Die demografische Herausforderung
Eine der bedeutendsten Entwicklungen unserer Zeit, die Alterung der Bevölkerung, ist unausweichlich und stellt bereits jetzt eine große Belastung für unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle dar.Während die Weltbevölkerung in den künftigen Jahrzehnten wachsen und bis 2050 vermutlich auf 10 Milliarden ansteigen wird, wächst der Anteil der über 60-jährigen noch schneller. Im Jahr 2015 betrug der Anteil dieser Altersgruppe mit etwa 900 Millionen Menschen noch 12 % an der gesamten Weltbevölkerung. Er wird bis 2045 jedoch voraussichtlich auf 1,9 Milliarden Menschen ansteigen (19 %). In Europa wird sich dieser Trend sogar sehr stark bemerkbar machen, denn bis 2040 wird fast jeder Dritte 60 Jahre oder älter sein. Auf dem immer älter werdenden Alten Kontinent ist Deutschland mit einem Durchschnittsalter von 47,1 Jahren bereits jetzt das Land mit der ältesten Bevölkerung und steht somit weltweit nach Japan an zweiter Stelle. Mit dem steigenden Druck auf die Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle stoßen auch die Wirtschaftssysteme, die die damit verbundenen Kosten tragen müssen, an die Grenzen ihrer Fähigkeiten. Den staatlich betriebenen Gesundheitssystemen in Industrieländern ein Erbe aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geht die Puste aus. Sie bemühen sich, den steigenden Anteil ihrer alternden und für Krankheiten anfälligeren Bevölkerung finanziell zu unterstützen und zu versorgen. Beim Thema Rente geraten die während der Boom-Jahre entwickelten Rentenpläne, die auf dem letzten Gehalt basieren, aus den Fugen, wobei die Verpflichtungen und Risiken schrittweise auf Privatpersonen übertragen werden.Auch wenn die oben beschriebene Situation aus mittel- bis langfristiger Anlageperspektive generell ein eher düsteres Bild abgibt, stellt diese demografische Entwicklung einen äußerst interessanten Sachverhalt dar. Abgesehen davon, dass Senioren rein zahlenmäßig zu einer immer stärkeren Kraft werden, wird ein größerer Anteil am Gesamteinkommen zunehmend von dieser Altersgruppe kontrolliert und ihre Kaufkraft wird bis 2020 voraussichtlich 15 Bill. Dollar betragen. Mit dem Erreichen ihres Lebensabends gewinnen sie eine ganz andere Sicht auf die Dinge: Sie möchten länger gesund bleiben, sich amüsieren, konsumieren anders und verfügen dafür über die entsprechenden finanziellen Mittel. Spezifische ProdukteDurch die alternde Bevölkerung eröffnen sich daher für Unternehmen, die von dieser Thematik betroffen sind, viele Möglichkeiten, da sie neue Bedürfnisse befriedigen und diesen Kunden spezifische Produkte und Dienstleitungen anbieten können. Obwohl es in Europa eine große Zahl solcher Unternehmen gibt, von denen auch viele gut aufgestellt sind, um weltweit von diesem Anlagethema profitieren zu können, werden für einige spezifische Sektoren, wie beispielsweise Gesundheitswesen und Verbrauchsgüter, mehr als 60 % der Erlöse in anderen Regionen generiert. Nicht zuletzt ist dieses Thema aufgrund der Vorhersehbarkeit weniger abhängig vom Wirtschaftszyklus und trägt so dazu bei, einen Teil der Volatilität und Risiken, die mit Aktienanlagen verbunden sind, zu vermeiden.Angesichts der spezifischen Anforderungen und Erwartungen dieser Bevölkerungsgruppe haben wir drei wichtige Investmentsäulen ermittelt: Gesundheitswesen, Renten & Spareinlagen, Verbrauchsgüter.Mehr als 50 % der über 65-jährigen Europäer leiden unter langjährigen gesundheitlichen Problemen dieser Anteil beträgt in den USA 80 %. Dies treibt die durchschnittlichen jährlichen Gesundheitskosten in die Höhe, die sich in Industrieländern derzeit auf 35000 Dollar für eine 90 Jahre alte Person belaufen, wohingegen für eine 60 Jahre alte Person etwa 8200 Dollar und 3000 Dollar für