IM INTERVIEW: TORSTEN HINRICHS, SCOPE RATINGS

"Die Erfahrung ist doch das, was Mehrwert schafft"

Der Scope-Chef über Unterschiede zu US-Ratingagenturen, eigene Fortschritte, Robo-Rating, das Henne-Ei-Problem und erste Schritte über Europa hinaus

"Die Erfahrung ist doch das, was Mehrwert schafft"

– Herr Hinrichs, Sie waren 15 Jahre Deutschlandchef bei Standard & Poor’s (S & P) und sind dann zu Scope gewechselt, vom Riesen zum Zwerg. Warum?Meine Hauptmotivation war, das Thema Rating europäischer interpretieren zu können. Es gab – hauptsächlich als Folge der Finanzkrise – Veränderungen bei den großen Ratingagenturen, auch bei S & P. Da ging es um die Frage der Analytik und bei europäischen Kunden wurde Unmut laut – egal ob Investoren oder Emittenten. Als ich keine Veränderungen bewirken konnte, habe ich den Ausstieg gesucht.- Da hätte es doch aber sicher auch andere Möglichkeiten gegeben, als zum kleinsten aller Zwerge zu wechseln?Klar hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Aber von S & P zu Moody’s oder Fitch zu wechseln hätte die Grundsituation nicht wesentlich verändert. Doch ich wollte das Thema europäische Ratingagentur nach vorne treiben, die mit der Finanzkrise immer lauter gefordert wurde. Genau das wollte auch der Markt. Und als sich bei Scope die Möglichkeit eröffnete, diese Ideen umzusetzen, fand ich das sehr attraktiv.- Nun kosten große Ziele immer großes Geld. Ist für diese Expansion, wie Sie sie planen, genügend davon vorhanden?Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir in der Lage sind, unseren Plan zu finanzieren. Aber wir sind noch nicht am Ziel, DIE europäische Ratingagentur zu werden. Wir wollen uns ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten und vor allem als gleichwertige Alternative am europäischen Markt zu S & P, Moody’s und Fitch gesehen werden. Davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Aber wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg dorthin.- Bis hierhin hat es schon 20 Mill. Euro gekostet. Und bis zum großen Ziel sind viele weitere Millionen nötig. Wie viele, denken Sie?Die genaue Zahl kenne ich nicht. Aber Sie können fest davon ausgehen, dass die in den vergangenen drei Jahren investierte Summe von 20 Mill. Euro der kleine Anfang war von dem, was noch kommen wird.- Was steht als Nächstes an?Wir müssen im europäischen Ausland analytische Kapazitäten aufbauen. Wir haben heute das Büro in London, wo im Wesentlichen die Bankanalysten sitzen. Wir haben bisher nur kleine Büros in Paris, Mailand und Madrid. Diese Büros müssen wir mit Analysten aufstocken, damit wir auch vor Ort in lokalen Sprachen und mit dem jeweiligen kulturellen Hintergrund mit den dortigen Kunden arbeiten können. Wir können nicht den Titel europäische Ratingagentur führen wollen, ohne europaweit umfassend vertreten zu sein.- Das ist jetzt mehr die quantitative Antwort. Und wie geht es qualitativ weiter?Parallel dazu ist eine viel stärkere Ansprache der Investoren nötig, nicht nur in Europa, sondern auch außerhalb Europas. Im Nahen Osten, den USA und in Teilen auch in Asien. Auch dafür ist Personal nötig.