Im InterviewDerek Sammann, CME Group

„Die Finanzmarktakteure kommen zurück“

Die CME Group prüft, Futures auf ihre Volatilitätsindizes aufzulegen. Bislang lässt sich nur Volatilität am Aktienmarkt handeln. Macht die CME Ernst, ginge das auch an den Rohstoff-, Anleihen- und Devisenmärkten.

„Die Finanzmarktakteure kommen zurück“

IM INTERVIEW: DEREK SAMMANN

"Die Finanzmarktakteure kommen zurück"

Der Chef des Rohstoffgeschäfts des Chicagoer Börsenbetreibers CME über Volatilität, Lithium und Emissionszertifikate

Die CME Group prüft, Futures auf ihre Volatilitätsindizes aufzulegen, sagt Derek Sammann, der Chef des Rohstoffgeschäfts des Börsenbetreibers. Bislang lässt sich nur Volatilität am Aktienmarkt handeln. Macht die CME Ernst, ginge das auch an den Rohstoff-, Anleihen- und Devisenmärkten.

Herr Sammann, offenbar gibt es aufregende Nachrichten für Leute, die sich dafür interessieren, Volatilität zu handeln.

Ich weiß nicht, ob Sie sich unsere CME-Volatilitätsindizes angesehen haben, die CVOL-Produkte. Die meisten von ihnen messen die Volatilität eines einzigen Produkts, etwa von WTI-Rohöl, US-Staatsanleihen mit zweijähriger Laufzeit oder Gold. Wir haben auch aggregierte Indizes, die einigen unserer größten Optionskontrakte nach Assetklassen folgen. Das sind Produkte, für die wir unsere eigene proprietäre Berechnung der Volatilität entwickelt haben. Bislang kann man die Indizes nur sehen, aber nicht handeln.

Was passiert da also gerade?

Es gibt sie jetzt in Echtzeit. Anfangs, als wir sie auf den Markt brachten, wurden sie am Ende des Handelstages berechnet. Sie basieren auf unseren eigenen Optionsmärkten in jeder dieser Assetklassen. Wir haben sie also für Fixed Income, Devisen, Energie und landwirtschaftliche Produkte.

Gibt es andere?

Unsere Produkte sind einzigartig. Wir haben das Jahr über mit unseren Kunden gesprochen und sind gebeten worden, einen Volatilitätsindex zu bauen, der direkt zeigt, wie die Volatilität in allen unseren Märkten ist. Das Feedback ist extrem positiv. Unsere Produkte zeigen, was in nahezu jeder Assetklasse vor sich geht – vom Rohölmarkt über den Goldmarkt bis zum Weizenmarkt. Wir haben diese Werkzeuge gebaut und stellen sie zur Verfügung. Sie können auf unserer Website kostenlos abgerufen werden.

Was sagen Ihre Kunden?

Wir haben von einer Menge Kunden gehört, dass sie die Produkte lieben. Wir gehen derzeit durch einen Validierungsprozess, der zeigen soll, was für andere Angebote unsere Kunden gerne sehen würden. Die gute Nachricht ist: Wir haben das Produkt. Es ist schon seit zwei Jahren am Markt. Nun prüfen wir die Unterstützung der Kunden dafür, eventuell Futures auf einige dieser Benchmark-CVOL-Indizes aufzulegen.

Was könnte ich mit so einem Produkt anfangen?

Sie könnten einen Kontrakt auf den WTI-CVOL kaufen und wären dann „long“ Volatilität. Oder wenn Sie der Meinung wären, dass die Volatilität zurückgehen wird, könnten Sie diesen Kontrakt verkaufen. Eventuell könnten Sie auch einen Put kaufen.

Wie hat sich Ihr Geschäft in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt?

Die Rohstoffmärkte sind zweifellos stark. Als ich zuletzt hier war, befanden wir uns im ersten Quartal nach der russischen Invasion der Ukraine und es herrschte überall Volatilität und Ungewissheit. Das hatte wesentliche Auswirkungen auf die Rohstoffmärkte, nicht nur bei Energie, aber natürlich auch Schwarzmeer-Weizen, und der weltweite Weizenpreis reagierte darauf. Alles stieg, war volatil und sehr ungewiss.

Was hat das mit Ihrem Geschäft gemacht?

