Die genossenschaftliche Idee ist auch heute sehr stark

Wichtig für gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirtschaftliche Zukunft

Die genossenschaftliche Idee ist auch heute sehr stark

“Genossenschaften sind immer das, was menschliche Einsicht, geistige Kraft und persönlicher Mut aus ihnen machen”, stellte einst Friedrich Wilhelm Raiffeisen fest, dessen Geburtstag sich am 30. März 2018 zum 200. Mal jähren wird. Er und Hermann Schulze-Delitzsch, die Gründerväter der Genossenschaftsbewegung, setzten Mitte des 19. Jahrhunderts die Pflöcke für die genossenschaftlichen Grundwerte. Beide Sozialreformer suchten Antworten auf die drängenden gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit und setzten dabei auf die Kraft der Freiheit, stets vom einzelnen Menschen ausgehend und von der Achtung des Einzelnen.”Der Geist der freien Genossenschaft ist der Geist der freien Gesellschaft”, so hat es Schulze-Delitzsch formuliert, und weiter: “Der Weg, auf den die Genossenschaften ihre Mitglieder hinweisen, ist der Weg der Selbsthilfe, des Emporkommens durch eigene Tüchtigkeit.” Hilfe zur Selbsthilfe war also das Ziel, “Einer für alle, alle für einen”, nicht ein wie auch immer geartetes Machtstreben. Teil der BürgergesellschaftWährend die Genossenschaftsidee sich zu Anfang an die Bedürftigen richtete, wendet sie sich heute an all diejenigen, die etwas selber in die Hand nehmen und erreichen wollen, gemeinsam und gleichberechtigt. Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung – diese genossenschaftlichen Urprinzipien sind weder raum- noch zeitgebunden. Sie bilden zudem ein Fundament für die vielfach geforderte Bürgergesellschaft und geben Raum für selbstwirksames Engagement.Genossenschaften sind Teil der Bürgergesellschaft. Dahinter steht eine Geisteshaltung: Wie ihre Gründerväter setzen sie nicht auf staatliche Hilfe, sondern auf freiwilliges, gemeinsames Handeln, um ökonomische und soziale Probleme zu lösen. Genossenschaften vernetzen mit ihren Ideen Menschen, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Auch in der heutigen Zeit, in der viele Menschen mehr oder weniger unsicher in die Zukunft schauen, eröffnen die Genossenschaften Chancen auf mehr demokratische Mitwirkung, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit durch Teilhabe.Die genossenschaftliche Idee ist stark, sogar sehr stark: Mehr als 22 Millionen Bürger in Deutschland sind Mitglied einer Genossenschaft, das sind mehr als doppelt so viele, wie es hierzulande Aktionäre gibt. Weltweit sind es über 800 Millionen Mitglieder, die in den unterschiedlichsten Formen die Grundidee des gemeinschaftlichen Wirtschaftens mit Leben füllen und vernetzte Wertschöpfung betreiben.Folgerichtig ist diese geniale Idee von der Unesco Ende November 2016 in die “Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit” aufgenommen worden. Die Bedeutung der Genossenschaften für die wirtschaftliche Entwicklung weltweit würdigte auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries auf dem Jahresempfang der Deutschen Genossenschaften im Februar 2017: “Genossenschaften haben nicht nur eine lange Tradition, sondern sie sind auch außerordentlich krisenfest und fortschrittlich. Eine gesunde, mittelständisch geprägte Volkswirtschaft wäre ohne Genossenschaften nicht denkbar.”Durch ihre Bedeutung sind Genossenschaften nicht nur ihren Mitgliedern gegenüber verpflichtet, sondern stehen auch in einer gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtung. In einer zunehmend globalisierten und zumindest gefühlt zunehmend unsicheren Welt verstärkt sich bei den Menschen das Gefühl der Fremdbestimmung: Entscheidungen werden immer öfter “woanders” getroffen, die Entscheidungsträger kennt man nicht mehr. Daraus ergibt sich das nachhaltige Bedürfnis nach überschaubaren Strukturen, nach festen und vertrauten Bezugspunkten im persönlichen Umfeld. Hieraus ist längst ein nachhaltiger Trend zu einer offenen, nicht mit Abschottung zu verwechselnden Regionalisierung erwachsen, und selbst im World Wide Web spielen regionale Dienste eine immer größere Rolle. Es geht um den