der alternativen Plattformen und “Dark Pools” verlieren fast alle. Der steile Aufstieg der zumeist von großen Investmentbanken betriebenen Handelsplätze setzte mit der Finanzkrise ein und brach etwa in Deutschland die Dominanz der Xetra-Plattform auf. Für Intermediäre und Investoren ist das keine gute Entwicklung.Denn die Zentralisierung, die seit dem Krieg stattgefunden hat, mag die eine oder andere Regionalbörse marginalisiert haben, doch für den Anleger war die zunehmende Bündelung in einem zentralen Börsenplatz Frankfurt mit dem Handelssystem Xetra förderlich, wusste doch auch ein privater Investor, dass seine Orders mit sehr vielen Aufträgen anderer Marktteilnehmer “gematcht” wurden und somit nicht nur effizient, sondern auch durch eine starke Aufsicht glaubwürdig vollzogen ausgeführt wurden. Nun wird bei einem Großteil der großen Standardwerte der Handel über diese privatwirtschaftlich organisierten, mäßig beaufsichtigten und vor allem vollkommen intransparenten Handelsplätze durchgeführt. Es ist müßig zu philosophieren, was genau den Ausschlag für den Siegeszug der Dark Pools gab. Doch sollte Einigkeit bestehen, dass diese dunklen Orte nicht im Sinne des Anlegerschutzes sind. Es ist eine absurde Situation erreicht worden, indem Laufbänder Kurse der regulären Börsen zeigen, Indexzusammensetzungen auf Basis von Xetra und Frankfurt entschieden werden und auch viele realwirtschaftliche Aktionen wie Übernahmen und Optionsprogramme sich hieran orientieren, während sich der Handel ins Dickicht der Dark Pools verlagert.Dieser Aderlass muss gestoppt werden. Es findet eine “Regulierungsarbitrage” zum Nachteil der regulierten Plätze statt. Der Handel muss zwingend stärker zentriert werden, und es müssen die gleichen Vorschriften hinsichtlich Exekution und Transparenz geschaffen werden. Sollten Dark Pools diese nicht einhalten, gehören sie geschlossen. Es gibt Leitlinien etwa der ESMA, die von den einzelnen Länderaufsichten einheitlich ausgelegt werden müssen, was leider bisher in sehr entscheidenden Punkten nicht der Fall ist.Diese Rückbesinnung sollte besser sofort beginnen und sie sollte auch hier im eigenen Land durchgeführt werden. Es ist durchaus erlaubt zu fragen, ob es im Sinn eines effizienten Finanzmarkts ist, wenn Plattformen wie Tradegate oder Quotrix Marktanteile zu Lasten der konventionellen Marktplätze gewinnen. Den Betreibern dieser Plattformen wäre ihr Erfolg zu gönnen, wenn er denn unter Waffengleichheit erreicht würde, was aber nun wirklich nicht der Fall ist. Ein Großteil des Erfolges dieser Entrepreneure ist darauf zurückzuführen, dass es deutlich weniger Handelsüberwachung und ein eher rudimentäres Regelwerk gibt. Dass die Deutsche Börse ihren Frieden mit der Veränderung dadurch gefunden hat, dass sie an Tradegate beteiligt ist, ist mehr ein Interessenkonflikt denn eine Vernetzung. Und es ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass die Deutsche Börse einst den Marktteilnehmern gehörte. Durch den Börsengang hat sich dieses alte Gleichgewicht aufgelöst.Mein Fazit ist eindeutig: Erlaubt keinen Wettbewerb zwischen Systemen, sondern versucht, die Regularien zu vereinheitlichen, in der Festsetzung, der Durchführung und der Auslegung. Dann finden sich alle Marktteilnehmer sehr schnell unter einem gemeinsamen Dach wieder, und das wäre auch gut so.René Parmantier ist Vorstandsvorsitzender der Close Brothers Seydler Bank.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von René ParmantierStatt eines Wettbewerbs der Systeme braucht es eine Vereinheitlichung der Regularien. Dann finden alle wieder zusammen.——-