2022 war am Ende ein Rekordjahr: Wir hatten ein Rekordvolumen an der Börse insgesamt, Rekordvolumen bei Optionen und ein Rekordvolumen außerhalb der Vereinigten Staaten. Wir erreichten bei allen Messwerten und Maßzahlen, die wir uns ansehen, Rekordwerte. Das hat sich im ersten Quartal 2023 fortgesetzt. Wir hatten bei Optionen unser bislang stärkstes Quartal mit 5,8 Millionen gehandelten Kontrakten pro Tag. Im gesamten Vorjahr waren es 4,4 Millionen Kontrakte. Es handelt sich also um einen wesentlichen Anstieg, obwohl Russland im Grunde schon vor einem Jahr in die Ukraine einmarschiert ist.

Ist das Volumen kontinuierlich gestiegen?

Interessanterweise haben wir, nach einem großen Anstieg des Volumens zu Beginn des vergangenen Jahres, im zweiten Halbjahr so etwas wie ein Risk-off-Umfeld beobachtet. Die Margen stiegen, die Volatilität war sehr hoch. Das hat ein paar Finanzmarktteilnehmer aus dem Markt getrieben. Wir haben etwas Sektorrotation in Finanzprodukte wie Aktien, Anleihen und Devisen beobachtet. Dieses Jahr hat sich die Situation bei Rohstoffen normalisiert, insbesondere im zweiten Quartal.

Könnten Sie uns dazu ein paar Zahlen nennen?

In diesem Quartal ist unser Energiegeschäft um 9% gewachsen, unser Metallgeschäft um 28% und unser Geschäft mit Agrarrohstoffen (Ag) um 33%. Diesen Monat beläuft sich das Wachstum bei Ags auf 47%, bei Metallen auf 18% und bei Energie auf 11%. Wir beobachten oft, dass die Volatilität weltweit von Assetklasse zu Assetklasse rotiert. Im vergangenen Jahr hatte das bleibende Auswirkungen auf Aktien, Anleihen und Devisen. Dieses Jahr gab es etwas Rotation in Richtung Rohstoffe.

Warum?

Dieser Markt hat sich normalisiert. Die Volatilität ist ein bisschen zurückgegangen, die Margen sind gesunken. Wir haben gesehen, dass Finanzmarktakteure in Rohstoffe zurückgekehrt sind, teilweise um Ungewissheit am Aktienmarkt auszugleichen. Die Freude daran, für eine Börse mit Benchmark-Liquidität in jeder großen Assetklasse zu arbeiten, besteht darin: Wenn es zu einer Sektorrotation kommt, wird man irgendwo gewinnen. Im zweiten Quartal haben Rohstoffe starkes Wachstum verzeichnet. Innerhalb dieser Geschichte gibt es eine weitere: Das Optionsgeschäft bewegt sich von Stärke zu Stärke. Seit Jahresbeginn ist es insgesamt um 24% gewachsen. Wenn man sich ansieht, wovon das getrieben wird, sind es Zinsoptionen mit plus 39%, Metalloptionen mit plus 29%, Aktienoptionen mit plus 7% und Energieoptionen mit plus 4%. Das ist gutes starkes Wachstum über Finanzprodukte und Rohstoffe hinweg. Optionen sind flexible Werkzeuge, die für volatile Märkte gemacht sind – für Märkte also, die wir gerade sehen.

Was heißt das für 2023?

Es ist eine Fortsetzung der Wachstumsstory. Wir sehen Stärke bei Rohstoffen, die im vergangenen Jahr etwas hinter den Finanzprodukten zurückgeblieben sind, obwohl es ein Rekordjahr für die Börse insgesamt war. Da ist eine Menge los.

Profitieren Sie immer noch von der Nickelkrise im vergangenen Jahr?

Wir haben keinen Nickelmarkt. Wo wir einen Nutzen gesehen haben, ist in Form von wachsendem Geschäft in unseren Märkten mit Kunden, die bislang Aluminium und Kupfer handelten. Das spricht dafür, dass sich die Kunden wohlfühlen und verstehen, wie unsere Börse arbeitet, was unsere Regeln sind, was unsere Limits für Positionen sind und wie die Märkte in Stressphasen funktionieren. Jeder weiß, wie unser Markt reagiert, wenn sich dort etwas ereignet. Ich denke, das Interesse an diesen Fragen ist stark gestiegen. Und wir haben mehr Partizipation in unseren Metallmärkten beobachtet. Wir betreiben einfach Märkte, die der Nachfrage der Kunden nachkommen und ihnen einen sicheren Ort bieten, um Geschäfte zu machen.

