Die Kunden nehmen uns in die Pflicht

Grüne Anlagekonzepte müssen mehr sein als nur ein Lippenbekenntnis

Die Kunden nehmen uns in die Pflicht

Hans Hanegraaf Vorstandsvorsitzender der Bethmann Bank AGGrün – alles wird grün. Geschäftsmodelle, Unternehmen und auch Banken. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf, wenn man die anhaltenden Diskussionen über nachhaltiges Handeln in der Finanzbranche verfolgt. Und der Eindruck stimmt: Der Boom von Green und Sustainable Finance wird die internationalen Finanzmärkte in den kommenden Jahren deutlich verändern. Die Banken sollten offen sein für diese Entwicklung. Denn sonst laufen sie Gefahr, ihre Kunden und ihre Geschäftsgrundlage zu verlieren. Doch stellt sich damit die nächste Frage: Wer sieht nachhaltiges Handeln und Finanzieren nur als Lippenbekenntnis – und wer betreibt es aus Überzeugung? Und überhaupt: Was hat eigentlich der Kunde davon?Umweltverschmutzung ist kein Geschäftsmodell. Darin sind wir uns hoffentlich alle einig. Doch dieses Verständnis ist noch keine nach­haltige Grundeinstellung, sondern sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Nachhaltigkeit hat für uns Banken heute zwei ganz wesentliche Dimensionen: Die eine ist die soziale. Wir sind fester Bestandteil der Gesellschaft und sollten uns bewusst sein, dass unser Handeln nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen hat. Indem wir die Gelder unserer Kunden anlegen, Unternehmen und Staaten finanzieren, wirken wir automatisch auf den Dreiklang von Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung ein, also auf die drei Bereiche, die unter der Abkürzung ESG (Economy, Social, Governance) Bekanntheit erlangt haben. Die zweite Dimension ist eine ökonomische. Sie betrifft unsere eigene wirtschaftliche Relevanz. Damit wir Gelder investieren können, müssen uns die Kunden überhaupt erst zu ihrem Begleiter in Finanzfragen wählen. Und es ist absehbar, dass die Mehrzahl der Kunden ihre Bank künftig nach einem überzeugenden nachhaltigen Angebot auswählen wird. Diese Entwicklung hat bereits eingesetzt, und ich halte sie für unumkehrbar. Lange Zeit kursierte das Vorurteil, dass nachhaltige Anlagen gleichbedeutend sind mit einem Verzicht auf Rendite. Doch der Vergleich der entsprechenden Indices spricht eine andere Sprache. Das wissen auch unsere Kunden und suchen entsprechende Anlagemöglichkeiten. Die Folge: Unternehmen ohne glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie werden an den Finanzmärkten mehr und mehr marginalisiert. Investoren wenden sich nachhaltigen Geschäftsmodellen zu, die dauerhaft gute Renditeaussichten bieten – und benötigen einen Bankpartner, der sie umfassend berät und unterstützt. Banken sollten also sehr genau darauf achten, wie sie ihr Geschäft betreiben. Halten sie an althergebrachten Investments fest und nehmen sie damit im schlimmsten Fall desolate Produktionsbedingungen in Kauf? Nutzen sie das Schlagwort “Nachhaltigkeit” nur zu Marketingzwecken und geben sich einen grünen Anstrich? Oder achten sie darauf, dass Investitionen wirklich ein nachhaltiges Ziel verfolgen? Mehr noch: Versteht sich die Bank als aktiver Investor, der Unternehmen ermutigt und unterstützt, ihre Geschäftsmodelle nachhaltiger zu gestalten? Es gibt jedenfalls keine Ausreden mehr, es nicht zu tun. Mehr noch: Unsere Kunden nehmen uns in die Pflicht. Was hat nun der Kunde davon? Neben der ökonomischen Rendite erhält er auch ein Plus an Sicherheit. Dahinter steckt ein einfacher Mechanismus: Eine Bank kann nur eine nachhaltige Anlage anbieten, wenn sie deren Nachhaltigkeit genau analysiert. Auf diese Weise lassen sich mögliche Risiken – etwa eine unseriöse Geschäftsführung oder umweltschädigende Aktivitäten – frühzeitig erkennen und ausschließen. Nachhaltigkeit reduziert also Unsicherheiten für den Kunden und nicht zuletzt auch für die Banken. Eine nachhaltige Geldanlage erfolgt idealerweise in einem mehrstufigen Prozess: Bislang achtete eine Bank vor allem auf fundamentale Daten potenzieller Anlagen, also etwa auf die Stabilität von Dividenden und Erträgen. Daneben ist nun die Nachhaltigkeitsanalyse getreten, also der Blick auf die genannten ESG-Kriterien. Erst aus der Schnittmenge beider Bereiche bildet sich ein Anlageuniversum. In einem nächsten Schritt kann die Bank weitere “Kontrollpunkte” einrichten. Denkbar wäre zum Beispiel die Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Nachhaltigkeitsbeirat, der das Anlageuniversum überwacht. Ebenso bietet sich die Kooperation mit spezialisierten Research-Instituten an. Wer sich in der Finanzbranche mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, der wird sehr schnell auch die perspektivischen Benefits für seine Organisation erkennen. Da ist zunächst einmal der Druck von außen: Nicht nur Kunden, auch Regulatoren und in zunehmendem Maße nachhaltige Initiativen verlangen von den Banken, sich zu wandeln. Wer also nicht mit der Entwicklung geht, wird – abgesehen von einem schwindenden Kundenstamm – irgendwann vor erheblichen Problemen stehen, die nur schwer zu lösen sind. Der Benefit reicht aber noch darüber hinaus: Zukunftsorientierte Umwelttechnologien weisen ein Wachstumspotenzial auf, das traditionellen Geschäftsmodellen vielfach abhandengekommen ist. Nachhaltige Geschäftsmodelle bieten wichtige Ansätze zur Lösung aktueller Missstände – und haben damit eine gewisse Dringlichkeit. Wer sich also mit Nachhaltigkeit beschäftigt, wird feststellen, dass er im Laufe der Zeit immer wieder neue Unternehmen und Geschäftsfelder kennenlernt – und damit seinen Blick für Zukunftsthemen schärft. Das alles ist übrigens nicht nur relevant für Privatkunden, gerade im Bereich der institutionellen Anleger ist Nachhaltigkeit ein Megatrend. Dort fragt man sich längst nicht mehr, ob man überhaupt nachhaltig investieren soll. Vielmehr stellt man sich die Frage, ob man den richtigen nachhaltigen Berater an seiner Seite hat. Es wird deutlich: Unsere Kunden achten heute sehr genau auf ganz konkrete Themen und Handlungsfelder in der Nachhaltigkeit. Sie sehen Nachhaltigkeit als wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Kreditinstituts. Diese breite gesellschaftliche Entwicklung zwingt die Banken dazu, sich weiterzuentwickeln. Wer dann kein glaubwürdiges Konzept vorweisen kann, wird langfristig im Markt einen schweren Stand haben. Die gute Nachricht aber ist: Die Botschaft ist bei vielen Banken angekommen.