SERIE: BANKING IN DER NISCHE (3)

Die Gratis-Broker kommen

Drei neue Anbieter am Markt - Vermarktung des Orderflows soll Angebot refinanzieren - Aufsicht fordert im Gegenzug Qualitätsverbesserungen für Kunden

Die Gratis-Broker kommen

Discount-Broker gibt es in Deutschland schon seit rund 25 Jahren. Nach einer Konsolidierungsphase kommen neue Spieler wie Trade Republic und Just Trade auf den Markt. Sie leben von Rückvergütungen, können aber nur bei ausreichendem Volumen dauerhaft überleben. Von Björn Godenrath, FrankfurtMitte der neunziger Jahre ging es los mit den Discount-Brokern. Die Direkt Anlage Bank nahm im Frühjahr 1994 den Geschäftsbetrieb auf, da erfolgte auch die Gründung von Consors. Die Comdirect nahm Mitte 1995 ihre Geschäftstätigkeit auf. Beflügelt vom Dotcom-Überschwang boomte das Geschäft, private Anleger wollten ihren Teil vom Kuchen abhaben und eröffneten Depots bei den per Internet erreichbaren Brokern.Doch so schnell, wie die breite Masse in den elektronischen Aktienmarkt strömte, so vehement suchte sie den Exit, als erst die Nebenwerte-Spekulationsblase am Neuen Markt platzte und dann auch noch vermeintliche Blue Chips wie die Telekom rapide an Börsenwert verloren. Da war Wundenlecken angesagt – aber es war die Basis gelegt für das moderne Retail Brokerage, das privaten Anlegern den Gang zur Filiale spart und per Desktop Zugang schafft zu den Früchten des internationalen Kapitalmarkts. Auch wenn deutsche Anleger vor allem auf heimische Aktien aus den Auswahlindizes setzen, so steht heute doch eine breite Palette an Kapitalmarktprodukten bereit, die sich direkt beim Broker erwerben lassen. Branche hat konsolidiertDie Branche hat inzwischen konsolidiert. DAB Bank und Consors gehören als heutige Consorsbank der BNP Paribas, die Comdirect wird heimgeholt in den Schoß der Commerzbank. Flatex hat sich als Destination für aktivere Trader etabliert, die für Aktienkäufe zwar zur Kasse gebeten werden, aber Derivate und Optionsscheine als Exchange Traded Products (ETPs) provisionsfrei handeln.Bekannt und salonfähig gemacht hat dieses Modell des provisionsfreien Wertpapierhandels der Gratis-Broker aus den USA, Robinhood. Die schaufeln ihre Orders zu Hochfrequenzhändlern wie Citadel, Two Sigma und Virtu, die diese dann über ihre außerbörslichen Plattformen abwickeln und Robinhood dafür eine Rückvergütung geben. Die Einnahmen aus diesem Order Routing sind die Basis für den provisionsfreien Aktienhandel – womit sich aus Kundensicht der Kreis schließt und nun ein vollständiges Modell von Discount Brokerage besteht, sofern auch keine Depotgebühren berechnet werden. Einzug auf breiter FrontDieses Modell des kostenlosen oder nahezu kostenlosen Brokerage hält nun auch in Deutschland auf breiter Front Einzug. Den Anfang machte im Frühjahr 2019 das Start-up Trade Republic, das als Neo-Broker analog zu Neobanken wie N26 oder Revolut den Wertpapierhandel ausschließlich mobil über das Smartphone zugänglich macht.Nachdem die Berliner rund 17 Mill. Euro an Wagniskapital eingesammelt haben, sind sie bei der Gründung den beschwerlichen Weg gegangen und haben selbst eine Lizenz als Wertpapierhandelsbank erworben – diesen regulatorischen Prozess zu durchlaufen, kostet Zeit und Geld. Dafür ist Trade Republic nun in der komfortablen Position, keinen Partner als Haftungsdach zu benötigen. Das Angebot ist nicht so üppig wie bei den gewachsenen Marken, dürfte aber für Otto Normal-Trader ausreichen: Mehr als 7 300 Aktien lassen sich auf Trade Republic handeln, dazu 500 Indexfonds sowie etwa 40 000 Derivate. Zudem bietet Trade Republic neuerdings Sparpläne auf 280 Exchange Traded Funds (ETFs) von BlackRock an. Partner für Derivate