Was waren die Probleme bei Nickel?

Zuerst einmal ist Nickel einer der kleineren Märkte an der London Metal Exchange (LME), keiner der größeren. Comex war historisch betrachtet ein Edelmetallmarkt. In den vergangenen zehn Jahren haben wir eine Menge in den Ausbau unseres Industriemetallgeschäfts investiert, insbesondere in Kupfer. Wir haben wesentliches Wachstum bei Kupfer und Kupferoptionen verzeichnet. Wir haben uns schon vor der Nickelkrise besser geschlagen als die LME. Aluminium ist für uns der nächstgrößte Markt. Und das ist auch der Markt, wo wir eine Menge investiert haben, um die Partizipation auszuweiten. Nickel findet sich an vierter oder fünfter Stelle auf der Liste, weit hinter Kupfer und Aluminium. Unser Ziel war, uns auf die größten Industriemetallmärkte zu konzentrieren. Wir werden einmal zu Nickel kommen, aber derzeit... 

Gibt es neue Sorgen, von denen Ihnen die Kunden berichten?

Ein paar Dinge. Wir hatten 13 Jahre Nullzinspolitik. Wenn Geld nichts kostet, ist die Volatilität niedrig. Nun findet eine Umbasierung des Risikoverständnisses statt. Und es gibt eine neue Wertschätzung für Risiko. Im Vergleich zu dem niedrigen Niveau von Volatilität und Zinsen, das wir in den vergangenen 12 oder 13 Jahren hatten, zeichnet sich ein dauerhaft höheres Volatilitätsniveau ab. Wir haben fast eine Generation von Händlern, die es nie mit einem Hochzinsumfeld oder sehr volatilen Märkten zu tun hatten. Die Leute haben sich neu orientiert und sind sich dessen bewusst geworden, dass es Risiken in der Branche gibt, die jetzt stärker gemanagt werden müssen. Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der wir diesen Geist zurück in die Flasche befördern, die Volatilität in allen Assetklassen völlig verschwindet und wir weltweit zu Nullzinsen zurückkehren. Ich kann mir so eine Welt nicht so schnell vorstellen.

Wir haben mit der Umstellung von Libor auf Sofr gerade die größte Umstellung an den Finanzmärkten hinter uns, die es je gegeben hat. Das Ausmaß, die Billionen von Dollar, die sich in der Vergangenheit am Libor orientiert haben...

Ist die Umstellung denn abgeschlossen?

Die Umstellung von Libor-Euro-Dollars auf Sofr ist abgeschlossen. Die Umstellung der notierten Futures und Optionen verlief reibungslos, aber wir haben mit der Arbeit daran auch schon 2015 angefangen. Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde. Also haben wir uns darauf vorbereitet und mit der Branche und dem Alternative Reference Rates Committee (ARRC) zusammengearbeitet. Wir waren ein ARRC-Gründungsmitglied. Wir haben mit der Aufsicht bei der Entwicklung dessen zusammengearbeitet, was auf Libor folgen sollte. Wir haben nicht im Hinterzimmer entschieden und dem Markt danach mitgeteilt, dass Sofr die Antwort ist. Wir haben mit der Branche kooperiert und sie hat uns dabei geholfen festzustellen, was am besten für sie funktionieren würde. Die acht Jahre währende Implementierung kam im April mit der Umstellung des Rests der notierten Derivate auf Sofr zum Abschluss. Jetzt lizenzieren wir einen Laufzeit-Sofr (Term Sofr), einen Zins, der Libor über die Zinskurve hinweg ersetzt. Bislang haben ihn 2.500 Firmen von uns lizenziert. Nach unserer Zählung folgen Sofr weltweit Kredite und Finanzinstrumente im Volumen von 3,9 Bill. Dollar. Das ist ein hoher Wert, aber da ist noch eine Menge mehr, die mit der Zeit umgestellt wird. Am Ende werden wohl alle von mit Libor verknüpften Krediten auf mit Sofr verknüpfte Kredite umsteigen. Wir haben schon einen wesentlichen Teil davon gesehen.

Wie haben Sie die Leute dazu bekommen, sich auf einen Laufzeit-Sofr zu verständigen? Hier gab es große Debatten dazu.

