"Die Karte wird unsichtbar, virtuell"
Die Kreditkarte unsichtbar im Telefon mit sich zu führen, ist keine Zukunftsmusik, sondern Teil des Geschäftsmodells von Airplus. Das Marktpotenzial in China und darüber hinaus erläutert Geschäftsführer Patrick W. Diemer im Interview.- Herr Diemer, die Geschäfte bei Airplus laufen recht gut, vor allem in China. Hält das Wachstum an?Wir haben per Ende Mai im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Wachstum von 7 % bei unserem Abrechnungsvolumen (Issuing-Volumen) erreicht. Diese 7 % setzen sich zusammen aus einem moderaten Wachstum in Europa – plus 1 % in Deutschland, je plus 5 % in Frankreich und Italien, das sind unsere drei großen Märkte – sowie unseren Märkten außerhalb Europas, die sehr viel schneller wachsen. In China beträgt das Wachstum über 20 % in Renminbi, in Euro über 40 %.- Woher stammt das außerordentliche Wachstum in China?Wir haben dort eine sehr große Resonanz auf unser Produkt und eigentlich keinen Wettbewerber.- Zeichnet sich in China kein Wettbewerber ab?Ich glaube schon, dass China Union Pay sich das genau anschaut. Aber die Firma führt auch mit uns Gespräche, wie weiteres Wachstum aussehen kann.- Kooperieren Sie bereits mit China Union Pay?Bisher noch nicht. Aber sie sind interessiert daran, was wir tun. Wir sind ja spezialisiert auf das kleine Segment mit Firmenkunden und wir kommen in China jetzt in eine neue Phase. Wir wollen unser Wachstum gerne fortsetzen. Wir haben bisher internationale Konzerne in China als Kunde, sowohl chinesische – Huawei, ZTE, Lenovo -, aber auch Unilever, Coca-Cola, Bayer, Daimler, Fiat in China.- Was haben Sie nun vor?Jetzt haben wir uns vorgenommen, chinesische Unternehmen, also nationale, in China zu akquirieren. Zu den ersten unserer nationalen Kunden zählt China National Petroleum Corporation. Wir wickeln für sie das Travel Payment ab, also die Bezahlung, Abrechnung und Analyse von Dienstreisen.- Wie funktioniert das für ein chinesisches Unternehmen?Unsere Produkte sind vollständig in chinesischer Sprache verfügbar, also in Mandarin. Da gibt es kein Englisch mehr. Wir haben ein fast komplett chinesisches Team unter chinesischer Führung vor Ort.- Wo sitzen diese?Wir sitzen in China in Peking, Schanghai und Shenzhen. Eine unserer Zielkundengruppen sind sogenannte State Owned Enterprises wie die Shanghai Zhenhua Port Machinery Company. Die zweite Zielgruppe hat mit Regionen zu tun. Wir wollen raus aus diesen drei großen Zentren, den Tier-1-Cities. Denn es gibt Tier-2-Cities, also Städte mit über 10 Millionen Einwohnern. Dort wollen wir eines unserer nächsten Büros eröffnen, um eine größere Regionalisierung herbeizuführen und dadurch unseren Vorsprung zu verlängern.- Die Wettbewerber sind Ihnen also doch auf den Fersen?Unsere Einschätzung ist, dass unsere großen internationalen Wettbewerber, wie American Express und Citi, in China wenn, dann zunächst mit den internationalen Konzernen als Kunden beginnen. Dort wird also zunächst Wettbewerb entstehen, dann sind wir aber schon ein Stück weiter. Deshalb arbeiten wir in China auch mit den dortigen fünf großen Reisebüroketten zusammen. Zudem haben wir gerade einen Kooperationsvertrag abgeschlossen mit dem größten chinesischen Online-Reisebüro CTrip.com. Das ist ein rein chinesisches Unternehmen, das uns nutzen möchte, um auch den chinesischen Mittelstand zu betreuen.- Welche Wachstumsregionen haben Sie neben China im Visier?Im Rahmen unserer Strategie haben wir Asien-Pazifik als Wachstumsregion ausgesucht. Außerhalb Chinas versuchen wir derzeit in Australien mit unserer virtuellen Karte in den Markt zu gehen. Das Projekt heißt Aida. Wir haben eine gute Resonanz auf unsere Produkte in Singapur. Die nächsten Märkte, die wir uns erschließen wollen, sind Japan und Indien.