Die Leichtigkeit des Seins

Von Björn Godenrath, Frankfurt Börsen-Zeitung, 11.5.2018 Hin und wieder kommt es vor, dass sich eine Diskrepanz auftut zwischen gefühlter Wahrheit und harten Fakten. "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf", so hatte der deutsche Dichter...

Die Leichtigkeit des Seins

Von Björn Godenrath, FrankfurtHin und wieder kommt es vor, dass sich eine Diskrepanz auftut zwischen gefühlter Wahrheit und harten Fakten. “Weil nicht sein kann, was nicht sein darf”, so hatte der deutsche Dichter Christian Morgenstern diese Form der Realitätsverweigerung schon vor mehr als 100 Jahren umschrieben. Spontane Zweifel kamen jedenfalls am Mittwochmorgen auf beim Studium einer Pressemitteilung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) mit der Überschrift “Geldabheben im Supermarkt noch kein Kassenschlager”. Das Wortspiel geht gerade noch so in Ordnung – aber kann es sein, dass nur 4 % der Bundesbürger ihren Einkauf von in der Regel mindestens 20 Euro dafür nutzen, bei Kartenzahlung direkt an der Supermarktkasse Geld abzuheben? Im Rewe wird man garantiert auf diesen Service angesprochen (leider auch auf jeden anderen), auch Aldi Süd ist zackig dabei. Und wer gerade Ebbe im Portemonnaie hat, der nimmt komfortabel ein paar Scheinchen mit, bevor er oder sie ein paar Meter Umweg zum nächsten Geldautomaten riskiert. Ja, wir Bankkunden sind faul und stehen auch dazu. Wobei es sich bei dem geschilderten Einkaufserlebnis natürlich um eine typische Großstadt-Kulisse handelt. Kann sein, dass es schon im Hintertaunus nicht mehr en vogue ist, Bargeld quasi im Vorbeigehen vollkommen legal einzusacken. “Cashback” heißt das im Fachjargon. Dem BdB zufolge sind Frauen dabei innovationsfreudiger – oder fauler, je nach Blickwinkel: 5 % der Damen nutzen Cashback, nur 2 % der Herren sind so frei. Was stimmt denn nicht mit uns? Na ja, vielleicht ist es ja einfach das fehlende Shopping-Gen oder unsere Obsession für Online-Käufe, die den Blick verstellen auf die Leichtigkeit des Seins.Den Banken kann die Auslagerung dieses Teils des Zahlungsverkehrs an den Handel im Grunde nur recht sein, sehen sie sich doch mit steigenden Kosten der Bargeldversorgung konfrontiert – und je besser Bargeld in Umlauf kommt, desto größer bleibt die Basis für die Bargeld-Infrastruktur von Geschäftsbanken und Bundesbank. In Schweden sehen sich die Banken mit dem Zurückdrängen des Bargelds mit horrenden Bargeldkosten konfrontiert, was bei den für den gesamten Zahlungsverkehr zuständigen Instituten den Impuls auslöst, das Bargeld abzuschaffen. Die Stockholmer Notenbank bereut ihre Outsourcing-Entscheidung mittlerweile und unterstützt, quasi als Ultima Ratio, eine Parlamentsinitiative, Banken das Vorhalten von Bargeld vorzuschreiben.Im Schlaraffenland des Bargelds geht derweil alles seinen gewohnten Gang, auch wenn der unbare Zahlungsverkehr – das ist Bundesbank-Deutsch – an Bedeutung zunimmt. Cashback ist ja die Synthese von bar und elektronisch, besser geht’s nicht. Wobei natürlich der Handel darum ringt, die Gebühren für Cashback und Münzgeld runterzukriegen – Deutschlands Banken müssen eben um jeden Cent kämpfen. Solange die Supermarktkasse gefüllt ist, ist aus Kundensicht die Bargeldversorgung sichergestellt – und davon profitiert der Handel insgesamt.—-Faulheit treibt den Bankkunden zur Bargeldabhebung an der Supermarktkasse.—-