- Das können Sie finanzieren? Ihre Eigentümer haben zugesagt, noch einmal mindestens die gleiche Summe nachzuschießen?Das stellt sich im Moment als sehr gut finanzierbar dar. Das Interesse bei Anlegern, Scope mehr Eigenkapital zukommen zu lassen, ist hoch. Die letzte Kapitalerhöhung, die wir für die Feri-Akquisition gemacht haben, lief nochmals viel, viel schneller als die vorherige. Unsere Story ruft bei Investoren Interesse hervor. Wir sprechen jetzt Institutionelle an, im Wesentlichen Versicherungsgesellschaften in ganz Europa, um die nächste große Wachstumswelle mitzufinanzieren.- Diese Welle überrollt dann ein anderes Unternehmen, das Sie kaufen wollen, oder sind das die neuen Büros in Mailand und Madrid?Ich gehe davon aus, dass wir beides machen, weil wir alleine mit organischem Wachstum nicht die Geschwindigkeit erreichen, die wir brauchen, um die europäische Ratingagentur in den nächsten sechs bis acht Jahren zu werden.- Was versprechen Sie Ihren Investoren? Ursprünglich hieß es, 2016 soll der Break-even erreicht werden. Jetzt wollen Sie in die Nähe des Break-even kommen.Das Ziel hieß immer “Close zu Break-even”. Wir haben nie gesagt, dass wir bald Dividenden an unsere Aktionäre ausschütten wollen. Was unsere Investoren sehen wollen, ist Wachstum, sind Fortschritte bei der Umsetzung unseres strategischen Plans.- Wenn Sie jetzt Feri Eurorating pro forma mit einrechnen würden, wie viel Umsatz erlöst Scope? Wie lautet das Ergebnis?Zu Umsatz und Ergebnisveröffentlichen wir grundsätzlich keine Zahlen. Wir haben 120 Mitarbeiter. Davon arbeiten etwa 45 im Bereich der Fonds. Hinzu kommen rund 60 Experten auf der Ratingseite, von denen über die Hälfte Analysten sind.- Worin wollen Sie sich als europäische Ratingagentur von den großen drei in den USA unterscheiden? Was ist das Besondere?Zwischen den drei Großen gibt es in der Methodik nur marginale Unterschiede. Sie sind bei der Beurteilung von Kreditrisiken stark geprägt von einer amerikanischen Sichtweise.- Und was macht Scope anders?Wir haben zunächst analytisch und methodisch ein paar Eckpunkte gesetzt, durch die wir uns unterscheiden. Wir haben bei der Bankenanalyse von vornherein auf den Zusammenhang mit dem Länderrating verzichtet. Wir sehen uns das Geschäftsmodell der Banken an. Hat eine Bank viele Anleihen des eigenen Heimatlandes auf der Bilanz, wie etwa die italienischen Banken, hat das natürlich eine Auswirkung auf das Rating der Bank. Aber alleine die Tatsache, dass eine Bank in Italien oder Spanien ansässig ist, hat keinen Einfluss auf das Bankrating.- Können Sie die Auswirkung dieser Vorgabe an einem Beispiel beleuchten?Santander ist ein gutes Beispiel: Die sitzen zwar in der Nähe von Madrid, haben aber ihr Hauptgeschäft in Europa bzw. Lateinamerika. Deshalb gibt es gar keinen Grund, Santander mechanistisch an das Länderrating Spaniens anzukoppeln. Das ist bei den amerikanischen Agenturen ein Stück weit anders. Wir haben auch von vornherein die neue Regulierung in Europa zugrunde gelegt und das Thema Bail-in und Bail-out zur Grundlage unserer Bewertung gemacht.- Gibt es weitere Unterschiede?Wir bemühen uns in allen Bereichen, ein Stück mehr Zukunftsperspektive – das sogenannte Forward Looking – in die Bewertung hineinzubringen. Das schreiben sich zwar alle Agenturen auf die Fahnen. Wir setzen es allerdings wirklich um: Wir integrieren Elemente der Aktienanalyse in unsere fundamentale Kreditanalyse – im Wesentlichen dort, wo es um die Prognose zukünftiger Kennzahlen, Marktanteile und die Entwicklung des Businessmodells geht. Aktienanalysten sind dafür bekannt, dass sie eher die Chancen als die Risiken sehen, während Kreditanalysten eher die Risiken betonen. Wir versuchen, dies sinnvoll zu verbinden.