7. JAPAN SECURITIES SUMMIT - IM INTERVIEW: ATSUSHI SAITO, JAPAN EXCHANGE GROUP

"Die Deflation war für uns sehr teuer"

Der Chef des Betreibers der Börsen von Tokio und Osaka über den Weg Japans aus der Krise

"Die Deflation war für uns sehr teuer"

– Herr Saito, bereiten Sie neue Partnerschaften in Europa vor? Sie haben vor kurzem eine Kooperation mit der Nasdaq bekannt gegeben.Aus meiner Sicht sind grenzüberschreitende Übernahmen und Fusionen von Börsenbetreibern so gut wie unmöglich. Wenn man sich die Geschichte ansieht, ist die Fusion von Euronext und Nyse rückgängig gemacht worden. Andere Ansätze wie London-Toronto oder Frankfurt-New York sind alle gescheitert.- Warum?Eine Börse zu betreiben, ist ein sehr sensibles Geschäft, nicht nur ein rein kommerzielles Unternehmen, auch keine staatliche Einrichtung, aber sehr emotional aufgeladen. Es gibt nationalistische Positionen zu diesem Thema. Ich denke nicht über direkte Übernahmen zwischen Tokio und Europa nach. Aber wir suchen natürlich immer nach Möglichkeiten für Zukäufe oder Partnerschaften in speziellen Bereichen unseres Geschäfts wie dem Indexbetrieb oder Informationsdienstleistungen.- Wie könnte das aussehen?LSE-Chef Xavier Rolet ist hier in London sehr erfolgreich gewesen und hat unter anderem die Indexbetreiber FTSE und Russell sowie LCH.Clearnet gekauft. Er ist wirklich smart. Ich respektiere ihn.- Wie wollen Sie Anleger vom japanischen Markt überzeugen?Unsere Regierung hat jetzt eine Strategie, um aus der Deflation herauszukommen, von der die japanische Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahrzehnten nach unten gezogen wurde. Unser Bruttoinlandsprodukt hat über 20 Jahre hinweg stagniert, während andere wie die USA und vor allem China schnell gewachsen sind. Die Deflation war für uns sehr teuer, weil wir eine hohe Staatsverschuldung haben. Wir müssen weg von der Deflation, hin zu Inflation.- Wie soll das gehen?Herr Kuroda, der Gouverneur der Bank of Japan, hat damit angefangen, rund 60 % der neu begebenen japanischen Staatsanleihen aufzukaufen und dem Markt auf diese Weise exzessiv Liquidität zur Verfügung zu stellen. Dadurch sind die Zinsen und der Kurs der Währung gesunken. Der deutliche Rückgang des Yen war ein Nebenprodukt, nicht die eigentliche Absicht. Aus meiner Sicht ist Japan zurück auf dem richtigen Weg. Wir fangen gerade erst an, auf den normalen Wachstumstrend zurückzukehren. Der Aktienmarkt hat sehr schnell reagiert. Seit Premierminister Abe sein Amt angetreten hat, haben sich die Kurse mehr als verdoppelt. Die Immobilienpreise in den großen Städten, insbesondere in Tokio, steigen ein wenig. Für internationale Investoren bietet sich nun eine gute Chance, auf diesen Trend aufzuspringen.- In Europa macht man sich Sorgen um die hohe Staatsverschuldung Japans. Vergleiche mit Griechenland sind schnell bei der Hand.Was die Verschuldung angeht, muss ich zugeben, dass sie mit 200 % des BIP sehr hoch ist. Aber wie Sie wissen, wird das alles – anders als in Europa – von den Japanern finanziert. Japan ist nach wie vor der größte Kreditgeber der Welt. Unsere Assets im Ausland belaufen sich auf fast das Doppelte des BIP. Allein die Barreserven der japanischen Haushalte belaufen sich auf 16 Bill. Dollar. Aber wir erkennen die Notwendigkeit, die Verschuldung auf ein normales Niveau von weniger als 100 % des BIP zu bringen.