Investmentfondstage

"Die Eurozone muss kleiner werden"

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sieht kaum Chancen für eine Regenerierung von Krisenländern innerhalb der Währungsunion

"Die Eurozone muss kleiner werden"

Der derzeitige Kurs zur Rettung des Euro und Stützung der Länder in Finanznöten ist aus Sicht von Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn falsch. Er warnt vor einem gemeinsamen “Schuldensumpf” und plädiert für eine lockerere Währungsunion.Von Stephan Balling, FrankfurtIfo-Präsident Hans-Werner Sinn findet nach wie vor kein gutes Wort für die Euro-Retter. Zwar erklärte der streitbare Professor auf den Investmentfondstagen der Börsen-Zeitung: “Ich bin nicht gegen die Rettung Griechenlands.” Aber er attackierte die Mittel und Wege, mit denen die Staatengemeinschaft derzeit versucht, Griechenland und den Euro zu retten. Der eingeschlagene Kurs widerspricht aus Sinns Sicht jeglicher ökonomischer Vernunft. Wie der Euro. Anders als etwa Altkanzler Helmut Schmidt geht Sinn nicht nur von einer Schuldenkrise, sondern einer Euro-Krise aus. “Die Krise ist vom Euro selbst verursacht worden”, rief er seinen mehr als 500 Zuhörern zu. Die Euro-Krise ist für Sinn eine fundamentale makroökonomische Krise und nicht nur durch mangelnde Fiskaldisziplin in einigen Ländern verursacht: Die Krisenländer müssten abwerten. Notfalls müssten sie dazu zumindest befristet den Euroraum verlassen.Sinns Argumentation: “Der Euro hat dazu geführt, dass die Staatsschulden aller Länder im Währungsraum von den Kapitalmärkten gleich bewertet wurden, es kam zur Zinskonvergenz, Eurolands Märkte glichen sich an. Maximale Beruhigung ist aber nie gut”, erläutert Sinn. Denn dadurch sei offenbar die Sorgfalt verloren gegangen. Ohne Bedenken seien die exorbitanten staatlichen Haushaltsdefizite in Portugal, Griechenland und Italien finanziert worden sowie der Immobilienboom in Spanien und Irland.Die deutsche Politik habe zugeschaut, sogar gejubelt, weil damit ein florierender Außenhandel einherging. Sinn: “Der größte Denkfehler der politischen Klasse liegt darin, dass sie Exportüberschüsse als besonderen Gewinn sieht.” Doch tatsächlich ist ein Leistungsbilanzüberschuss, wie Ökonomen aus ihrem Grundstudium wissen, nichts anderes als ein Kapitalexport. Geht dieser Export auf eine Investitionsschwäche zurück, dann kommt es zur Wirtschaftsflaute. Sinn: “Deutsches Sparkapital wurde exportiert und in Südeuropa verbrannt.” So wurden etwa Häuser gebaut, die heute niemand mehr will, und ausufernder Staatskonsum finanziert. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise habe sich dieser Trend umgekehrt, weil deutsche Banken aufhörten, großzügig Kredite nach Südeuropa zu vergeben, sagt Sinn. Das Geld sei in Deutschland geblieben, sorge nun für einen Investitionsboom. “Das ist der Hauptwachstumstreiber in Deutschland, nicht der Export”, erklärt Sinn die ausgesprochen günstige Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den zurückliegenden Jahren. Heute stütze einzig die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Importe der Krisenländer.Natürlich habe die Bundesrepublik auch deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, sagt Sinn. Während Griechenland, Italien, Irland, Portugal und Spanien seit 1995 im Schnitt um 30 % aufgewertet hätten, habe Deutschland seine Preise um 22 % gesenkt. Hier müssten die Südländer heute umsteuern. Griechenland etwa müsse um 39 % abwerten. Real – also über Lohnsenkungen – sei das aber kaum zu machen, ohne soziale Unruhen zu provozieren und politisch radikale Kräfte zu stärken. Die Lohnkürzungen in den Südländern kämen kaum voran, sagt Sinn. Zwar sinken dort die Lohnstückkosten, wie auch Sinn zugibt. Aber dies sei kein nützliches Maß. Der Ifo-Präsident spricht von “Entlassungsproduktivität”: Wegen des Wirtschaftseinbruchs würden die relativ unproduktiven Arbeitskräfte entlassen. Dadurch steige zwar die Durchschnittsproduktivität der Erwerbstätigen, was sich in sinkenden Lohnstückkosten spiegele. Ein Zeichen für eine steigende Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft sei dies aber nicht. Sinn: “Das entscheidende Maß ist der Deflator des Bruttoinlandsprodukts. Dieses Maß für die Entwicklung der Preise einer Volkswirtschaft – und damit indirekt auch für Lohnkosten – ist aber bisher nur in Irland zurückgegangen. Alle anderen Krisenländer zeigen nicht den Hauch einer Abwertung”, stellt Sinn fest. Deshalb verpufften auch die Euro-Rettungsgelder, die der Ifo-Präsident auf 2,3 Bill. Euro beziffert (inklusive Target-2-Salden, also der Forderungen der Europäischen Zentralbank an die Notenbanken der Länder in Finanznöten). “Es steht schon viel Geld im Schaufenster”, sagt Sinn. Der Ökonom plädiert deshalb für einen gänzlich anderen Kurs, nämlich eine zumindest vorübergehende “Austritt-Option” der Krisenländer. Dann könnten diese ihre neue Währung abwerten und so an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. “Die Eurozone muss zumindest temporär verkleinert werden.” Andernfalls drohe sie entweder gänzlich zu zerbrechen oder in einem gemeinsamen Schuldensumpf zu versinken.