- Das lässt erwarten, dass Scope tendenziell positiver urteilt als die amerikanischen Agenturen?Das ist nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Scope liegt im Durchschnitt seiner Ratings etwa 0,2 oder 0,3 Notches unter den durchschnittlichen Ratings der anderen Agenturen. Dabei gibt es allerdings regionale Unterschiede: Unsere Ratings sind in Südeuropa tendenziell etwas höher und im Norden etwas niedriger als vergleichbare Ratings bei S & P, Fitch oder Moody’s. Hier zeigt sich der Einfluss der Länderratings, den die US-Gesellschaften mit einrechnen.- Und wie unterscheidet sich das Unternehmensrating?Auch hier versuchen wir stärker zukunftsgerichtet vorzugehen. Die eigentliche Finanzanalyse folgt bei uns den am Markt allgemein üblichen Ansätzen. Aber an einigen Stellen haben wir starke Unterschiede: Wir haben in Europa viele Firmen, die in unterschiedlichen Geschäftsbereichen aktiv sind und nicht auf eine Sparte spezialisiert sind. Diese Diversifizierung führt natürlich zu einer etwas stabileren Geschäftsentwicklung. Diese Firmen sind aber in die Methodik amerikanischer Agenturen schwer einzupassen, weil es diese Vielfalt in den Portfolien in den USA kaum gibt. Und darunter leidet die analytische Durchdringung des Gesamtkonzerns.- Gibt es noch andere Unterschiede in der Betrachtung von Firmen?Europäische Firmen haben traditionell ein stärkeres Liquiditätspolster. Das hat sie sehr gut durch die Finanzkrise gebracht. Dieses Polster finden sie bei angelsächsischen Unternehmen eher weniger. Dort werden diese Mittel über Aktienrückkäufe oder höhere Dividenden ausgekehrt, denn es dominiert der Shareholder-Value-Ansatz. Das führt in der Methodik von S & P & Co. üblicherweise dazu, dass diese Polster von den Finanzkennzahlen abgezogen werden, weil diese Gelder ja morgen ausgeschüttet werden könnten. Diese Interpretation ist nicht nachhaltig.- Ein anderer Unterschied ist die Bewertung von Pensionsverbindlichkeiten.Hier hatte S & P 2002 entschieden, Pensionsverbindlichkeiten grundsätzlich wie normale Finanzverbindlichkeiten zu behandeln. Es ist unumstritten, dass Pensionsverpflichtungen Finanzverpflichtungen sind. Aber es ist genauso unumstritten, dass Pensionsverpflichtungen eine ganz andere Fälligkeit haben als fünfjährige Kredite oder Bonds. Wir sind der Auffassung, dass wir – soweit genügend Cash-flow im Unternehmen ist, um die Verpflichtungen auch in Zukunft bedienen zu können – nur den Teil in die Finanzkennzahlen einrechnen, der in den nächsten zehn Jahren fällig wird. Zugleich begrenzen wir dies auf ungefährt 50 % der Gesamtverpflichtungen. Alles andere macht keinen Sinn.- Jetzt haben Sie teils gravierende Unterschiede zwischen Ihrer und der amerikanischen Herangehensweise beschrieben. Der Proof of Concept beim ersten Rating eines Dax-Konzerns, bei Linde, ergibt: gleiches Ergebnis. Was sind die Unterschiede dann wert?Unsere analytischen, methodischen Unterschiede machen wir nicht mit dem Zweck, höhere Ratings zu vergeben. Es ist nicht das Ziel einer europäischen Ratingagentur, freundlicher oder zuvorkommender für europäische Unternehmen zu sein. Damit würde man auch bei den Investoren selbst wenig Resonanz finden. Das Ziel ist, eine zutreffendere Beurteilung des Geschäfts- und Risikoprofils und damit eine – aus europäischer Sicht – realistischere Bewertung zu geben. Mit einer anderen Perspektive auf Kreditrisiken und vor allem einer meinungsstarken Analyse tragen wir bei den Investoren nichtsdestotrotz zu einer fundierten Investitionsentscheidung bei.