- Wie soll das gehen?Die Regierung bemüht sich, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Auf diese Weise soll bis 2020 eine schwarze Null erreicht werden. Was die Schulden angeht, muss man sich nicht so große Sorgen machen. Wir lernen von Deutschland. Sie haben die Probleme am Arbeitsmarkt und die Überkreuzverflechtungen der Unternehmen exzellent gemeistert. Der heutige Wohlstand von Deutschland geht vermutlich auf diese Veränderungen zurück. Wir wiederholen das jetzt.- Nach dem Olympus-Skandal war Corporate Governance ein großes Thema. Sie haben mit reichlich Gegenwind zu kämpfen.Wegen der Corporate Governance sind wir lange Zeit kritisiert worden. Deshalb haben wir uns mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt. Nun werden mehr als zwei unabhängige Board-Mitglieder angestrebt. Der Stewardship Code ist in Kraft getreten. Mehr als 175 institutionelle Investoren, auch ausländische, haben sich bei der Finanzaufsicht (FSA) registrieren lassen.- Wie geht es weiter?Wir arbeiten mit der FSA an einem Governance Code, der Mitte des Jahres veröffentlicht werden soll. Mit Beginn der Hauptversammlungen müssen die an der TSE notierten Unternehmen das umsetzen. Es gilt die Regel “Comply or Explain”, das heißt, wenn sie nicht mehr als zwei externe Verwaltungsräte haben, müssen sie klar erklären warum.- Gibt es Bemühungen, Tokio für Emittenten aus dem Ausland attraktiver zu machen?Wir haben den sogenannten Pro-Bond-Markt aufgebaut. Das ist ein Markt für normale Emittenten wie Regierungen. Die Mongolei und Indien waren dort bereits aktiv. Ich würde dieses Segment gerne als panasiatisches Finanzierungsinstrument nutzen. Pro-Bond bedeutet, dass zu diesem Segment nur professionelle Anleger zugelassen sind. Wir benötigen deshalb keine exzessive Regulierung. Englisch kann genauso akzeptiert werden wie Japanisch. Wer an den Pro-Bond-Markt geht und nur mit professionellen Investoren zu tun hat, die das Risiko einschätzen können, muss sich nicht an so strengen Maßstäben messen lassen wie am traditionellen Markt.- Gibt es Pläne, Tokio zu einem Renminbi-Handelszentrum zu machen?Wir würden das gerne. Aber die chinesische Regierung will der Bank of China in Tokio aus geopolitischen Gründen keine Clearing-Lizenz geben. Peking vergibt die Lizenzen mit Vorbedacht. Für uns ist China sehr wichtig, auch als Markt. Wir würden gerne zusammenarbeiten.- Bekommen Sie viel neues Derivategeschäft aus Europa, nachdem die Regulierung dort komplizierter geworden ist?Ja und nein. Wir würden natürlich gerne unser Derivategeschäft vergrößern. Schon einfach deshalb, weil es unter betrieblichen Gesichtspunkten für einen Börsenbetreiber eine höhere Marge bietet als das Cash-Geschäft. Die Produkte sind viel internationaler. Aber wir beobachten keine Inflows aus Europa aus regulatorischen Gründen. Wir sehen ein stetiges Wachstum, aber damit es keine Missverständnisse gibt: Wir versuchen nicht, im “Free Rider”-Stil Vorteile aus einer strengeren Regulierung in Europa zu ziehen.- Manche Leute sorgen sich um die Liquidität am Bondmarkt.Unter dem Gesichtspunkt der Transparenz oder der Risikoaversion der Investmenthäuser wäre es natürlich viel besser, wenn Bonds über die Börse gehandelt würden. Ich habe die Absicht, unsere Staatsanleihen an unserer Börse notieren zu lassen, damit sie dort gehandelt werden können. Aber das ist nicht einfach. Wir müssen uns eine intelligente Lösung dafür einfallen lassen, die Liquidität zu erhalten.—-Das Interview führte Andreas Hippin.