Die Deutsche Börse auf dem dritten Weg
Von Dietegen Müller, FrankfurtIn Eschborn sitzt eines der am höchsten bewerteten Unternehmen der Welt – pro Mitarbeiter: Die Deutsche Börse. Auf 22 Mrd. Euro Marktkapitalisierung kommen nur rund 5 000 Köpfe. Darauf wies Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer nicht ohne Stolz in einem Vortrag hin, der vom Research-Zentrum Safe des House of Finance und der Uni Frankfurt organisiert wurde. Der Finanzdienstleister ist auch mehr wert als die Deutsche Bank, deren Marktwert wieder unter 20 Mrd. Euro gerutscht ist. Dabei ist die Deutsche Börse nicht einmal in der Spitzengruppe vertreten – Wettbewerber wie ICE, CME und HKEX sind mit weit über 30 Mrd. Euro bewertet. Dies bringt die Deutsche Börse in eine Art Sandwichposition: Sie ist nicht ganz vorn dabei, aber auch nicht abgehängt wie “Nachzügler” ASX oder Euronext. In einer Art Typologie der Geschäftsstrategien stufte Weimer ICE und CME als Herausforderer mit einer aggressiven Expansionspolitik ein, die auf weltweite Dominanz ausgerichtet seien. Andere Anbieter würden am traditionellem Verständnis als Börsenbetreiber festhalten und sich vor allem auf das Kassageschäft konzentrieren, wiederum andere wie die Nasdaq strebten den Ausstieg aus dem klassischen Börsengeschäft an, diese setze nun etwa viel stärker auf das Datengeschäft. Als dritte Variante sieht Weimer die Deutsche Börse selbst: ein Unternehmen, das sein Geschäft evolutiv weiterentwickelt und dabei stark auf technologische Dominanz setzt. Mit der “Erfindung des elektronischen Handels” habe die Deutsche Börse Wettbewerber plattgemacht.Doch Weimer gibt zu – und das zeichnet ihn aus -, dass er paranoid genug ist, um zu befürchten, dass morgen vielleicht nicht mehr ausreicht, was gestern top war: Was, wenn die Blockchain in Handelsprozesse Einzug hält, Börsen überflüssig macht? Weimer machte deutlich, dass er das Potenzial der dezentralen Datenbanktechnologie eher im Nachhandel als im Handel sieht.Die Sandwichposition zwischen den kleineren und den ganz großen Anbietern macht den früheren HVB-Chef dagegen nicht bange: Jede Börse sei in einer “Sondersituation”, auch die Deutsche Börse. Weimer meinte, “die nationale Volkswirtschaft” schütze das Unternehmen auch: “Es ist nicht nur ein Rucksack, dass man einen nationalen Regulator hat, es kann manchmal auch eine Hilfe sein,” Die Strategie müsse natürlich darauf abzielen, organisch zu wachsen, wobei man mit einem Wachstum von 5 % im Jahr oder mehr sehr gut dabei sei: “Ich sage nicht, dass es einfach ist, aber ich sage, es könnte deutlich schwieriger sein.” Da ein hohes Kreditrating des Zentralverwahrers Clearstream die Kriegskasse für Zukäufe begrenzt, betonte Weimer einmal mehr, dass er vor allem organisches Wachstum anstrebt. Zugleich wies er darauf hin, wie wichtig das Datengeschäft sei: “Daten sind die Rohstoffe.” Auch die “Brand Names” im Indexgeschäft seien “strategische Assets”, Stoxx sei mehrere Milliarden wert, “aber wir wollen natürlich nicht verkaufen”. Im Datengeschäft sei die Weiterentwicklung “ohne kleine oder mittelgroße Zukäufe” aber nicht möglich: Da gebe es einige Unternehmen, die seien “einfach fantastisch”. Auf die Kritik an höheren Gebühren für Marktdaten und eine damit verbundene Untersuchung der europäischen Marktaufsicht ESMA ging Weimer nur am Rande ein: Die Deutsche Börse habe erstmals seit zehn Jahren die Tarife erhöht. Auch gelte, was “nix kostet, taugt nix”, es gebe IT-Kosten, und die Größe des damit erzielten Umsatzes von rund 150 Mill. Euro schreie nicht danach, zu behaupten, hier würde eine Marktstellung missbraucht.—– Wertberichtigt Seite 8 —–Börsen-Chef Weimer sieht sich bei einem nationalen Regulator gut aufgehoben.—–