eine 30-jährige Person anfallen. Diese Säule besteht nicht nur aus Pharma-Konzernen, sondern aus Unternehmen, die auf medizinische Geräte und Dienstleistungen spezialisiert sind, wie beispielsweise Zahnimplantate, Hörgeräte oder Diagnostik. Akteure aus der Medtech-Branche gehören zu den Profiteuren der alternden Bevölkerung und sind Bedenken in Bezug auf die Preisgestaltung weniger stark ausgesetzt. Viele europäische Unternehmen aus dieser Branche sind Weltmarktführer und weisen ein Umsatzwachstum im mittleren bis oberen einstelligen Bereich sowie eine solide Rentabilität auf. Letztlich verfügen diese Gesundheitsunternehmen in der Regel über eine solide Finanzstruktur und Geldschöpfung, was sie in die Lage versetzt, das organische Wachstum mit externem Wachstum durch M & A-Möglichkeiten zu ergänzen, die sowohl arrondierend als auch großformatig sind.Darüber hinaus ist eine alternde Bevölkerung ein Motor für eine stärkere Nachfrage nach Lebensversicherungen und rentenähnlichen Produkten, die beispielsweise zur finanziellen Absicherung im Alter benötigt werden. Während derzeit nur 39 % der weltweiten Angestellten für ihren Ruhestand sparen und die Vermögensverwaltungsbranche mit nur etwa 25 % der Ruheständler, die einen Vermögensberater in Anspruch nehmen, in weiten Teilen kaum vertreten ist, geht die Generation der Jahrtausendwende davon aus, dass zwei Drittel ihres Renteneinkommens aus ihren Ersparnissen stammen wird. Dies unterstützt ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung der Ansparphase. Wir gehen davon aus, dass die Notwendigkeit für eine sorgfältige Planung und Diversifizierung der Vermögensverwaltungsbranche Rückenwind geben wird ein jährliches Wachstum von 6 % des globalen Finanzvermögens unterstützt dies noch. Viele der europäischen Lebensversicherer und Vermögensverwalter sind gut aufgestellt, um mit ihren Produkten und/oder Lösungen einen Beitrag zur Bewältigung der finanziellen Herausforderungen von Privatpersonen zu leisten.Letztlich verbringen wir in den OECD-Ländern derzeit durchschnittlich etwa 20 Jahre im Ruhestand (22 Jahre bei Frauen und 18 bei Männern) und da die Baby-Boomer im Vergleich zu anderen Generationen über ein unübertroffenes Einkommen und Vermögen verfügen, bedeutet ihre höhere Ausgabereitschaft, dass viele verschiedene Gruppen von Verbrauchsgütern in den kommenden Jahren einen beträchtlichen Wachstumstrend erleben werden. Dazu gehört das Thema schönes Altern: Schönheits- und Pflegeprodukte gewinnen zunehmend an Zugkraft und der Anti-Aging-Markt wächst in den kommenden Jahren voraussichtlich um 7 % pro Jahr. Interessant ist auch der Bereich Reisen & Freizeit, wobei die Kreuzfahrtindustrie ein besonders gutes Beispiel darstellt: Mehr als 50 % der Kreuzfahrtpassagiere sind älter als 50 Jahre und mit einer immer noch sehr niedrigen Marktdurchdringungsrate (4 % in den Vereinigten Staaten, einem der diesbezüglich am weitesten entwickelten Länder) kann man wohl von beträchtlichen Wachstumsmargen für diesen Teilbereich ausgehen. In den letzten 30 Jahren konnte bereits eine beeindruckende Steigerung der Passagierzahlen verzeichnet werden (von 3,8 Millionen im Jahr 1990 auf 22 Millionen im Jahr 2015 und 2019 voraussichtlich 25 Millionen).Abschließend können wir feststellen, dass diese demografische Entwicklung zwar viele Veränderungen mit sich bringt und eine Vielzahl von Herausforderungen darstellt, der Privatsektor jedoch zweifelsohne eine wichtige Rolle dabei spielen wird, auf die Bedürfnisse älterer Menschen zu reagieren und grundsätzlich einen leichteren Übergang in die Welt von morgen zu ermöglichen. Und somit eröffnen sich für Anleger viele neue Chancen.—-Oliver Cassé, CFA, Senior Fondsmanager, Generali Investments SICAV SRI Ageing Population