- Hand aufs Herz: Hat Sie Linde beauftragt, weil die Münchener eine andere, europäischere Sicht auf das eigene Unternehmen wünschten oder weil sie sich – wie viele andere – maßlos über die hohen Preise der drei großen US-Agenturen ärgern und einen Preisbrecher suchen?Das Reduzieren auf die Preisthematik verkürzt das Thema auf einen Teilaspekt – der sicher eine Rolle gespielt hat. Aber die Kritik an den großen drei geht doch deutlich weiter. Unternehmen und Banken, mit denen wir sprechen, suchen bei einer europäischen Ratingagentur einen anderen analytischen und ökonomischen Ansatz. Hinzu kommt die Frage: Wie gehe ich eigentlich mit meinem Kunden um.- Was heißt das genau?Hier geht es um die Verfügbarkeit eines Analysten für Kunden, um den Austausch auf Augenhöhe. In den USA hat der Kunde nach New York zu kommen und nach zwei Stunden darf er wieder heimfahren. Wir kommen natürlich zum Kunden – und das will der auch so. Jetzt hat er eine Alternative.- In der Rückschau suchten ja nicht nur Unternehmen und Bankeneine europäische Alternative. Auch die Politik, die die Ratingagenturen für die Finanzkrise mitverantwortlich gemacht hatte, forderte eine europäische Konkurrenz. Unterstützt Sie die Politik?Ich habe in den zweieinhalb Jahren, die ich jetzt bei Scope bin, eher begrenzt Unterstützung durch die Politik wahrnehmen können. Die Hochzeit der politischen Auseinandersetzung um Ratings ist lange vorbei – inzwischen sind andere Themen wichtiger. Die Aufmerksamkeit der Politik gegenüber Rating tendiert heute fast gegen null.- Wird es noch weitere Ratings von Dax-Unternehmen geben, nachdem nun mit Linde ein Anfang gemacht werden konnte?Ja, sicher, und wir sprechen europaweit mit Großunternehmen. Die Rückmeldungen, die wir aus dem Ausland bekommen, sind durchaus positiv – ähnlich, wie wir sie hierzulande bekommen haben. Teilweise sagen uns französische, spanische, italienische Unternehmen: Zeigt uns, dass ihr in eurem Heimatmarkt Erfolg habt, dann sind wir auch gerne bereit, in einer zweiten Welle nachzukommen. Im deutschen Markt reden wir mit weiteren Dax-Unternehmen. Ich gehe davon aus, dass wir bereits nach der Sommerpause das ein oder andere Dax-Rating publizieren können.- Sie sagen, Scope sei individueller in ihren Ratings. Machen Sie sich damit nicht angreifbar, indem Ihnen Willkür vorgeworfen wird?Angreifbarkeit kann eigentlich nur entstehen, wenn man intransparent in seiner Vorgehensweise ist oder sich nicht an veröffentlichte Methoden hält. Ansonsten sind Ratings in der Tat Meinungen über zukünftige Ereignisse. Und ob die eintreten oder wie, ist offen – das liegt in der Natur der Sache. Wichtig ist, seine Methodik zu veröffentlichen und dann transparent entlang dieser Methodik zu argumentieren.