ist HSBC.In Rechnung gestellt wird pro Transaktion lediglich eine sogenannte Fremdkostenpauschale von 1 Euro, die Depotführung ist kostenlos. Weitergeleitet werden die Orders an Lang & Schwarz (LS Exchange), die über ihre außerbörsliche Plattform abwickelt und Trade Republic Rückvergütungen gewährt – in der Regel gibt es dafür feste Staffeln, die nach Volumen gewichtet sind. Diese “Abwicklungskostenzuschüsse” belaufen sich bei Trade Republic auf bis zu 3 Euro pro Kundenorder – wird dieses Maximum erzielt, verdient Trade Republic an jeder Order 2 Euro.An diese Töpfe der Abwicklungskostenzuschüsse wollen alle ran, es ist der Kern des Geschäftsmodells der Gratis-Broker. Das gilt auch für den seit Oktober 2019 tätigen Online-Broker Just Trade. Der hat mit JT Technologies und Sutor Bank zwei Betreiber. Die Hamburger Bank ist für das Einlagen- und Finanzkommissionsgeschäft (Konto- und Depotführung) zuständig und stellt die Lizenz und das Haftungsdach, das eigentliche Trading nebst Technologie wickelt die Frankfurter JT Technologies ab. Die wird von zwei bekannten Szenegesichtern betrieben: Ralf Oetting und Michael Bußhaus waren vorher bei Onvista, die wiederum von Comdirect 2017 übernommen wurde. Jetzt wollen die beiden Protagonisten “Zero Commission Brokerage for Europe” anbieten, später auch gegen Gebühr ein professionelles Trading-Frontend. Wie Xetra oder besserFür deutsche Orders ist Just Trade ebenfalls mit LS Exchange verbunden, außerdem wird zu Quotrix nach Düsseldorf geroutet. Das Versprechen: Orders werden stets wie über Xetra oder besser abgewickelt. Das über Just Trade zugängliche Portfolio: 6 500 Aktien, mehr als 1 500 Indexfonds und vergleichbare Produkte sowie etwa 500 000 Zertifikate, Optionsscheine sowie weitere Hebelprodukte. Da Just Trade auch keine Fremdkostenpauschale erhebt, ist das Brokerage für den Kunden komplett kostenlos. Das heißt, Just Trade will sich (zunächst) vollständig über Vereinbarungen mit außerbörslichen Plattformen sowie Anbietern von Indexfonds finanzieren, über die Gelder aus den Transaktionen der Kunden an sie zurückfließen. Ab 40 000 bis 50 000 Kunden könne man profitabel sein, schätzt Oetting. Da kommt was rumWas bei einem solchen Geschäftsmodell rumkommt, lässt sich anhand der Eckdaten von Degiro abschätzen: 2019 hatten die Niederländer 18,6 Millionen Transaktionen für 470 000 Kunden ausgeführt, was operative Einnahmen von 60 Mill. Euro brachte. Dazu dürften die Rückvergütungen einen erheblichen Teil beigetragen haben, bietet Degiro Trades am Aktienmarkt doch in der Regel zwei Drittel günstiger an als die Konkurrenz (siehe Grafik). Flatex erwartet, mit der Integration des Degiro-Tradeflow 15 bis 20 Mill. Euro zusätzlich an Rückvergütungen rauszuholen. 200 Mrd. Euro dürften dann über die beiden Marken Flatex und Degiro im Jahr an Volumen zusammenkommen. Von Robinhood ist bekannt, dass sie 40 % ihrer Einnahmen aus den Rückvergütungen erzielen.Den Reiz eines solchen auf Hightech-Infrastruktur fußenden schlanken Geschäftsmodells hat neben Just Trade auch schon die Firma Gratisbroker realisiert – auch wenn hier nur das Frontend mit Integration fremder Dienstleistungen betrieben wird. Die Münchener bieten Brokerage, nomen est omen, kostenlos an. Dabei arbeitet das Unternehmen mit einer Reihe von Geschäftspartnern zusammen: Bei der Baader Bank werden Depots und Konten der Kunden geführt, der Handel läuft dann über Gettex, einen von der Bayerischen Börse betriebenen Handelsplatz. Darüber sind ohne Entgelte und ohne Courtage 20 000 Wertpapiere aus aller Welt zugänglich plus Zertifikate von Unicredit/HVB und HSBC. Weitere Produktpartner von Gratisbroker sind DWS Xtrackers für ETFs