Enorme Debatten. Und das waren weltweite Debatten. Ja, es ist ein Referenzzins für Kredite in US-Dollar. Aber das sind 70% aller Kredite weltweit. Unser Ausgangspunkt war die Zusammenarbeit mit der Branche. Es bestand ein Risiko für unser Geschäft, weil wir in unserem Euro-Dollar-Geschäft der unangefochtene Marktführer bei kurzfristigen US-Zinsgeschäften waren. Manche haben es mit einem schwierigen Ball beim Baseball verglichen. Jemand kann hereinkommen, mit uns in den Wettbewerb treten und der CME Group dieses Geschäft abnehmen. Wir dachten, dass wir den besten Ort im Land dafür haben, weil wir auch das lange Ende der Kurve haben und in den vergangenen vier Jahren der beste Platz für kurzfristige Zinsgeschäfte in Dollar waren. Also dachten wir, dass wir der Ort sein würden, in dessen Richtung die Umstellung verläuft. Aber wir haben nichts für selbstverständlich gehalten.

Und Sie hatten Erfolg.

Wir waren sehr erfreut, dass wir zum Benchmark-Administrator für Sofr ernannt wurden. Wenn Sie sich erinnern, wurde Libor von der BBA ermittelt, der British Banking Association. Dann übernahm ICE Benchmark Services die Ermittlung. Wir sind sehr glücklich, dass es, obwohl es sich um eine derart umfangreiche Umstellung handelte, so gut wie keine Nachrichten dazu gab, weil alles glatt und reibungslos verlaufen ist.

Und weil es keiner verstanden hat.

Das hat wohl auch eine Rolle gespielt. Wir haben die Risiken verstanden. Die Leute, mit denen wir arbeiteten, verstanden die Risiken. Aber für die meisten Leute ist es sehr technisch. Aber es ist für die weltweite Kreditvergabe so wichtig, dass jeder das Ausmaß des Risikos und die Notwendigkeit, alles richtig zu machen, begriffen hat.

Jetzt sind nur noch ein paar Kredite und Anleihen übrig, die schwer zu handhaben sind.

Wir haben eine Übereinkunft mit ICE Benchmark Services erzielt, Sofr zu nutzen, um einen synthetischen Libor zu ermitteln. Das ermöglicht ICE Benchmark Services so lange, einen Preis zu liefern, bis diese Schulden getilgt sind. Das war wichtig. Wissen Sie, am Ende stehen wir mit der Intercontinental Exchange im Wettbewerb, aber wir kollaborieren auch, wenn es der Branche nutzt. Das ist ein gutes Beispiel dafür. Wirklich interessante Zeiten, Fixed Income ist unser größtes Geschäft. Es liefert das größte Volumen und die meisten Einnahmen für uns. 

Nun könnte man also diesen synthetischen Libor als Benchmark nutzen.

Wir machen das nicht, weil alles in unserer Welt auf Sofr umgestellt worden ist. Wir haben keine Euro-Dollar- oder Libor-basierten Kontrakte.

Aber ich könnte ihn benutzen, wenn ich Kredite hätte, die sich nicht umstellen lassen, oder?

So ist es gedacht. Damit können die Kredite weiterlaufen. Man muss sie nicht tilgen. Ich denke mal, ein Durchschnittsbürger wie jemand, der in den USA einen Studienkredit aufnimmt, weiß nicht, dass sein Darlehenszins Libor plus irgendwas war und inzwischen zu Sofr plus irgendwas wurde. Es passierte einfach wie von Zauberhand irgendwo im Hintergrund. Für den Kreditnehmer hat sich dadurch nichts geändert. Das ist das richtige Ergebnis. Das System konnte sich reibungslos durch eine Umstellung bewegen, die sonst ein den Markt wirklich destabilisierendes Ereignis hätte sein können. Aber wir haben uns darum gekümmert, die Leute mitzunehmen. Also haben wir überkommuniziert und kollaboriert, wie wir es bei solchen Angelegenheiten immer tun. Und das Ergebnis war sehr positiv.

Könnte ein Grund für die starke Rohstoffnachfrage sein, dass sie als Hedge gegen Inflation betrachtet werden?