EinzelnenDie Genossenschaften sind nach ihrem Selbstverständnis und ihrem Geschäftsmodell geradezu prädestiniert, diesen Bedürfnissen der Menschen nach Überschaubarkeit, Vertrautheit und Regionalität Rechnung zu tragen. Dazu brauchen die Genossenschaften ihre Grundwerte nicht umzukrempeln, denn auch heute geht es wie bei Raiffeisen und Schulze-Delitzsch um den Einzelnen.In einer zunehmend fremdbestimmten Welt Möglichkeiten zu bieten, Ziele gemeinsam und selbstbestimmt zu erreichen, das ist die gesellschaftspolitische Aufgabe der Genossenschaften. Und deswegen sind Genossenschaften als Einrichtungen zur kooperativen Selbsthilfe wichtig für unser Gemeinwesen. Und deswegen brauchen auch Genossenschaften langfristig verlässliche Rahmenbedingungen, die ihnen Raum für ihr nachhaltiges Handeln lassen; dazu gehören nicht nur, aber insbesondere berechenbare regulatorische Rahmenbedingungen, sei es im Finanzsektor, für die Energiewende oder in der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Hierfür muss die Politik Sorge tragen. Gewinn für alleDas genossenschaftliche Geschäftsmodell erhält seine Stabilität aus den beiden Grundpfeilern langfristige Mitgliederorientierung und tiefgehende regionale Verankerung. Dadurch, dass Genossenschaften am Bedarf ihrer Mitglieder und Kunden orientiert typischerweise auf lokal oder regional abgegrenzten Märkten agieren, übernehmen sie regelmäßig auch Verantwortung in der Region für die Region – was wir als Genossenschaftsverband Weser-Ems übrigens auch für uns in Anspruch nehmen.Durch ihr Wirken sind Genossenschaften ein Gewinn für die Menschen vor Ort und – zumindest mittelbar – ein Gewinn für alle. Das gelingt, weil Genossenschaften regelmäßig überschaubar, weil sie den Menschen vertraut sind und die Menschen wiederum ihrer Genossenschaft vertrauen und weil sie eben regional verankert und damit identitätsstiftend sind. Beide Grundpfeiler werden, davon sind wir fest überzeugt, auch bei allen künftigen Wandlungserfordernissen stabilisierend wirken. Dabei ist immer gut beraten, wer eng bei seinen Mitgliedern, Kunden sowie Mandanten und deren Wünschen und Bedarf ist. Das gilt umso mehr, je größer die tatsächlichen oder auch nur gefühlten Unsicherheiten sind. Erfolgreich und innovativSeit mehr als 160 Jahren sind Genossenschaften im Finanzwesen, in der Land- und Ernährungswirtschaft, im Handel, im Gewerbe oder im Wohnungsbau erfolgreich. Gerade in unserer ländlich geprägten Verbandsregion Weser-Ems gibt es neben diesen “traditionellen” viele weitere Wirkungsfelder, in denen Genossenschaften die regionale Entwicklung positiv beeinflussen und nachhaltig fördern können. Dazu gehören unter anderem die Umsetzung einer bürgernahen Energiewende, ein menschenwürdiges Wohnen im Alter oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch genossenschaftlich organisierte Kinderbetreuung. Jährlich GenossenschaftstageUnser Verband sieht sich in diesen Feldern als Partner und zugleich Impulsgeber für bürgerschaftliches Engagement mit innovativen Ideen. Zu diesem Zweck führen wir unter anderem jährliche Genossenschaftstage zu ausgewählten Themen für viele Akteure in unserer Region durch. Nachdem wir in den letzten beiden Jahren genossenschaftliche Modelle für die Regionalversorgung präsentiert und Sozialgenossenschaften als innovative Form der bürgerschaftlichen Selbsthilfe vorgestellt haben, wird in diesem Jahre (wieder) die Energiewende aufgegriffen mit den beiden Themensträngen erneuerbare Energien und Energieeffizienz.Bereits vor zehn Jahren hat unser Verband begonnen, die Chancen der Energiewende für seine Mitgliedsunternehmen zu nutzen, und hat ein umfangreiches Expertenwissen in den Leistungsfeldern Prüfen, Beraten, Bilden und Interessen vertreten aufgebaut. Mittlerweile werden von den Unternehmen unserer Dienstleistungsgruppe über 130 Mandanten im Energiesektor, darunter 70 Energiegenossenschaften, betreut – auch das ist ein Beitrag dazu, das eingangs genannte Credo der Genossenschaften für unsere Region erfolgreich in die Zukunft zu tragen.—Axel Schwengels, Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems