IM GESPRÄCH: JOACHIM VON SCHORLEMER

Die ING-DiBa dreht im Corporate Banking auf

Institut hat Kreditvolumen im Wholesale Banking auf 17 Mrd. Euro glatt verdoppelt - Die Kosten-Ertrags-Quote liegt unter 40 Prozent

Die ING-DiBa dreht im Corporate Banking auf

Die ING-DiBa legt im Corporate Banking ein strammes Wachstum hin. Seit Anfang 2015 hat die Sparte ING Wholesale Banking Deutschland ihr Kreditvolumen verdoppelt. Die Zahl der Unternehmen, für die das Institut Kernbank ist, soll sich in den nächsten Jahren verdreifachen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie ING-DiBa dreht im Corporate Banking mächtig auf. Wie Joachim von Schorlemer, im Vorstand der deutschen ING-Tochter unter anderem zuständig für das Wholesale Banking in Deutschland und Österreich sowie die ING-DiBa-Direktbank Austria, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagt, hat das Institut sein Kreditvolumen im vergangenen Jahr von 8,8 Mrd. auf 15,6 Mrd. Euro heraufgeschraubt.Ende April lag der Bestand demnach bereits bei 16,9 Mrd. Euro. “Wir planen, dass sich die Entwicklung auch in den kommenden Quartalen konsequent fortsetzt, was die Ausweitung des Geschäfts und den Stellenwert des Wholesale Banking der ING-DiBa für Kunden in Deutschland und Österreich angeht”, sagt von Schorlemer.Das stramme Wachstum schlägt sich im Ergebnis nieder: In den beiden vergangenen Jahren hat das ING Wholesale Banking Deutschland seinen Gewinn vor Steuern von 50 Mill. auf 137 Mill. Euro hochgedreht. Die Zahl der Mitarbeiter stieg derweil von 196 auf 253.Ermöglicht worden ist dies durch eine breite Basis an Retail-Einlagen, welche die Direktbank in den vergangenen Jahren im deutschen Markt eingesammelt hat und nun im Firmenkundengeschäft in Kredite verwandeln kann. Die Masse an Depositen garantiert niedrige Refinanzierungskosten. Im Verein mit einer ohnehin vorteilhaften Kostenstruktur sorgen sie dafür, dass die Bank bei in Euro zu vergebenden Darlehen auch Konditionen mitmachen kann, mit denen mancher Wettbewerber nicht mehr profitabel arbeiten kann.Die Ausweitung der Kreditvergabe ist auch Programm, weil die Bank ihr Commercial Banking auch um der Risikodiversifikation willen als drittes Standbein in der Kreditvergabe neben der Bau- und der Konsumentenfinanzierung ausgemacht hat. “Unsere exzellente Kosten-Ertrags-Relation ist ein sehr großer Wettbewerbsvorteil”, sagt von Schorlemer. “Das Firmenkundengeschäft in Deutschland hat eine Kosten-Ertrags-Quote von weit weniger als 40 %.” Dies liegt noch unter der konzernweiten von zuletzt 40 %. Das Rating hilftHinter dem Wachstum steht von Schorlemer zufolge auch, dass die Muttergesellschaft ING Groep ihre Aktivitäten im Bereich Structured Finance nicht am Firmensitz in Amsterdam, sondern in Frankfurt zusammengezogen hat. Insgesamt 42 Leute kümmern sich damit bei der ING-DiBa um die weltweiten Structured-Finance-Aktivitäten unter anderem in den Feldern Besicherte Finanzierungen, Luftfahrt, Schifffahrt oder Projektfinanzierung. Von Schorlemer zufolge steht das Finanzierungs- und Zinsgeschäft außerhalb der Landesgrenzen etwa für die Hälfte des momentanen Kreditbestands. Das Rating der Bank helfe, wenn es etwa um Avale in der Exportfinanzierung gehe, sagt er. Kunden entschieden sich gerne für Garantien von Banken mit guter Bonitätsnote. Moody’s