Da stimme ich komplett zu. Es ist schwierig gewesen, diesen Markt durch den Aktienmarkt anzugehen. Gold hat sich aus meiner Sicht als gute Absicherung gegen Inflation erneut Geltung verschafft. Die Leute wissen den Wert einer Absicherung gegen Inflation durch physische Rohstoffe wieder zu würdigen. Gold ist einer davon. Was uns freut, ist das Niveau des Open Interest, also die Zahl der ausstehenden Kontrakte. Sie wächst wieder und befindet sich wieder dort, wo wir vor der Pandemie gewesen sind. Sie war zurückgegangen, als eine Menge Finanzmarktakteure wie Hedgefonds und Assetmanager den Markt verließen, weil er zu volatil und ungewiss war.

Kommen sie wieder?

Wir beobachten, wie eine Menge dieses Geschäfts zurückkommt, insbesondere Indexanbieter. Und wenn das Indexgeschäft wieder zulegt, das wiederum mit ETFs verbunden ist, dann wissen wir, dass Kunden ein passives Exposure zum Rohstoffmarkt suchen. Für uns ist das ein sehr starkes Signal für Sektorrotation und Wachstum von alternativen Assets, egal ob es sich um Energie, Öl oder Metalle handelt. Wir sehen das mit Sicherheit positiv. Ein Markt, in dem es gesunde physische Teilnehmer wie große Energiekonzerne und Handelsunternehmen zusammen mit Finanzmarktakteuren wie Assetmanagern und Pensionsfonds gibt, ist der Markt, der am besten funktioniert. Wir sehen, dass die Finanzmarktakteure zurückkommen. Wir sehen, dass die Zahlen für Open Interest wieder nach oben gehen und dass mehr Indexing Desks ihre Positionen ausweiten. Sie haben aus meiner Sicht also recht. Zumindest ein Teil der Geschichte ist Absicherung gegen Inflation, ein Teil davon ist Sektor-
rotation.

Die Leute sind sich nicht sicher, was der nächste Zinsschritt sein wird. Werden es wieder 25 Basispunkte? Wird es eine Senkung? Wir wissen es nicht. Die erste Zinsexplosion hat ein paar Regionalbanken in den USA erledigt. Das hat eine Menge Volatilität erzeugt. Die Volatilität zweijähriger Treasuries stieg fast auf den höchsten Wert, der erreicht wurde. Und die Verhandlungen über die Schuldendecke in Washington sorgten mehrfach für ein merkwürdiges Erscheinungsbild der Zinskurve. Es fehlt also nicht an risikobehafteten Ereignissen.

Es ist eine seltsame Welt, wenn Aktien, Anleihen und Cash in etwa die gleiche Rendite abwerfen.

Das erinnert die Leute an die Wichtigkeit von Risikomanagement. Es zwingt sie, ihre Due Diligence dazu zu machen, wo und wie sie dieses Risiko am besten managen. Er könnte eine Börse sein, ein ETF oder eine alternative Handelsplattform. Wir sind zunehmend der Ansicht, dass die Risikominderung, die zentrale Gegenparteien liefern, bedeutet, dass es sie in Derivatemärkten geben sollte – ob es sich dabei nun um die CME Group, eine europäische oder eine asiatische Börse handelt. Wir denken, dass regulierte Märkte für die Kunden der beste Ort sind, um ihr Risiko zu managen.

Und Sie haben einen Lithiumkarbonat-Kontrakt auf den Markt gebracht.

Das haben wir. Es ist ein Nischenmarkt. Er ergänzt unsere Kobalt- und Lithium-Suite. Es gibt noch eine Reihe anderer kleiner Puzzleteile, über die wir nachdenken. Während diese Märkte mit der steigenden Nachfrage heranreifen, brauchen sie eine transparente liquide Preismarke, nicht nur für die Preisfindung, sondern auch für das Risikomanagement rund um diesen Preis. Der neue Kontrakt wird neben unserem aktuellen Lithiumkontrakt und dem Kobaltkontrakt sitzen, während wir diese Produktsuite ausbauen. Wir sind ganz klar der unangefochtene Marktführer bei Batteriemetallen und werden darauf weiter aufbauen. Wir arbeiten uns auf eine Art und Weise durch diese Märkte, die am besten dazu geeignet ist, sie auf einen regulierten Handelsplatz zu bringen.

Könnte der freiwillige CO2-Handel eines Tages so etabliert sein wie das EU-Emissionshandelssystem?

