Die geheimen Konten bei den Schweizer Banken
Russen
Die heißen Kartoffeln der Schweizer Banken
Eine mutmaßliche Intervention der US-Sanktionsbehörde Ofac wirft heikle Fragen auf und erzeugt Druck auf die Anwälte
dz Zürich
Die Wünsche des amerikanischen Finanzministeriums sind den Schweizer Banken Befehl. Die Schweizerische Bankiervereinigung lässt keine Zweifel über das Verhältnis der Branche zum „Office of Foreign Assets Control (Ofac)“ aufkommen. Schließlich untersteht die mächtige Sanktionsbehörde direkt dem „Treasury“.
Erst in der vergangenen Woche hatte Verbandspräsident Marcel Rohner die Position seiner Branche wieder klipp und klar festgestellt: „Dass die Schweizer Banken die Ofac-Sanktionen der USA übernehmen, ist allen Kundinnen und Kunden klar. Wer Ofac-Sanktionen verletzt, wird vom Dollarverkehr abgekoppelt. Das ist für keine Bank eine Option, auch für keine Schweizer Bank“, sagte der frühere UBS-Chef im Interview mit der „Weltwoche“.
Russische Kunden im Fokus
Doch so eindeutig, wie Rohner spricht, geht es in der Praxis mitnichten zu, wie praktische Beispiele immer wieder zeigen. Gemäß einem Bericht von Reuters aus der vergangenen Woche habe die US-Behörde bei der UBS unlängst ihr Interesse an ehemaligen Credit-Suisse-Kunden russischer Herkunft bekundet. Nach einer schriftlichen Anfrage sei es darüber auch zu Gesprächen zwischen der Behörde und der Schweizer Bank gekommen.
Was an Inhalten ausgetauscht wurde, ist nicht bekannt. Die beiden Parteien nehmen offiziell keine Stellung zu Medienanfragen, bestätigen also auch nicht die Informationen des Reuters-Artikels. Diese erscheinen freilich plausibel, zumal sie sich auf Angaben von drei „mit der Angelegenheit vertrauten Personen“ stützen.
Alter Staatsvertrag
Tatsächlich sind direkte Recherchen ausländischer Sanktionsbehörden in der Schweiz unter Umgehung der ordentlichen Rechts- oder Amtshilfeverfahren staats- und strafrechtlich heikel. Während die US-Behörde bei einem fehlbaren Verhalten den bereits 50 Jahre alten Staatsvertrag „über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen“ verletzen würde, könnte sich die UBS im Fall einer rechtswidrigen Aushändigung von Kundendaten der Verletzung des Bankgeheimnisses und/oder einer „verbotenen Handlung für einen fremden Staat“ schuldig machen. Für Öffentlichkeit und Transparenz gibt es in dieser vertrackten Viererkiste wenig Raum.
Dementsprechend genießen potenziell verdächtige Kunden russischer Herkunft auch den geringsten Schutz. Reuters schreibt unter Bezugnahme auf einen Insider, die UBS versuche verdächtiges Geld und Konten stillzulegen, um das Risiko drakonischer Strafen und Bußen der US-Behörden zu vermeiden.
Grenzen für Datenaustausch
Ein Problem ist, dass nicht alle verdächtigen Kontoinhaber namentlich auf der Sanktionsliste der Ofac stehen. Am einfachsten und sichersten wäre es für die Banken, wenn sie die US-Behörden von Fall zu Fall fragen könnten. Aber eben: Das Gesetz lässt diesen direkten Austausch (aus guten Gründen) nicht zu. Erlaubt sei ein „technischer Austausch zu allgemeinen Auslegungsfragen“, präzisiert das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Wissen um die Unschärfen eines solchen Austausches. Genau deshalb, so heißt es in Bern, pflege man eben „eine gute Zusammenarbeit mit den Partnern, darunter mit den USA“.
Die Qualität dieser amerikanisch-helvetischen Beziehung steht in Bezug auf die Sanktionspolitik allerdings schon seit längerer Zeit auf dem Prüfstand. Erst vor gut zwei Wochen sagte US-Botschafter Scott Miller: „Die Schweiz kann und muss mehr dafür tun, damit ihr Rechtsrahmen nicht für illegale Finanzaktivitäten missbraucht wird.“ Es war eine Reaktion auf den Entscheid von Ofac, zwei Schweizer Anwälte auf die erweiterte Sanktionsliste zu setzen, weil sie russischen Kunden geholfen haben sollen, Sanktionen zu umgehen.
Bemerkenswerterweise zitierte Reuters einen US-Behördenvertreter, der die UBS für deren Kooperationsbereitschaft lobt. Indirekt kritisiert er damit Anwälte und andere Akteure, die im Unterholz des Schweizer Finanzplatzes sprießen. Die Bankenlobby weiß um das Risiko, dass ein international nicht mehr akzeptiertes Geschäftsgebaren solcher Akteure auf die großen Geldhäuser zurückschlagen könnte. Darum bemühen sich die UBS & Co. an der Seite der Regierung, das Schweizer Anwaltsgeheimnis im Sinne der US-Behörden zu lockern. Nach einem ersten Versuch, der an der starken Anwaltslobby im Schweizer Parlament gescheitert war, ist jetzt ein zweiter Versuch im Gang. Vor diesem Hintergrund dürften unliebsame Bankkunden, die sich überhaupt noch bewegen können, den Schweizer Finanzplatz schon längst verlassen haben. Wie der aktuelle Fall aber zeigt, gibt es auch einige heiße Kartoffeln, welche die Schweiz kaum loswerden kann. Ohne fleißige Anwälte könnte es noch schwieriger werden, diese loszuwerden.