- Hilft bei dieser Strategie, dass Sie eine hundertprozentige Tochter von Lufthansa sind?Das hilft uns bei den Verhandlungen mit den Aufsichtsbehörden. Das öffnet Türen. Wir brauchen als Finanzdienstleister eine Lizenz von den Aufsichtsbehörden und da macht es schon einen Unterschied, ob man zu einem Konzern mit einer hohen Strahlkraft von der Markenwirkung her gehört und seit Jahren in diesen Ländern vertreten ist. Wenn es um das Geschäft selber geht, ist das lokal.- Welches Potenzial birgt ein Kunde wie China National Petroleum?Wir haben einen großen Teilauftrag erhalten über 40 Mill. Euro. Dies beinhaltet nur die internationalen Flüge. Das entspricht einem Drittel ihres Gesamtvolumens. China hat für uns das Potenzial, so groß zu werden wie unser Heimatmarkt Deutschland.- Welches Abrechnungsvolumen entfällt auf Deutschland und auf China?Von den 12,7 Mrd. Euro Issuing-Volumen 2014 entfallen 40 % auf Deutschland, also rund 5 Mrd. Euro. Unter unseren Top-10-Kunden befindet sich bereits ein chinesisches Unternehmen. China ist ein Markt, der von uns erst seit 2008 betreut wird. Das Volumen hat 600 Mill. Euro erreicht.- Asien-Pazifik hat bestimmt auch den Vorteil, dass Sie sich nicht mit der Interchange-Regulierung durch die EU auseinandersetzen müssen?Stimmt. Die Märkte sind noch nicht so weit in der Entwicklung. Wir sind heute in neun Ländern in Asien-Pazifik tätig und es gibt heute keinen regionalen Player außer uns. Was in Europa völlig üblich ist, dass also American Express oder Citi oder wir in allen europäischen Ländern tätig sind, das gibt es in Asien-Pazifik noch nicht. Die Märkte entwickeln ihren Bedarf aber in diese Richtung. Wir treffen Travel Manager mit regionalen Aufgaben, die in zwölf Ländern unterwegs sind. Wir betreuen beispielsweise die Weltbank mit Sitz in Washington im gesamten Raum Asien-Pazifik, weil wir diese Abdeckung erbringen können.- Dann haben Sie dort einen Marktanteil von 100 %?In Asien-Pazifik nicht, aber in China haben wir 92 % aller Kreditkartentransaktionen, die über TravelSky laufen, dem einzigen globalen Buchungssystem (Global Distributions Service, GDS) in China.- Hat die neue Ticketgebühr der Lufthansa von 16 Euro, die der Konzern für Buchungen über Buchungssysteme (GDS) und Reisebüros zum 1. September einführen will, Auswirkungen bei Airplus?Wir sind davon indirekt betroffen. Kunden erwarten von uns eine bestimmte Datenqualität. Dazu gehört auch, dass wir eine Rechnung schicken und nicht nur ein Kreditkartenstatement. Wir haben neun Zusatzdaten, darunter Mehrwertsteuerinformationen, die Kostenstelle oder die Personalnummer der Mitarbeiter, die über Lufthansa fliegen. Wir haben im Laufe der Jahre ein System geschaffen, um diese Daten zu erhalten und an den Firmenkunden zu übermitteln. 90 % dieser Daten stammen entweder aus Computerreservierungssystemen (GDS), wie Amadeus, Sabre oder Travelport sowie den Reisebüros. Sollten diese beiden Vertriebswege unwichtiger werden, weil Kunden direkt bei Lufthansa buchen, wird der Kunde trotzdem diese Zusatzdaten von uns erwarten. Wir müssen dann diese Zusatzdaten aus anderen Quellen generieren, direkt von den Airlines beispielsweise. Das ist nicht ohne Haken und Ösen, dies zu automatisieren.- Inwiefern?Wir haben 4 000 Schnittstellen zu Reisebüros und Reservierungssystemen. Das Generieren von Daten ist generell teuer.- Ist es eher ein technisches Problem?Ja, aber darin liegt auch eine Chance. Wenn wir dies lösen, dann haben wir einen weiteren Marktvorteil gegenüber anderen Mitspielern. Hier spielt sich der Wettbewerb ab. In der Reisebranche bewegt sich etwas. Es geht darum, wie schnell man als Dienstleister eine Lösung für dieses neue Problem hat.