Im GesprächEckhard Forst

"Die Machbarkeit muss in den Mittelpunkt"

Förderbankenchef Eckhard Forst fordert "Klarheit" über EU-Vorschriften, die in wenigen Monaten für Tausende börsennotierte Unternehmen greifen, und moniert, dass die Sustainable-Finance-Gesetze nicht aus einem Guss seien.

"Die Machbarkeit muss in den Mittelpunkt"

Im Gespräch: Eckhard Forst

"Die Machbarkeit muss in den Mittelpunkt"

VÖB-Chef fordert Klarheit bei Berichterstattung zu Nachhaltigkeit – Wunsch nach Social-Bond-Standard – "Weit entfernt von jeder Deindustrialisierung"

In wenigen Monaten greifen für Tausende börsennotierte Unternehmen in der EU schrittweise Vorschriften zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit. Eckhard Forst, Chef des Verbands öffentlicher Banken (VÖB), fordert "Klarheit" und moniert, dass die Sustainable-Finance-Gesetze nicht aus einem Guss seien.

Von Stefan Reccius, Brüssel

Deutschlands öffentliche Banken hadern mit nahenden Pflichten zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit, die ab 2024 greifen. „Wir bereiten uns darauf mit großem Aufwand vor“, sagt VÖB-Präsident Eckhard Forst im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und spricht von einer „Vorsichtsmaßnahme“. Wenige Monate vor dem Start sei nicht klar, wer alles unter die neuen EU-Vorschriften fällt. „Wir brauchen Klarheit.“

Kommendes Jahr weitet sich die nichtfinanzielle Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen ab einer bestimmten Größe, Bilanzsumme (20 Mill. Euro) und Jahresumsatz (40 Mill. Euro) deutlich aus. Denn ab 2024 greift schrittweise die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Auch viele Banken müssen sich umstellen.


Zur Person: Eckhard Forst

Seit viereinhalb Jahren ist Eckhard Forst Präsident des Bundesverbands Öffentlicher Banken (VÖB). Die Mitgliederversammlung des VÖB hat sein Mandat um drei Jahre verlängert. 2025 dürfte Schluss sein: Anfang 2026 läuft sein Vertrag an der Spitze der NRW.Bank aus. Seine Nachfolge bei der Förderbank des bevölkerungsreichsten Bundeslandes ist bereits geregelt: Nach früheren Stationen im Vorstand der Nord/LB und bei der Deutschen Bank geht es allmählich auf den Ruhestand zu.


Forst moniert, dass die Gesetze zu Sustainable Finance teilweise nicht sauber aufeinander abgestimmt seien. Exemplarisch nennt er die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Taxonomie. „Da würde man auf den ersten Blick sagen, da wird etwas Ähnliches bezweckt. Aber das täuscht, weil die Anwendung sehr unterschiedlich ist. Ebenso das Sammeln von Daten und die Möglichkeit, Annahmen zu treffen.“

Kritik kommt auch von Nichtregierungsorganisationen wie Better Finance. Zu deren Hauptkritikpunkten gehört, dass die CSRD keine verlässlichen und vergleichbaren Nachhaltigkeitsdaten gewährleiste, wodurch Unternehmen womöglich die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Umwelt herunterspielen könnten. Das drohe den Ruf Europas als Förderer einer sozial gerechten und umweltverträglichen Wirtschaft zu untergraben, heißt es bei Better Finance.

„Von Brüssel alleingelassen“

Der Bankenbranche macht zu schaffen, dass die Berichtspflichten in Sachen Nachhaltigkeit auch mit Blick auf die Größe von Unternehmen nicht aus einem Guss sind. Von Mittelständlern und kleinen Unternehmen liegen zum Teil gar keine Daten vor. Umfang und Ausnahmen von Berichtspflichten, Fristen zur Anwendung, Bürokratieabbau: Für VÖB-Chef Forst geht es zu wenig darum, dass die Vorgaben aus Brüssel praktisch umsetzbar sein müssen.

„Auch bei der Taxonomie muss die Machbarkeit in den Mittelpunkt“, fordert Forst. Das Problem sei die binäre Logik der Taxonomie, die sich am Pariser Klimaziel orientiert, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Wollen wir den bedienen, der das 1,5-Grad-Ziel schon erfüllt und mit relativ hohen Investitionen minimal weiterkommt?“, fragt Forst. „Oder müssen wir nicht auch den bedienen, der heute auf Kurs zu 8 Grad ist und mit der Investition auf 4 Grad kommt?“

Novum Green-Bond-Standard

„Von Brüssel völlig alleingelassen“ fühlen sich Banken Forst zufolge bei dem Unterfangen, die Wirkung von Investitionen in Klimaschutz zu messen. Da gehe es beispielsweise um die Frage, wie viel klimafreundlicher eine neue Maschine ist. „Die Wirkung kann man nicht vernünftig anhand der Investitionssummen messen. Wir benötigen Kriterien, die den Effekt von Maßnahmen belegen.“ Momentan setze jede Bank, jede Versicherung und jede Kapitalsammelstelle sich eigene Regeln und treffe eigene Annahmen.

Ein Novum an den Kapitalmärkten ist der kürzlich beschlossene Green-Bond-Standard, der in einem Jahr EU-weit in Kraft treten wird. Forst macht sich für ein vergleichbares Gütesiegel für die Emission von Anleihen nach sozialen Maßstäben stark. „Ich wünsche mir einen Social-Bond-Standard, der vernünftig gemacht und erfüllbar ist“, sagt Forst. „Ein prinzipienbasierter, freiwilliger Rahmen für soziale Investitionen würde die Marktstandardisierung unterstützen. Aber auf Praktikabilität kommt es an!“

Green Bonds würden der von ihm geleiteten NRW.Bank „aus den Händen gerissen“, schildert der Chef der landeseigenen Förderbank. Auch der Markt für Social Bonds öffne sich gerade enorm. „Wir wollen beides bedienen.“ Bei Social Bonds gehe es hauptsächlich um sozialen Wohnungsbau und Krankenhäuser. Einige Förderbanken halten sich bei der Ausgabe von Social Bonds zurück, daher fällt Forsts klare Positionierung auf.

Im VÖB hat man die Sorge, dass die methodischen Mängel der grünen Taxonomie auf eine soziale Taxonomie übertragen werden. „Daher sprechen wir uns aktuell für Orientierung, aber gegen harte Regulierung hierbei aus“, so Forst. Hingegen spielt das Thema Governance im Nachhaltigkeits-Dreiklang ESG für Investoren bislang kaum eine Rolle. „Gute Unternehmensführung ist mit Blick darauf, Mitarbeiter zu halten und zu werben, das vielleicht wichtigste Thema für die nächsten Jahre. Am Kapitalmarkt ist es für die Emission einer Anleihe noch keines“, konstatiert Forst.

Schleppendes Fördergeschäft

Das Geschäft der NRW.Bank und anderer Förderbanken läuft derzeit schleppend. „Das liegt an der Vorsicht der Investoren, nicht an einem Mangel an Geld“, sagt Forst. Unternehmen zweifelten und zögerten aus konjunktureller und sonstiger Unsicherheit. „Das ist individuell wahrscheinlich die total richtige Entscheidung, aber volkswirtschaftlich schwierig.“

Manche Ökonomen und Politiker warnen wegen höherer Energiepreise vor einer bevorstehenden Deindustrialisierung. Forst hält das für überzogen. Er räumt zwar ein, dass das US-Subventionsprogramm Inflation Reduction Act (IRA) eine gewisse Sogwirkung auslöse. Aber: „Wir sind weit entfernt von jeder Deindustrialisierung.“

Einen dauerhaft subventionierten Industriestrompreis, der kontrovers diskutiert wird, sieht Forst kritisch. „Viele Industrien sind momentan in einer kritischen Lage, da ist eine zeitlich begrenzte und überschaubare Hilfe für diese Unternehmen sinnvoll. Aber mit Blick auf knappe öffentliche Haushalte ließe sich das nicht dauerhaft durchhalten.“ Wichtig sei, schnell Klarheit zu bekommen. „Andernfalls verzögern Unternehmen wiederum Investitionen.“

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