Das ist ein anderer Markt. Ich glaube nicht, dass der eine den anderen kannibalisiert. Wir denken, dass diese beiden Märkte komplementär sind und nebeneinander liegen. Compliance-Märkte wie das EU-ETS werden nicht verschwinden und im freiwilligen Emissionshandel aufgehen. Wir sind absolut der Meinung, dass es immer die Notwendigkeit von regionalen und Cap-and-Trade-Programmen geben wird. Großbritannien prüft ebenfalls die Einführung eines solchen. Auch in Südkorea wird darüber nachgedacht. Jeder versucht, seinen eigenen regionalen Markt zu haben. 

Was würden Ihre Kunden gerne sehen?

Sie hätten gerne ein weltweit standardisiertes Produkt, und das war unsere Herangehensweise. Also haben wir uns entschieden, in die freiwillige Seite des Markts zu investieren, wo es keine Lösung gibt, während es für bestimmte Regionen bereits eine Menge bestehender Lösungen gibt. Und weil wir uns mit unseren GEO-Produkten in einer Führungsposition an den freiwilligen CO2-Märkten etabliert haben, wurden wir gebeten, eine Hand voll EU-Verschmutzungsrechte weiter zu notieren. Das machen wir für Kunden, die eins gegen das andere handeln wollen.

Wer ist in diesem Markt aktiv?

Wir haben Finanzmarktakteure neben physischen Akteuren und wir sehen, dass dieser Markt Erfolg hat. Er wächst schnell, weil er später an den Start gegangen ist und von einer kleinen Ausgangsbasis her kommt. Wir konzentrieren uns nun darauf, mehr Player aus der Finanzbranche hereinzuholen: Hedgefonds, Assetmanager, Pensionsfonds, diejenigen, die nach einem CO2-Ausgleich suchen oder einfach nur Exposure wollen und eine Position einnehmen. Jeder dieser Kontrakte steht für 1.000 t CO2. Das ist etwas für institutionelle Kunden, die entweder auf Grundlage ihrer Selbstverpflichtung auf Net Zero ihren eigenen CO2-Fußabdruck verringern wollen oder ein finanzielles Exposure zu diesen Kontrakten suchen. Wir sind eine Partnerschaft mit CBL Xpansiv eingegangen, dem größten Spotmarkt für den freiwilligen CO2-Handel, und sind der exklusive Anbieter von Derivaten auf diesem Markt. 

Wie funktioniert das?

Diese Produkte werden physisch zugestellt. Das bedeutet, dass man bei Auslaufen des Futures-Kontrakts auf digitalem Wege ein Zertifikat für 1.000 t CO2 erhält. Wenn der Kunde sich entscheidet, es zu behalten, kann er damit seinen eigenen Fußabdruck ausgleichen und das durch sein ESG-Reporting oder irgendeine andere regulatorische Berichterstattung vermelden. Oder er kann es weiterverkaufen und muss dann einfach ausweisen, dass er das CO2 seinem Fußabdruck hinzugerechnet oder davon abgezogen hat.

Was ist dabei Ihre Rolle?

Unsere Rolle besteht darin, transparente liquide Märkte zur Verfügung zu stellen, um zu gewährleisten, dass die Preisfindung so effizient wie möglich stattfinden kann. Wir sind nicht der Spotmarkt, wir sind auch kein Registrierer, der solche Zertifikate validiert. Unsere Rolle ist die Preisfeststellung und die Bereitstellung von Preisen. Damit haben wir weiterhin Erfolg. Es ist sehr aufregend, dabei zu sein. Es ist immer noch ein sehr frühes Entwicklungsstadium des Markts.

Was ist noch zu tun?

Es gibt Fragen, die immer noch Antworten benötigen. Aber es gibt Standards wie die Prinzipien, die IOSCO aufgestellt hat. Dieser Markt ist so schnell gewachsen. Normalerweise würde eine Derivatebörse viele Jahre warten, bis ein Cash- oder physischer Markt auf eine gewisse Größe herangewachsen ist. Dann würde sie ihn für tief und liquide erklären und einen Future darauf auflegen. In diesem Fall sind die Märkte gewissermaßen Seite an Seite gewachsen. Weil das so schnell passiert ist, versuchen viele Leute immer noch, Dinge zu verstehen: Was passiert mit den Kontrakten im weiteren Zeitverlauf, nachdem man sie in Empfang genommen hat? Wann werden sie aus dem Verkehr gezogen? Weil wir das erst ein paar Jahre machen, wurden noch nicht viele aus dem Verkehr gezogen. Es ist aufregend, Teil dieser Evolution des Markts zu sein.

Das Interview führte Andreas Hippin.

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