bewertet langfristige Verbindlichkeiten von ING-DiBa mit “A2” bei einem stabilen Ausblick.Im Geschäft mit deutschen Unternehmenskunden konzentriert sich die Bank auf Mittelständler ab einem Jahresumsatz von 250 Mill. Euro. Von Schorlemer: “Wir kehren die Treppe von oben.” Seinen Angaben zufolge deckt das Haus mit seinen Angeboten im Kredit- und Absicherungsgeschäft sowie im Transaktionsbanking etwa 80 % aller Produkte im Corporate Banking ab. Im Fokus stünden dabei vor allem Unternehmen, deren Bedürfnisse man befriedigen könne, weil sie etwa in denselben Ländern tätig seien wie ING und die Bank das Geschäft dieser Unternehmen daher verstehe, sagt er.Wie eigentlich alle Anbieter im Markt zielt die ING-DiBa auf den Quervertrieb ab. Von Schorlemer: “Wir möchten gerne möglichst die Kernbank für unsere Kunden sein, das bedeutet, dass sie mehrere Services und Produkte von uns nutzen.”Im vergangenen Jahr baute das Wholesale Banking der ING-DiBa die Zahl der Kunden um 30 auf 115 aus. Im ersten Quartal kamen nochmals 7 bis 8 hinzu, wie es heißt. Den Status als Kernbank hat ING-DiBa derzeit bei knapp der Hälfte ihrer Kunden noch nicht, wie von Schorlemer sagt. Man müsse sich beweisen, beschreibt er das operative Umfeld, kündigt zugleich aber an: “Wir möchten gerne die Aktivseite erhöhen. Wir wollen die Anzahl der Unternehmenskunden, für die wir aktuell Kernbank sind, innerhalb der nächsten Jahre verdreifachen.” Hoffen auf höhere RenditenDamit verbunden ist die Hoffnung auf höhere Renditen. Das reine Kreditgeschäft dürfte mit 4 bis 8 % vor Steuern rentieren, heißt es bei Beobachtern. Der Unternehmenskredit sei das Ankerprodukt und werde es auch noch auf Jahre hinaus bleiben, sagt von Schorlemer. Wichtig sei, dass die Gesamtkalkulation stimme. So lägen die Renditen im Ausland höher. Kommt der Quervertrieb hinzu, wird bei Beobachtern gleichwohl eine Nettoeigenkapitalrendite von 12 % für möglich gehalten. Im Konzern würde das Wholesale Banking der ING-DiBa auch damit allerdings noch hinterherhinken. Für 2014 wies die ING-DiBa eine Eigenkapitalrendite von 21 % aus.Gehen die Wachstumspläne auf, dürfte auch die Zahl der Beschäftigten im Wholesale Banking der ING-DiBa weiter steigen. Derzeit arbeiten dort 264 Leute nach 253 Ende vergangenen Jahres (siehe Chart).Die Entwicklung des ING Wholesale Banking Deutschland steht dabei in scharfem Kontrast zu jener bei der Commerzbank. Dort brach das operative Ergebnis der Mittelstandsbank im Startquartal binnen Jahresfrist um 43 % auf 209 Mill. Euro ein, da der negative Einlagenzins der EZB seine Spuren im Zinsüberschuss hinterlassen hat. Mit zunehmend rabiateren Mitteln versucht Deutschlands zweitgrößte Bank, sich weiterer Einlagen von Unternehmenskunden zu erwehren, unter anderem mit einem negativen Einlagezins ihrerseits für große Kunden.”Wir berechnen bis heute keine negativen Einlagezinsen”, sagt von Schorlemer. Wie es in einem Jahr aussehe, könne er nicht prognostizieren. ING-DiBa dürfte dabei zugute kommen, dass sie ihr Kreditgeschäft mit Unternehmenskunden vor allem mit ihren Retail-Einlagen bestreitet und gerade einmal 600 Mill. Euro an Einlagen auf Unternehmenskunden entfallen – Retail-Einlagen dürfen von Banken modelliert und teilweise als langfristige Kredite ausgereicht werden, Depositen von Unternehmen aufsichtsrechtlich nicht.