- Stellen sich beim mobilen Bezahlen eines Flugtickets ähnliche Probleme?Wenn es bei Lufthansa direkt erworben wird, stellt sich das gleiche Problem. Mobiles Bezahlen ist aber heute noch nicht Standard bei Geschäftsreisen. Bestimmte Dinge kauft man vor der Reise, wenn man im Büro ist. Dazu gehört auch der Flug. Mobil wird aber das Taxi oder Benzin, Parkgarage oder der Heathrow Express in London bezahlt.- Was steckt hinter Ihrer virtuellen Karte?Wir sind der festen Überzeugung, dass die Kreditkarte, die wir heute in der Tasche tragen, ins Telefon wandern wird. Dafür wird es keinen Stichtag geben, aber wir werden erleben, dass immer mehr Transaktionen im Telefon stattfinden und immer weniger Transaktionen, bei denen wir tatsächlich ein Stück Plastik in die Hand nehmen. Gute Beispiele sind MyTaxi oder Uber, wo eine Kreditkarte hinterlegt ist. Das kann auch das Company Account oder die Corporate Card von Airplus sein. Der Kunde muss nur noch auf seinem Mobiltelefon ein O.K. geben, also keine Kartennummer mehr eingeben. In diese Richtung werden sich die Geschäftsmodelle bewegen, weil es sehr komfortabel für den Kunden ist. Die Karte wird unsichtbar, virtuell. Sollten wir in China die richtigen Lizenzen erhalten, ist es auch vorstellbar, dass wir dort gleich direkt aufs Mobiltelefon gehen.- Offenbar ist SAP durch den Kauf von Concur, einem amerikanischen IT-Spezialisten für die Abwicklung von Geschäftsreisen, schon ein Stück weiter. Denn damit können Manager sogar ihre Reiseabrechnung gleich ganz auf dem Smartphone erstellen, dabei die Taxiquittung einscannen und vieles mehr. Geht das auch bei Airplus?Wir sehen uns hier als Teil der Lösung, wir liefern die Expertise für die Zahlungsprozesse und die Rechnungsdaten. Das Tool für die Reisekostenabrechnung (RKA) stellt SAP, die Daten, die zu den einzelnen Kreditkartenzahlungen in diesem Tool vorliegen, kommen von uns. Die Partnerschaft mit SAP besteht seit Jahren, damit ist eine hervorragende Integration in Planungs- und Steuerungssysteme (ERP) gegeben. Ein konkretes Beispiel: Wenn die Taxiquittung mobil eingescannt wird, ist die Zahlung bereits im RKA-Tool hinterlegt – wenn mit der Airplus-Kreditkarte bezahlt wurde – und muss vom Reisenden nur noch bestätigt werden. Den Komfort solcher mobilen Lösungen können Dienstleister wie ERP- und Kreditkartenanbieter nur bieten, wenn die Produkte entsprechend aufeinander abgestimmt sind.- An welchen Zukunftsprojekten arbeiten Sie gerade?Wir sind aktuell in einem Projekt mit weiteren Reisedienstleistern engagiert, in dem es darum geht, von der Planung und Buchung über die Bezahlung bis hin zur Reisekostenabrechnung alle Prozesse für den Reisenden zusammenzuführen. Hier ist unsere virtuelle Bezahllösung ein entscheidendes Element. Insofern wird die bestmögliche End-to-end-Lösung nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Dienstleister erreicht werden.- Was bedeutet “Prozesse zusammenführen”?Das System macht die komplette Reiseplanung einschließlich Taxi, Flug, Hotel etc. und bucht dies. Im Hintergrund wird auch bezahlt. Der Reisende braucht also seine Karte auch während der Reise nicht. Ein großer Automobilkonzern in Deutschland führt dazu gerade ein Pilotprojekt durch mit Tests in den USA. Als Dienstleister machen wir bei diesem Projekt mit.- Gibt es für Airplus Möglichkeiten, in Deutschland, wo das Volumen zuletzt nur noch um 1 % zulegte, und in Europa stärker zu wachsen?Das Thema der virtuellen Kreditkarten (Aida) wird uns auch in Europa ein deutliches Wachstumspotenzial ermöglichen. Es ist das bei uns am stärksten wachsende Produkt. Wir bieten das in neun Ländern in Europa an, an Australien arbeiten wir gerade. Wir haben dafür ein eigenes Produkt-Managementteam gegründet.- Welches “virtuelle” Abrechnungsvolumen streben Sie an?Wir wollen das in fünf Jahren verdreifachen auf 1,5 Mrd. Euro.—-Das Interview führte Karin Böhmert.