Die Führerscheinstelle wird strikter
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Die Führerscheinstellen der deutschen und der europäischen Bankenaufsicht sind strikter geworden. Gerade im Falle von Risikomanagern und Compliance-Verantwortlichen gestalte es sich in jüngster Zeit oftmals schwierig, das Plazet der Aufseher für die Berufung eines neuen Vorstandsmitglieds zu erhalten, ist im Markt mit Blick auf die BaFin zu erfahren. In diesem Segment des Arbeitsmarktes habe dies den Marktwert qualifizierter Kräfte bereits in die Höhe getrieben.
Informelle Gespräche
Auf eine rigidere Handhabung der Eignungstests potenzieller Vorstandsmitglieder lassen Gespräche schließen, welche die Börsen-Zeitung mit vier mit der Situation vertrauten Personen geführt hat, die sich indes nur unter Wahrung ihrer Anonymität äußern wollen. Weder die Europäische Zentralbank noch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) teilten auf Anfrage mit, wie sich die Zahl der von ihr abgelehnten Bewerberinnen und Bewerber für Vorstandsfunktionen zuletzt entwickelt hat. Entsprechende Angaben würden ohnehin in die Irre führen, wie es bei mit der Materie vertrauten Personen heißt. Denn jede sich einigermaßen geschickt anstellende Bank fühlt demnach zunächst in informellen Gesprächen vor, ob ein Kandidat oder eine Kandidatin den Führerschein für die Geschäftsleitung bekommen dürfte oder nicht. Ist eine Person für die Aufseher ein No-go, wird dies frühzeitig klar. In anderen Fällen ziehen von der EZB direkt beaufsichtigte Institute ihren Kandidaten im Laufe des Verfahrens zurück, bevor die Aufsicht diesen offiziell ablehnt, wohl auch, um einem Reputationsschaden vorzubeugen.
Zuletzt soll wiederum die BaFin ein Verfahren derart in die Länge gezogen haben, dass dem Betreffenden auch ohne offizielles Njet der Bonner Behörde klar wurde, was Sache war. Gerade für kleine Banken mit ohnehin geringen Ressourcen sei dies ein Problem, ist im Markt zu erfahren.
In den letzten Tagen unter Ex-BaFin-Präsident Felix Hufeld hatte der Attentismus demnach zugenommen, da unter dem Eindruck des Wirecard-Skandals und angesichts der Ungewissheit über die künftige Führung der Behörde der Mut zu Entscheidungen geschwunden war. Seit Amtsantritt von Nachfolger Mark Branson sei zu erkennen, dass sich die Zögerlichkeit verflüchtige, was allerdings nicht bedeute, dass die Bewertungen nun gnädiger ausfielen. Im Ergebnis aber sei eine klare Ansage, auch wenn sie eine Absage bedeute oder einem Kandidaten zusätzliche Schulungen aufbürde, leichter zu verkraften als nagende Ungewissheit. Selbst unter diesen Umständen soll zuletzt in zumindest einem Fall ein Kandidat bei der BaFin offiziell durchgerasselt sein.
Ein neuer Wind
Entstanden ist der neue Wind, der in Bonn weht, allerdings weniger durch den Wechsel im Präsidentenamt der BaFin, sondern eine Hierarchiestufe darüber, in der Europäischen Zentralbank. Im vergangenen Jahr hat die von Andrea Enria geführte Bankenaufsicht Eurolands ihren Leitfaden für die sogenannte Fit-&-Proper-Prüfung verschärft. Damit wollte sie auch die Richtlinien der Eignungsprüfungen in den Staaten Eurolands auf ein einheitliches Niveau bringen. Seither hat sich die Praxis bei der EZB verschärft.
Er nehme wahr, dass die Zahl der abgelehnten Kandidaten zugenommen habe, sagt ein Beobachter. Auch nehme die Aufsicht verstärkt Einfluss auf die Nachfolgeregelungen: Laufe etwa der Vertrag eines Vorstandsmitglieds aus, rege sie etwa die Berufung einer IT-Fachperson an, wenn sie in der Führung des Instituts entsprechende Expertise vermisse. Auch nutze die EZB vermehrt das Instrument einer neuerlichen Überprüfung der Eignung, eines sogenanntes Fit-&-Proper-Reassessment, wenn in einer Bank Mängel zutage träten. Kein Pardon gibt es demzufolge, wenn eine Bank eine hohe Geldstrafe wegen Fehlverhaltens hat zahlen müssen. So trat 2021 Danske-Bank-Chef und Ex-ABN-Amro-Vorstandsmitglied Chris Vogelzang zurück, nachdem das niederländische Institut Vorwürfe von Verfehlungen in der Geldwäscheprävention mit einer Zahlung von rund einer halben Milliarde Euro beigelegt hatte. In solchen Fällen hält sich die EZB an das Konzept der Gesamtverantwortung des Vorstands und untersucht auch die Rolle der übrigen Mitglieder des Führungsgremiums sowie des Aufsichtsrats, wie berichtet wird. Dessen Spitze wird dann schon einmal gebeten, der Aufsicht schriftlich, und zwar mit Angabe von Gründen, zu beantworten, ob sie denn glaube, dass Vorstandsmitglied X nach wie vor positiv zur Entwicklung des ihm anvertrauten Geschäftsbereichs beitrage. Dies erhöht gehörig den Druck auf den Aufsichtsrat, der vermutlich gut daran tut zu reagieren – ganz ohne dass die Aufsicht das Vorstandsmitglied offiziell abberufen muss.