- Sie beleuchten jetzt Ihr Vorgehen. Aber beantworten nicht die Frage nach Subjektivität versus Willkür.Wir bringen die Subjektivität der Analyse zum Ausdruck und schreiben Meinungen. Diese kennzeichnen wir dann auch als Meinung oder Interpretation. Das ist übrigens ein stark abweichendes Merkmal von Scope im Vergleich zu den amerikanischen Agenturen. Diese sind viel stärker mechanistisch, modellgetrieben geworden nach der Finanzkrise, weil sie das Risiko einer Klage fürchten. Subjektive Abweichungen aus der Erfahrung eines Analysten sind im angelsächsischen Modell sehr schwer geworden in jüngster Zeit. Hier gehen wir ein Stück weit anders vor. Viele unserer Analysten kommen mit viel Erfahrung von S & P, Fitch oder Moody’s und haben ein Gefühl für die Branchen und Firmen, die sie analysieren. Und genau diese Erfahrung und dieses Gefühl ist doch das, was Mehrwert schafft für den Investor. Auch mit dieser Meinungsstärke unterscheiden wir uns. Und glücklicherweise haben wir in Europa ein anderes Rechtssystem als in den USA, so dass nicht sofort alles vor Gericht endet.- Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie den US-Agenturen den direkten Weg zum Robo-Rating prognostizieren?Die Tendenz ist eindeutig. Obwohl das Wort Robo-Rating wahrscheinlich zu extrem formuliert ist.- Das ist alles schön und gut, was Sie tun, was Scope erreicht hat – aber es ist bislang nichts wert. Denn die Europäische Zentralbank zieht Scope-Ratings nicht für EZB-Kaufprogramme in Betracht.Nichts wertkann ich so natürlich nicht stehen lassen. Es gibt durchaus eine Menge Investoren, die in unseren Ratings Mehrwert sehen …- … die aber bei weitem keine solche Einkaufspower haben.Sie haben Recht: Die Rolle der EZB als Eintrittsbarriere für den Ratingmarkt ist nicht zu vernachlässigen, das muss man klar feststellen. Als größter Investor in Europa, der sich ausschließlich auf nordamerikanische Ratingagenturen verlässt, hat die EZB einen gewissen Doorkeeper-Effekt. Wir sind in Diskussionen mit der EZB, um die Anerkennung unserer Methodik zu erreichen.- Wie lautet das Ergebnis dieser Gespräche?Die EZB hat klare Kriterien formuliert und die Hürden damit recht hoch gelegt. Wir brauchen drei Jahre Track-Record mit einer gewissen Abdeckung, bevor wir uns überhaupt bewerben dürfen. Für einen Newcomer stellt das natürlich ein Henne-Ei-Problem dar. Ohne die Anerkennung der EZB ist es sehr schwierig, Mandate zu gewinnen. Und ohne die Mandate ist es sehr schwierig, die Anerkennung der EZB zu bekommen. Diese Problematik versuchen wir auch mit der EZB zu lösen. Unbestritten ist jedoch: Die fehlende EZB-Anerkennung verzögert den Aufbau einer europäischen Ratingagentur und macht das Projekt teurer als nötig.- Jetzt muss ich eine Frage von vorhin doch wiederholen: Gibt es trotz dieser verfahrenen Situation mit der EZB tatsächlich keine Unterstützung von der Regierung? Auch nicht von Nachbarländern, obwohl doch eigentlich eine europäische Alternative gewünscht ist?Es wird in Nachbarländern etwas konstruktiver und durchweg engagierter diskutiert als in der Bundesrepublik. Der politische Wille ist klar – auch in Brüssel bei der Kommission und im Parlament. Jedem ist das Problem klar …- Ich ahne die Antwort: Die EZB ist unabhängig!!Ja, und das ist im Prinzip auch gut so. Es handelt sich in diesem Fall aber nicht um fundamentale Fragen der europäischen Geldpolitik, sondern nur um einen Verwaltungsakt im Sinne der europäischen Unabhängigkeit. Es gibt natürlich Gespräche zu dem Thema zwischen Parlamentariern und dem Direktorium der EZB. Die haben aber leider bislang noch nicht gefruchtet.- Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die jüngst übernommene Feri Eurorating?Durch die Übernahme der Feri haben wir den ersten Schritt in Richtung Marktkonsolidierung in Europa getan. Die Aktivitäten der Feri sind komplementär zu dem, was wir machen. Darüber hinaus haben wir durch Feri jetzt auch Länderratings im Portfolio und das ist eine der Anforderungen der EZB.- Welcher Bereich wächst bei Ihnen am schnellsten?Der Ratingbereich wächst schneller als alles andere.- Jetzt durch die Feri-Übernahme?Nein, das war auch schon in der Vergangenheit der Fall. Die wachstumsstärksten Sparten bei uns sind Verbriefungen und Firmenratings. Und weder bei Structured Finance noch bei Corporates kommt durch Feri Eurorating jetzt dramatisch viel dazu. Das haben wir bei Scope in den vergangenen Jahren aufgebaut. Wir haben aber auch bei privaten Ratings für Investoren zuletzt ein gutes Wachstum erzielt.- Jeder hat Ziele, für sich und für Investoren. Wie sieht Scope in fünf Jahren aus?Ich denke, dass wir in fünf Jahren, ein, zwei weitere Akquisitionen hinter uns gebracht haben. Ich bin mir sicher, dass wir den europäischen Ausbau bis dahin abgeschlossen haben – mit gut eingeführten Büros in den europäischen Metropolen. Ich bin mir auch sehr sicher, dass wir dieses zarte Pflänzchen öffentliche und Blue-Chip-Unternehmen so weit entwickelt haben werden, dass wir hier und in den großen europäischen Ländern sehr sichtbar sein werden.- Sie also in Deutschland alle Dax-Konzerne geratet haben?Ich weiß nicht, ob alle. Aber viele. Und bis dahin wird die Frage klar beantwortet, wer eigentlich die europäische Ratingagentur ist.- Steht die denn heute noch in Frage, diese Frage?Meiner Ansicht nach nicht. Wir sind die Einzigen, die wirklich das Komplettangebot haben: also Firmen und Banken und Pfandbriefe und strukturierte Finanzierungen und Public Finance und Länderratings. Und wir sind die Einzigen, die paneuropäisch unterwegs sind und auch substanzielles Geschäft in ganz Europa haben. Und da wird auch keiner so schnell als Konkurrent kommen, weil die Zutrittsbarrieren recht hoch sind, siehe EZB. In fünf Jahren werden wir auch einen spürbaren Marktanteil gewonnen haben, gemessen am gerateten Volumen und an Umsätzen.- Mit einem Marktanteil von mindestens 10 %?Sagen wir: 10 % in zehn Jahren.- Und in fünf Jahren heißt es dann nicht mehr Close to Break-even, sondern Break-even?Tendenziell ja, wenn wir uns auf die Expansion in Europa beschränken. Dann sollte der Break-even mehr als erreicht sein.- Aber reicht es, ein ordentliches Standing nur in Europa zu haben?Wenn wir uns nur auf Europa beschränken, und dort Erfolg haben, wird Scope immer noch nicht eine wirkliche Alternative zu S & P oder Moody’s sein. Irgendwann werden wir unser Geschäft auch globalisieren müssen. Wann das sein wird, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Jetzt müssen wir uns erst einmal auf Europa konzentrieren. Aber wenn alles gut läuft, kann ich mir vorstellen, in fünf Jahren die ersten Schritte in das nichteuropäische Ausland zu machen.- Was ist da interessanter, das aufstrebende Asien oder die USA?In den USA wird es enorm schwer werden, gegen die etablierten Platzhirsche zu bestehen. Für uns sind in den USA allerdings die Investoren sehr interessant. Für die wollen wir als DER Experte für europäische Kreditrisiken gesehen werden. Ich denke, die ersten Schritte über Europa hinaus könnten im Nahen Osten, in Asien oder vielleicht in Südafrika stattfinden. Da sehe ich größere Marktentwicklungschancen für uns.—– Das Interview führte Ulli Gericke.