und die Donaucapital Wertpapier GmbH – wobei Gratisbroker als gebundener Vermittler unter dem Haftungsdach von Donaucapital agiert. Mindestens 500 EuroWer für mindestens 500 Euro pro Order Wertpapiere kaufen will, der kann bei Gratisbroker mehr als 3 600 Aktien handeln sowie rund 180 ETFs und mehr als 2 100 Fonds. Außerdem soll das Portfolio um Optionsscheine und Zertifikate erweitert werden. Gründer und CEO ist Malte Rubruck, der als Trading-Profi für Comdirect, DAB Bank und Consorsbank tätig war. Seine Philosophie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von Trade Republic: Er geht davon aus, dass viele private Anleger es immer noch vorziehen, Transaktionen am Desktop durchzuführen – man kann ja mit dem Smartphone parallel recherchieren. Außerdem geht Rubruck davon aus, dass man kein vollumfängliches Aktienangebot braucht, würden viele (exotische) Titel vom Privatanleger doch gar nicht nachgefragt – das kommt hin. Volumen erforderlichOb die Kostenlos-Broker in ihrer Nische erfolgreich sein werden, hängt wesentlich davon ab, ob sie ausreichend Volumen anziehen, um dann Einnahmen aus den Rückvergütungen zu erzielen. Der zu verteilende Kuchen ist nicht so üppig, beziffert Trade-Republic-Gründer Christian Hecker die Anzahl der Kunden im deutschen “Low-Cost-Segment” doch auf rund 750 000. Und die haben alle schon eine Brokerage-Heimat gefunden. Mittelfristig könnten aber auch die nicht so preissensiblen Anleger angesprochen werden, die für sich realisiert haben, dass man nicht unbedingt über Xetra gehen muss – Just-Trade-Gründer Ralf Oetting zählt 2 Millionen Deutsche zur potenziellen Zielgruppe, für die man pro Jahr rund 100 Millionen Transaktionen abwickeln könne. Diese Zielgruppe müsste man den großen Brokern (Comdirect, Consorsbank, ING Deutschland, Flatex sowie über Sparkassen und Genossenschaftsbanken gehende Privatanleger) abspenstig machen. Die etablierten Broker sind noch auf dem Pfad unterwegs, eher Gebühren zu erhöhen denn zu senken.Andererseits kann man natürlich auch davon ausgehen, dass Gratis-Brokerage gar keine Nische bleibt, sondern perspektivisch “the new normal” wird. In den USA purzeln die Gebühren, seit Robinhood Marktanteile an sich zieht; die Übernahme von Ameritrade durch Charles Schwab zeigte, wie stark die Broker vom Nebengeschäft sonstiger Wertpapierdienstleistungen abhängen.Nicht aus dem Auge verlieren darf man auch die großen Neobanken wie N26 und Revolut. Während Revolut bereits kostenfreien Aktienhandel anbietet, wollen auch die Berliner dieses Thema angehen. Das soll entweder mit einer auf Partnerschaften fußenden Eigenentwicklung geschehen oder aber über eine Akquisition – Trade Republic könnte mit ihrer Ausrichtung da ein passendes Ziel sein.Die BaFin toleriert die Rückvergütungen als Zuwendungen, sofern diese in eine Qualitätsverbesserung für Kunden münden – was mit dem Verzicht auf Oderprovisionen gegeben sein dürfte. Die Broker erfassen sämtliche Zuwendungen, die nicht an Kunden weitergegeben werden, in einem internen Zuwendungsverzeichnis, das von der BaFin geprüft wird. Die Qualitätsverbesserung wird dann in einem Verwendungsverzeichnis dokumentiert. Hinzu kommt dann eine Kontrolle inklusive der Qualität der Kursstellung. Da fällt was abWas den Brokern verloren gegangen ist für die Refinanzierung, das sind Einnahmen aus der Wiederanlage von Kundengeldern. In normalen Zeiten fällt da ordentlich was ab. Diese Gelder können zur Quersubventionierung von Handelskosten beitragen. Robinhood kann in US-Treasuries investieren, die mit 2 % rentieren – davon können deutsche Broker nur träumen. Bisher erschienen: Bildung als Assetklasse (8. Januar) Rein in die Nische (7. Januar)